Kommentar Studie über Auswärtiges Amt: Danke, Joschka Fischer!
Natürlich ist es mehr als nur zu bedauern, dass 60 Jahre vergehen mussten, bis die Wahrheit ans Licht kommt. Aber sie ist ans Licht gekommen. Auch dank Rot-Grün.
W enn Historiker geschichtliche Prozesse untersuchen, dann kommt das Ergebnis ihrer Arbeit zwangsläufig zu spät. Nichts anders verhält es sich mit dem Bericht über die Rolle des Auswärtigen Amts während der Nazizeit.
Das Ergebnis ist erschreckend und straft die endlos wiederholte Behauptung der Nachkriegsjahrzehnte Lügen, nach der das Amt höchstens am Rand mit dem Holocaust beschäftigt und in Wahrheit ein Hort des stillen Widerstands war. Das Gegenteil ist richtig: Die braunen Diplomaten arbeiteten aktiv an der Politik der Judenvernichtung mit.
Diese Tatsachen endlich richtiggestellt zu haben, ist ein Verdienst der Historikerkommission - und von Joschka Fischer, der in seiner Zeit als Außenminister den Anstoß zu ihrer Gründung gab. Allerdings: Die Schreibtischtäter sind längst in weichen Federbetten verstorben. Kaum einer von ihnen wurde verurteilt.
Klaus Hillenbrand ist Cehf vom Dienst der taz.
Ein einziger Zeitzeuge hat sich bisher zu Wort gemeldet: Richard von Weizsäcker. Dem Altbundespräsidenten fällt zu dem Vorwurf, sein Vater hätte 1936 die Ausbürgerung von Thomas Mann unterstützt, nichts weiter ein, als über die literarischen Qualitäten des Nobelpreisträgers zu salbadern. Man möchte sich gar nicht vorstellen, wie erst die Stellungsnahmen der Täter ausgefallen wären.
Natürlich ist es mehr als nur zu bedauern, dass 60 Jahre vergehen mussten, bis die Wahrheit ans Licht kommt. Die Betonung liegt hier auf mussten: Die Eliten der jungen Bundesrepublik haben die Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Vergangenheit erfolgreich verhindert.
Deserteure waren Verbrecher, Exilanten vaterlandslose Gesellen, Widerstandskämpfer außerhalb von Wehrmacht und Klerus zweifelhafte Gestalten, und das deutsche Volk bestand aus Verführten. Keine dieser perfiden Wertungen hat heute noch Gültigkeit. Der Fortschritt war in der Auseinandersetzung mit der Nazizeit eine Schnecke - aber sie hat sich bewegt. Auch dank der rot-grünen Koalition im Bund.
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