Eine Banane gegen Deutschland: Augen auf beim Flaggenkauf
Wer ein Produkt kauft, das das Ansehen der Republik beschädigt, kann Ärger mit der Polizei bekommen. Zum Beispiel wegen einer Deutschlandfahne mit Banane.
Das Stück Stoff kostet 9,99 Euro bei einem Flaggen-Universalhandel im Internet. Laut Produktbeschreibung besteht die Fahne aus 100 Prozent Polyester, ist 90 mal 150 Zentimeter groß, waschbar bei 30 Grad und mit Sicherheitsnähten doppelt gesäumt. Doch die Flagge hat eine versteckte Nebenwirkung, von der auf der Webseite nichts steht: Wer sie aufhängt, kann Ärger mit der Polizei bekommen.
So erging es Michael Pramann, Tischlermeister aus Eschershausen im niedersächsischen Landkreis Holzminden. Wegen der Fahne beschloss das Amtsgericht Hildesheim: "Wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole wird die Durchsuchung der Wohnung mit allen Nebenräumen" angeordnet. Der Beschuldigte werde verdächtigt, auf seinem Grundstück "eine mit der Abbildung einer Banane verunstaltete Deutschlandfahne aufgehängt zu haben". Dies sei "mit Strafe bedroht gemäß § 90 a Strafgesetzbuch".
Laut diesem Paragrafen wird mit bis zu drei Jahren Haft verurteilt, wer "die Farben, die Flagge, das Wappen oder die Hymne der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder verunglimpft". Genauso wird verurteilt, wer die Bundesrepublik "beschimpft oder böswillig verächtlich macht". Der Paragraf verteidigt "das Ansehen des Staates, das nicht nur gegen Verfassungsfeinde, sondern gegen jedermann geschützt werden soll", erläuterte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil.
Verboten ist die Verunglimpfung der Bundesrepublik laut Strafgesetzbuch allerdings nur "öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften". Im privaten Rahmen ist Staatskritik also erlaubt. So ist nichts dagegen einzuwenden, die Bananenflagge zu kaufen, sie zu besitzen und sie in einer geschlossenen Schublade aufzubewahren.
Aber auch wenn man die Fahne öffentlich zeigt, so wie Michael Pramann vor seinem Haus oder die taz auf einem Foto, muss das nicht immer eine Strafe nach sich ziehen. Privatleute können sich etwa auf die Meinungsfreiheit berufen, die taz auf die Pressefreiheit - und dann kommt es auf eine Abwägung an.
Im Fall der Bananenflagge wiegen die Grundrechte schwerer. Bereits Ende 2008 entschied die Staatsanwaltschaft bei einem anderen Bananenflaggen-Aufhänger: "Das öffentliche Hissen der Flagge stellt, anders als beispielsweise provokatives Aufstellen der Bundesflagge in einem Misthaufen, keine Verunglimpfung der Flagge dar."
Diesen und viele andere Texte lesen Sie in der sonntaz vom 23./24. Oktober 2010. Ab sofort mit noch mehr Seiten, mehr Reportagen, Interviews und neuen Formaten. Die sonntaz kommt jetzt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.
Der Wunsch: Tischlermeister Michael Pramann aus Eschershausen mailte uns, nach dem Hissen einer Bananenfahne "standen zwei Kripobeamte mit einem richterlichen Hausdurchsuchungsbeschluss vor meiner Haustür. Diese Fahne gibt es legal im Internet zu kaufen. Auf dem Grundstück meines Nachbarn wehte die gleiche Fahne. Er jedoch blieb unbescholten. Die Kripobeamten bestätigten mir gar, dass sich der Verfassungsschutz mit diesem Fall beschäftige. Was für ein Ingangset-zen eines Verwaltungsapparats."
Der Weg: Worüber würden Sie gerne etwas in der taz lesen? Was können wir für Sie recherchieren? Schicken Sie Ihre Anregung bitte per Mail an open@taz.de oder mit der Post an: die tageszeitung, Sebastian Heiser, Rudi-Dutschke-Straße 23, 10969 Berlin.
Eigentlich ist die Lage also klar. Ähnlich wie bei den Hakenkreuzen. Immer wieder wurden Antifaschisten verfolgt, weil sie das Symbol trugen - durchgestrichen selbstverständlich. Früher oder später wurden die Verfahren meist eingestellt. Erst als sich ein Verfolgter bis zum Bundesgerichtshof durchklagte, stellte der fest, was eigentlich auch so schon jeder gewusst hatte: Dass nämlich das durchgestrichene Hakenkreuz "in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt" und es daher erlaubt ist.
Das Problem ist: Es gibt keine offizielle Liste, in der man vor dem Kauf nachschlagen könnte, ob später eine Hausdurchsuchung und ein Ermittlungsverfahren droht. Es kommt auf die genaue Produktgestaltung im Einzelfall an - nicht zuletzt kann das Strafrecht auch von Beamtem zu Beamtem unterschiedlich ausgelegt werden. Eine Hausdurchsuchung ist schnell gemacht - und bis der Betroffene sich einen Anwalt geholt und vor Gericht recht bekommen hat, können ein paar Jahre vergehen. Michael Pramann hat sich übrigens direkt nach der Beschlagnahmung wieder eine neue Bananenfahne gekauft und vor seinem Haus aufgehängt. Und da weht sie bis heute.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?