piwik no script img

Twitter, Musk, MachtTritt Musk nun zurück?

Musk fragte die Twitter-Community, ob er als Chef zurücktreten soll. Dabei weiß er um die Probleme dieses pseudodemokratischen Werkzeugs.

Die Zukunft von Twitter unter Elon Musk bleibt ungewiss Foto: Dado Ruvic

Der Superreiche Elon Musk hat in der Nacht auf Mittwoch auf Twitter geschrieben, dass er als Chef der Plattform zurücktreten werde, „sobald jemand närrisch genug ist, den Job zu übernehmen“. Danach würde er nur die Teams leiten, die sich um Software und Server kümmern. Noch am Sonntag hatte Musk gesagt, dass es bisher kei­ne*n ge­eig­ne­te*n Nach­fol­ge­r*in gebe – worauf hin sich einige Menschen direkt ins Spiel brachten, etwa Edward Snowden.

Auch würde Musk mit der Aufgabe seines Postens als „Head of Twitter“ nicht automatisch seine ganze Macht abgeben. Denn er ist vor allem Eigentümer des Unternehmens und hat damit weitreichenden Einfluss auf die Führung der Geschäfte. Wer nun also denkt, die digitale Öffentlichkeit auf der Plattform sei den immer (rechts)populistischer agierenden Musk bald los, ist vermutlich etwas zu optimistisch.

Die Sache mit den „Umfragen“ auf Twitter

Musks Äußerung ist eine Antwort auf eine Umfrage, die er selbst am 19. Dezember auf Twitter gestartet hatte und in der er öffentlich fragte, ob er als Chef von Twitter zurücktreten solle. 57,5 Prozent der über 17 Millionen Stimmen standen am Ende bei „Ja“. Bei diesen Pseudo-Abstimmungen auf Twitter gibt es jedoch immer wieder die gleichen Probleme, die sie zu nichtrepräsentativen Umfragen machen.

Nicht alle Menschen, die auf der Plattform aktiv sind, beteiligen sich an Umfragen, bekommen sie überhaupt zu sehen. Zudem können Menschen mehrere Be­nut­ze­r*in­nen­kon­ten auf der Twitter haben – wie bei den meisten Social-Media-Plattformen. Hinzu kommt die Gefahr von orchestrierten Aktionen unterschiedlicher, oft aber rechter Intressengruppen, die dabei gelegentlich auch Bots zuhilfe nehmen, also Accounts, die nicht menschlich sind.

Musk weiß sehr gut um diese Probleme. Und er reagiert auf Menschen, die noch weitere Probleme sehen, weil sie Verschwörungsglauben anhängen. So etwa Kim Dotcom, einer der wichtigsten Internetgestalten der frühen 2000er Jahre, die vor allem durch seine illegalen Streamingangebote Bedeutung erlangte. Dotcom schrieb auf Twitter: „Es ist unklug, eine Umfrage wie diese durchzuführen, wenn du gerade der Nummer-eins-Feind des Deep States bist.“ Dotcom zeigt dabei klaren Verschwörungsglauben auf. Der „Deep State“ habe die größte Bot-Armee auf Twitter und würde diese gegen Musk einsetzen.

„Die Mehrheit (der Menschen) glaubt an dich“, so Dotcom. Außerdem hoffe er, dass die Umfrage eine Falle sei, mithilfe derer Musk alle Menschen findet, die gegen ihn sind. Musk bezeichnete diesen Vorschlag als „interessant“, ebenso wie die Idee eines anderen Users, nur noch solche Nut­ze­r*in­nen an Umfragen teilnehmen zu lassen, die ein kostenpflichtiges Twitter-Abo abgeschlossen haben. Der User geht davon aus, dass so nur noch Menschen, keine Bots mehr an Umfragen teilnehmen könnten.

Obwohl Musk weiß, welche Probleme es mit Umfragen gibt, startet er immer wieder Umfragen, mutmaßlich um Entscheidungen, die er bereits selbst getroffen hat, pseudodemokratisch abnicken zu lassen. So hatte er etwa schon vor seinem Twitter-Kauf im Oktober angekündigt, dass der Account des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump entsperrt werden würde, wenn er Twitter-Chef wird. Trumps Account war wegen Desinformation und des Verbreitens von Hass, insbesondere im Zuge des gewaltsamen Versuchs, am 6. Januar 2021 das US-Kapitol zu stürmen, gesperrt worden. Später, als er dann Twitter für 44 Milliarden Dollar gekauft hatte, ließ Musk tatsächlich darüber abstimmen. Das Ergebnis: Trump soll zurück.

Und er ließ auch darüber abstimmen, ob jene Journalist*innen, die Musk erst vor Kurzem auf Twitter sperren ließ, wieder freigeschaltet werden sollen. Diese Jour­na­lis­t*in­nen hatten im Vorfeld kritisch über Musk und Twitter berichtet. Nach lautem Protest unterschiedlicher Medienhäuser, aber auch von Po­li­ti­ke­r*in­nen und Institutionen ruderte Musk zurück und gab die Konten wieder frei. Er zeigte mit der Aktion jedoch abermals, welche Gefahr davon ausgeht, wenn eine für die Meinungsbildung wichtige Plattform des Gedankenaustauschs ideologisch von einer einzelnen Person gesteuert wird.

Stress von Tesla

Auch im Falle der Umfrage zum Rücktritt dürfte die Entscheidung von Musk schon vorher festgestanden haben. Zum einen hatte er bereits vor der Übernahme des Chef-Postens gesagt, dass dies nur eine Übergangslösung sei. Erst vergangenen Montag hatte er erkärt, dass er davon ausgehe, dass er seine Arbeitszeit bei Twitter reduziere und die Führung abgebe.

Zum anderen – so die Vermutung von vielen Be­ob­ach­te­r*in­nen – hat Musk vermutlich Druck vom Elektroautohersteller Tesla und der Satellitenfirma SpaceX bekommen. Denn auch diese Unternehmen führt Musk und Tesla steckt seit Wochen in einer Krise, die Aktien sind stark gesunken. Manche Aktionäre von Tesla haben sich öffentlich beschwert, wie wenig Zeit Musk für den Autohersteller aufbringt – wegen Twitter.

Musk hatte Twitter Ende Oktober widerwillig für 44 Milliarden Dollar gekauft. Im Frühjahr hatte er den Kauf angekündigt, sich mit Twitter geeinigt, wollte dann aber doch zurückrudern. Wegen einer Abmachung mit Twitter wäre das aber nur nach einem Gerichtsverfahren möglich gewesen, bei dem Musk keine großen Chancen zugestanden wurden.

Direkt nach seiner Übernahme hat Musk einige fragwürdige Entscheidungen getroffen. So hat er die Führungsrige direkt entlassen, kurze Zeit später über die Hälfte der Belegschaft, auch im Technikbereich. Zudem hat er die Zahl der Server abgebaut. Dass er nun genau diese Teams übernehmen will, wirkt umso abstruser. Zusätzlich zu wirtschaftlichen und technischen Veränderungen kommen einige, die starke gesellschaftliche Auswirkungen haben, wie die bereits erwähnten Account-Sperren, Änderungen im Moderationsverhalten und damit verbundene stärkere Präsenz von rechten Accounts und Aktionen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Comedians haben wir eigentlich genug auf der Welt.

  • als Chef der Plattform zurücktreten werde, „sobald jemand närrisch genug ist, den Job zu übernehmen“.



    Das dürfte Ihm nicht gelingen, Er ist da wohl nicht zu toppen!



    Btw. Gleich ob er sich dann um die IT usw. von Twitter kümmert oder am Strand liegt:



    "Was ändert DAS?"



    Gegen die "meinung des Mehrheitseigners wir sich in dem Laden nicht "ein Hausmeister, eine Putzkraft..." mehr oder weniger eingestellt. Es wird sich nichts änder!



    Twitter? Ich gebe dem Laden noch bis 2023/12/31! Dann RIP!