U-Bahn-Neubau Berlin: Bauen im unterirdischen Eisblock
Noch anderthalb Jahre bis Lückenschluss: Unter der Museumsinsel entsteht gerade der letzte von drei neuen U-Bahnhöfen – in einem riesigen Eisblock.
Mit Zange und Draht verknüpfen die drei Eisenflechter lange Stahlstäbe zu einer Matte, die sich dem runden Tunnelboden anpasst. Es ist ein Knochenjob, den die rumänischen Bauarbeiter leisten, und sie tun es bei Kühlschranktemperaturen, obwohl über Berlin eine warme Märzsonne scheint.
Heizstrahler könnten wohl Abhilfe schaffen, wären aber hier im künftigen U-Bahnhof Museumsinsel keine gute Idee: Das grundwassergetränkte Erdreich rundherum wird über ein ausgeklügeltes System konstant tiefgefroren. Das verhindert, dass der schlammige Boden unter dem Spreekanal in die Baustelle eindringt. Über die Wände ziehen sich dicke schwarze Schläuche, die das Kältemittel transportieren, an den metallischen Kupplungen wachsen Eisklumpen.
Beim Projekt „Lückenschluss“ der U5 ist der mittlere der drei neuen Bahnhöfe, dessen Ausgänge direkt zum Humboldt Forum und zum Zeughaus führen, die letzte Herausforderung – und die größte. Zwar ist die Bauherrin, die Projektrealisierungsgesellschaft (PRG) U5 – eine BVG-Tochter – zuversichtlich, dass Ende 2020 die U-Bahn von Hauptbahnhof bis Hönow durchrollt. Aber vor der Hacke ist es bekanntlich duster.
Wo jetzt der Bahnhof entsteht, wo Dutzende Arbeiter hämmern, bohren und flexen oder mit großen Maschinen Betonteile und Bewehrungsstahl bewegen, lagen bis November zwei parallele Tunnelröhren wie auf dem Rest der Strecke auch. Die Riesenmaschine „Bärlinde“ hatte sie von einer Grube in der Spandauer Straße aus durch den Untergrund getrieben und mit Tübbingen ausgesteift, Betonelementen, die sich zu einer perfekt abgedichteten Röhre fügen.
Nach dem monatelangen Vereisungsprozess hat man zwischen beiden Röhren einen weiteren Tunnel aufgegraben, die Tübbinge abgerissen und alles zu einer großen Hohlform erweitert, erklärt Jörg Seegers, technischer Geschäftsführer der PRG U5. Wenn die Eisenflechter ihre Arbeit getan haben und die Tunnelwände mit viel Beton befestigt worden sind, wird es spannend: „Dann tauen wir ab“, so Seegers, „und wir gehen davon aus, dass kein Grundwasser eindringt.“
Was ja auch unschön wäre – immerhin wird der von Max Dudler entworfene Bahnhof von einem tiefblauen, LED-erleuchteten „Sternenhimmel“ überwölbt. Er soll an Schinkels berühmtes Bühnenbild für die „Zauberflöte“ erinnern und so den Bezug zu den oberirdischen Bauten des preußischen Meisters herstellen. Regen soll daraus natürlich nicht fallen.
Auf der übrigen Strecke sind längst die Gleise verlegt, auf nachdrücklichen Wunsch der BVG traditionell mit Holzschwellen und Schotter. In den anderen beiden Stationen – Unter den Linden und Rotes Rathaus – sind die Bautrupps beim Finish. Hätte man auf den repräsentativen Zwischenstopp verzichtet, ginge die Strecke wohl schon dieses Jahr in Betrieb, wäre für viele Fahrgäste bequemer – weil schneller – und weitaus billiger als die angesetzten 525 Millionen Euro.
Dass das U-Bahn-Bauen in Berlin nicht nur wegen politischer Vorgaben oder technischer Anforderungen so teuer ist, lässt sich im Bahnhof Rotes Rathaus besichtigen. In dem Bauwerk mit den pilzförmigen Stützen wird derzeit die Wandverkleidung montiert: nach dem Entwurf des Architekturbüros Collignon keine schnöden Kacheln, die auf den Beton geklebt werden, sondern edle Parallelogramme und sanft gerundete Eckstücke aus edel schimerndem schwarzem Terrazzo, das ein Babelsberger Hersteller liefert.
Und weil die schweren Platten auf Halterungen mit Abstand zur Betonwand sitzen, würden sich etwaige Risse in den Wänden nicht „durchpausen“ und erst einmal unbemerkt bleiben, erklärt Jörg Seegers. Deshalb muss der Zwischenraum mit Spezialkameras kontrolliert werden.
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