Doping im Skisport: Mit der Nadel im Arm
Österreichs Polizei nimmt am Rande der Ski-WM fünf Langläufer fest. Es geht um Doping. Die Spur führt nach Erfurt. Auch da gibt es Festnahmen.
Die Nordische Ski-WM in Seefeld ist ein großes Spektakel. Manchmal wird es sogar richtig blutig. Die „Operation Aderlass“ hat die Berichterstattung von den Wettkämpfen am Mittwoch dominiert. Diesen Titel trug eine Presseaussendung des österreichischen Bundeskriminalamts, die es in sich hatte. Sie war als Erfolgsmeldung formuliert: „Weltweit agierendes Dopingnetzwerk zerschlagen“, heißt es darin.
Seit Monaten werde international ermittelt, heißt es in der Pressemitteilung. Es gab neun Festnahmen. Der Deutsche Skiverband (DSV) ließ schnell vermelden, dass das deutsche Team in Seefeld von der Polizeiaktion nicht betroffen ist. Dennoch war schnell klar, dass die Deutschen wie so oft bei dieser WM auch hier eine Hauptrolle spielen. Zwei Männer aus Thüringen gehören zu den Festgenommenen.
Einer von ihnen, der Erfurter Mediziner Mark S., ist ein alter Bekannter in der Dopingszene. Er war Teamarzt, als sich der deutsche Radsportler Stefan Schumacher nach 2005 mit medizinischer Hilfe in die Weltelite katapultiert hat, und wurde bald selbst wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz angezeigt. Nun steht er im Verdacht, zusammen mit einem Komplizen Sportlern beim Eigenblutdoping unter die Arme gegriffen zu haben.
Wie das abläuft und dass man sein Blut auch schon mal in einem flugs dafür angemieteten Hotelzimmer in Autobahnnähe austauschen lässt, hat im Januar der österreichische Langläufer Johannes Dürr in der ARD-Dokumentation „Geheimsache Doping: Die Gier nach Gold“ ausführlich geschildert. Seine Einlassungen führten zu den Ermittlungen, die in die Festnahmen mündeten.
Österreichische Langläufer in Haft
In Tirol selbst standen am Mittwoch die österreichischen Langläufer Max Hauke und Dominik Baldauf im Mittelpunkt des Interesses. Sie sind zwei der fünf festgenommenen Sportler. Als die beiden bei dieser WM im Teamsprint auf Platz sechs gekommen waren, rieben sich viele Beobachter noch verwundert die Augen. Nun könnten die Ermittlungsbehörden eine Erklärung für die Topplatzierung geliefert haben.
Im österreichischen Ski-Verband, der schon des Öfteren Ziel von Antidopingermittlungen war – unter anderem während der Olympischen Spiele 2006 in Turin –, zeigten erste Äußerungen, dass man im Vonsichweisen von Verantwortung durchaus geübt ist. „Wir bewachen sie nicht auf Schritt und Tritt. Das sind freie Leute, sie haben genügend Freizeit, um so einen Blödsinn zu machen“, wird Markus Gandler, der Sportdirektor des ÖSV, von der österreichischen Nachrichtenagentur APA zitiert.
Wie spektakulär der Einsatz bei der Ski-WM für die ausführenden Beamten gewesen sein muss, das bestätigte Dieter Csefan vom österreichischen Bundeskriminalamt bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. „Uns ist es gelungen, auch einen Sportler auf frischer Tat zu erleben“, sagte er. Demnach ist ein Sportler mit Bluttransfusion im Arm erwischt worden. Um wen es sich dabei handelt, wollte Csefan aber nicht sagen.
15 Kilometer Wahnsinn
Neben den zwei Österreichern sind die beiden Esten Andreas Veerpalu und Karel Tammjärv und der Kasache Alexej Poltoranin nicht an den Start zum Klassikrennen über 15 Kilometer am Nachmittag angetreten. Sie waren ebenso verhindert wie Baldauf und Hauke. Mit Poltoranin ist übrigens ein absoluter Spitzenläufer unter den Verdächtigen. Er hat schon zweimal Bronze bei Skiweltmeisterschaften geholt und hat fünf Weltcuprennen gewonnen.
Weltmeister über 15 Kilometer wurde dann der Norweger Martin Johnsrud Sundby. Der war schon mal positiv auf ein Asthmamittel getestet worden und musste ein paar Monate gesperrt aussetzen. Zweiter wurde der Russe Alexander Bessmertnych. Dessen Name tauchte bei den Untersuchungen zum russischen Staatsdoping rund um die Spiele von Sotschi auf. Bei Olympia in Pyeongchang 2018 durfte er deswegen nicht starten. Es war wirklich ein bemerkenswerter Tag in Tirol.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels