Kommentar Kohlekompromiss: Kritik leicht gemacht
Der Kohlekompromiss ist kein guter. Das Mittel der Wahl wäre eine CO2-Steuer, mit der Kohle sukzessive aus dem Markt gedrängt würde.
E igentlich ist es eine Banalität, mit der Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus in die Kohledebatte grätscht: Sollte die Versorgungssicherheit gefährdet sein, müsse man undogmatisch agieren, sagt er. Soll heißen: Das Enddatum der Kohle, von der Kohlekommission auf 2038 datiert, könnte sich verschieben. Die von der Regierung eingesetzte Kommission hatte nach langen Verhandlungen ein Konzept für einen Ausstieg bis spätestens 2038 vorgelegt.
Die Aussage des Fraktionschefs ist banal, weil das Primat der Versorgungssicherheit gesellschaftlicher Konsens ist. Dass Brinkhaus trotzdem explizit darauf hinweist, muss als gezielter Angriff auf den soeben fixierten Kohlekompromiss gewertet werden. Und es wird nicht der letzte Angriff dieser Art gewesen sein.
Schließlich hat man es den Ausstiegskritikern auch allzu leicht gemacht: Durch das sture Starren auf einen Endzeitpunkt der Kohleverstromung wurde der Beschluss unnötig verwundbar. Besser wäre die Erkenntnis gewesen, dass es müßig ist, ein Szenario der Stromwirtschaft von 2038 zu entwerfen. Mit einem stringenten Klimaschutzkurs, auf Sichtweite festgeschrieben, hätte man große Fortschritte erzielen, das endgültige Auslaufen der Kohle aber terminlich offen lassen können. So hätte man Kritikern, die – nicht ganz zu Unrecht – über das Jahr 2038 spekulieren, gar nicht erst die Bühne gegeben.
Das Mittel der Wahl wäre eine CO2-Steuer gewesen, mit der die Kohle ohne einen Zwanzigjahresplan sukzessive – und zügig – aus dem Markt gedrängt worden wäre. Großbritannien hat es vorgemacht; die Kohleverstromung wurde dort durch nationale CO2-Bepreisung in wenigen Jahren massiv gesenkt. Ähnlich hätte man auch in Deutschland Unternehmen, die in Erneuerbare oder Speicher investieren wollen, eine Planungssicherheit geben können, die wertvoller gewesen wäre als jedes Enddatum der Kohle. Zumal dann, wenn ein bedeutender Vertreter der Politik schon wenige Tage nach Abschluss der Kohlekommission beginnt, deren Konsens zu hintertreiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?