Kritik an Polizeigesetz in Niedersachsen: Ein Land fühlt sich verdächtigt
Das geplante Polizeigesetz mobilisiert den Protest hunderter Menschen in Niedersachsen. Sie sehen ihre Bürger- und Freiheitsrechte bedroht.
Die Große Koalition aus SPD und CDU plant, dass die Polizei in Zukunft mehr Eingriffsrechte bekommt. Dabei solle es um die präventive Bekämpfung von islamisch motiviertem Terrorismus gehen, erklärte Innenminister Boris Pistorius (SPD) bei der Vorstellung des Entwurfs.
Geplant ist etwa eine Präventivhaft für Gefährder von bis zu 74 Tagen – dafür müssten die Verdächtigen noch keine konkrete Tat vorbereitet haben. Bisher sind nur zehn Tage Präventivhaft möglich. Außerdem sollen Telefone, Computer und Wohnungen von Gefährdern künftig leichter überwacht und ihnen auch elektronische Fußfesseln angelegt werden können.
Kritik von den Jusos am SPD-Gesetz
„Der Gefährderbegriff ist unfassbar unklar definiert“, kritisiert der Vorsitzende der Jusos in Niedersachsen, Jakob Blankenburg. „Das kann letztendlich gegen alle Menschen angewendet werden.“ Es komme auf die persönliche Einschätzung der Polizisten vor Ort an, wer als Gefährder gelte. Statt neuer Eingriffsrechte solle die Polizei die vorhandenen Möglichkeiten nutzen und die Landeskriminalämter untereinander besser vernetzen. „Wir wollen eine Polizei, die den Menschen zuhört und diese nicht abhört“, sagt der Juso.
„Die Unschuldsvermutung wird praktisch außer Kraft gesetzt“, befürchtet auch Gramann von Attac. „Im Prinzip ist jeder verdächtig. Er könnte ja terroristische Gedanken im Kopf haben.“
Juana Zimmermann, die Pressesprecherin des Bündnisses, in dem sich unter anderem Gewerkschaften, Fußballfans, Anwälte, der Flüchtlingsrat oder Antifa-Gruppen zusammengeschlossen haben, weist darauf hin, dass in der Anhörung für den Gesetzesentwurf im Landtag viele Experten diverse Kritikpunkte geäußert haben. „Dieses Gesetz greift tief in die Grundrechte ein“, sagt Zimmermann.
Infoveranstaltungen soll es in der kommenden Woche in mehreren Städten geben. So etwa am Dienstag, den 4. September, in der Warenannahme in Hannover. Amnesty International lädt ab 19 Uhr zur Podiumsdiskussion „Sicherung der Freiheit“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut