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SPD-Abgeordnete zum Mitgliederentscheid„Opposition wäre besser gewesen“

Die Basis hat für die Neuauflage der GroKo gestimmt. Die Berliner Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe über die SPD nach dem Votum.

Die SPD muss beim Thema Armut Akzente setzen, sagt die Kreuzberger Abgeordnete Cansel Kiziltepe Foto: Britta Pedersen/dpa
Anna Klöpper
Interview von Anna Klöpper

taz: Frau Kiziltepe, 66 Prozent der SPD-Mitglieder haben für die Annahme des Koalitionsvertrags mit der CDU gestimmt. Sie haben sich im Vorfeld klar gegen eine Neuauflage der Groko positioniert. Wie ist die Laune?

Cansel Kiziltepe: Ich hatte ehrlich gesagt nicht mit so einem deutlichen Vorsprung der Befürworter gerechnet. Ich habe die Befürchtung, dass man sich in eine Große Koalition geflüchtet hat, weil man Angst vor Neuwahlen oder vor einer Minderheitsregierung hatte. Ich muss diese Haltung anerkennen, aber ich sehe das sehr kritisch.

Sie glauben also nicht, dass die SPD gleichzeitig mit der CDU regieren und sich angesichts desaströser Umfragewerte von 16 Prozent als Volkspartei neu erfinden kann?

Ich bin überzeugt, dass die SPD in der Opposition eine Zukunft gehabt hätte. Aber wir müssen jetzt versuchen, die öffentliche Debatte zu lenken: zum Beispiel beim Thema Armut. Da nehmen die Extreme in diesem Land zu, darüber müssen wir reden. Die SPD hat ja auch oft einen Hang zum ­Marktfetischismus gehabt, bei der Flexibilisierung des Arbeitsmarkts etwa, oder bei den Steuern. Wir müssen weiter über höhere Vermögensteuern reden, über eine höhere Erbschaftsteuer. Und das Thema innere Sicherheit dürfen wir uns nicht von den Rechtspopulisten aufzwingen lassen.

Im Interview: Cansel Kiziltepe

Jahrgang 1975, gebürtige Kreuzbergerin, gewählte Bundestagsabgeordnete für ihren Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg-Ost. Sie ist Mitglied im Finanzausschuss des Bundestags und stellvertretende Vorsitzende des Petitionsausschusses.

In Berlin regiert die SPD mit Grünen und Linken. Werden solche linken Regierungsbeteiligungen in Zukunft wichtiger, wenn die SPD in der Groko verschwindet?

An den Metropolen zeigt sich jedenfalls, dass es eine Zweigeteiltheit innerhalb der SPD gibt: Und wenn dann auch in SPD-Hochburgen wie Bremen, Hamburg oder auch Berlin die Zustimmungswerte sinken, dann muss uns das besonders Sorge machen. Altersarmut, Lohnarmut, das polarisiert sich in den Städten ja noch einmal viel stärker als zum Beispiel in Niedersachsen.

Zuletzt hat die Berliner SPD aber gar nicht links, sondern brav mit der CDU gestimmt: Obwohl Rot-Rot-Grün in Berlin den Familiennachzug für Flüchtlinge erleichtern will, hat sie sich am Freitag im Bundesrat bei der Frage nach einer verlängerten Aussetzung des Familiennachzugs enthalten – weil die SPD für eine weitere Aussetzung war.

Ja, das war ein Punkt, da hätten wir klare Kante zeigen müssen. Da können wir nicht zulassen, dass wir als SPD von unseren Grundwerten abweichen.

Wo wollen Sie klare Kante zeigen – als SPD-Linke, als Berliner Abgeordnete?

Friedrichshain-Kreuzberg, mein Wahlbezirk, ist der am stärksten gentrifizierte Bezirk dieser Stadt. Zuletzt konnte ja verhindert werden, dass das Dragonerareal in Kreuzberg, eine Liegenschaft des Bundes, meistbietend verkauft wird. Aber um grundsätzlich Rechtssicherheit zu haben, muss das Gesetz geändert werden: Die Bezirke, beziehungsweise die Kommunen, müssen ein Erstzugriffsrecht auf diese Liegenschaften bekommen – um dann sozialverträglichen Wohnraum schaffen zu können. Das finden Sie auch im Koalitionsvertrag wieder. Noch ein Beispiel?

Gerne.

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6 Kommentare

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  • Mit Erbschaftssteuer bekommt man die Ungleichheiten nicht weg. Über eine Erbschaftssteuern freuen sich doch vor allem die Banken.

     

    Eine Vermögenssteuer? Ja, das ist sinnvoll. Ich würde noch dazu eine Kappungsgrenze für extreme Vermögen einführen: Weil die in ihrer Machtfülle mit Demokratie schlicht nicht vereinbar sind.

  • Solange die SPD wie alle anderen Parteien auch (ja, das gilt auch für Linkspartei, da wo sie regiert) dem Neoliberalismus huldigt, ist es ziemlich egal, ob sie Hirntod in der Regierung abhängt oder in der Opposition.

     

    Solange für die SPD Menschen auch nur Produktivkräfte sind und die Umwelt nur eine wirtschaftliche Resource ist und die die Qualität des gesellschaftlichen Lebens lediglich im Wohlergehen einiger Grosskonzerne misst, kann ich auch CDUCSU (mit Kirchensteuer, mit Soli), FDP (mit Kirchensteuer, ohne Soli), Bündnis90Grüne (mit Soli, mit Kirchensteuer, mit Flüchtlingen) oder AFD (ohne GEZ, ohne Flüchtlinge) wählen.

     

    Liebe grokophobe SPDler, wie wär 's wenn ihr mal eine Vision für ein Gesellschaftsystem entwickelt, in dem der Staat Schulen, Bildung, Gesundheitssystem, Infrastruktur (analog und digital), Verkehr (Strasse, Luft und Schiene) als seine zentralen Aufgaben sieht und sich nicht nur als Hüter der geregelten Kapitalauschüttungen an Aktionäre betätigt. Ein Staat, der dafür sorgt, dass er genügend Einnahmen für seine Ausgaben hat. Ein Staat, der dafür sorgt, dass die Menschen von ihrem Lohn auch leben können und nicht durch die von den Armen gezahlte Mehrwertssteuer subventioniert werden müssen. Ein Staat, in dem Rentner eben so gut wie pensionierte Beamte leben können. Ein Staat, in dem man nicht der Armenspeisung als Wohltat und Zeichen der Solidarität huldigt, sondern in dem man Tafeln überflüssig macht.

     

    Kurz gesagt, wie wär 's wenn ihr mal anfangt sozial-demokratische Politik zu machen und sie nicht nur in den 12 Monaten vor dem Wahltermin zu versprechen.

    • @Adele Walter:

      Ich verstehe das mit der Opposition auch nicht wirklich. In einem Parlament mit Regierungsmehrheit und Fraktionszwang hat die Opposition Kaschperlestatus... man darf 5min große Reden schwingen während das Volk nicht zuschaut weil arbeitet. Das könnten die genausogut mitten in der Lüneburger Heide rausbrüllen. Das was die Opposition sagt - und sei es noch so intelligent - wird eh nicht berücksichtigt. Im Prinzip Geld und Zeitverschwendung.

  • @SPD Mitglieder: so lange noch einer der Agendaleute auf Bundesebene oder im Vorstand ist oder ein Anschlußverwendungsamt inne hat, geht es vielen wie mir: meine Stimme bekommt ihr nicht. Grob mal alle die man regelmäßig seit 10Jahren im TV so sieht. Alle weg, oder ihr geht unter!

  • Denke auch, daß Opposition besser gewesen wäre.

     

    Das mit dem Marktfetischismus ist richtig; auch erwähnen muß man aber den Arbeitsfetischismus der SPD. Hartz 4 unter anderem war doch ein Ergebnis daraus, daß die SPD oft der Meinung ist, Arbeit um jeden Preis (selbst für einen Euro die Stunde, selbst unter Zwang) sei etwas sehr Erstrebenswertes. Das wirkt oft so, als ob die SPD uns alle zu braven Arbeitern erziehen will. Aber das ist nicht mehr zeitgemäß. Das sind Maßstäbe aus der Wirtschaftswunderzeit. Wir können aber nicht jeden in Arbeit bringen, und vielleicht ist Arbeit auch nicht das Höchste im Leben. Das ist eine Lektion, die man in der SPD noch nicht gelernt hat. (Anderswo auch nicht, aber in der SPD als alter Arbeiterpartei ist diese Verehrung der Arbeit um jeden Preis besonders stark ausgeprägt.)

     

    Man könnte sich also mal daran machen, Hartz 4 zu reformieren, anstatt wie Frau Nahles die Sanktionen zu verschärfen. Letzteres ist typisches SPD-Denken aus dem letzten Jahrhundert: Der Arbeiter muß zu seinem Glück (nämlich der Arbeit) gezwungen werden. Und die Tante SPD ist dafür zuständig.

     

    Weg mit den Sanktionen!

  • Die SPD will sich der Armut annehmen...oje, dann können einem die Armen noch mehr leid tun...