Muslima schließen sich #MeToo an: Belästigung an heiligen Orten
Unter dem Hashtag #MosqueMeToo twittern UserInnen über sexuelle Belästigung auf Pilgerfahrten nach Mekka. Sie brechen damit ein Tabu.
Ihr Dank richtet sich auch an die Initiatorin des Hashtags, die ägyptisch-amerikanische Journalistin Mona Eltahawy. Vergangene Woche rief Eltahawy Frauen dazu auf, über sexuelle Belästigung an religiösen Orten zu sprechen. Vorausgegangen war ein Facebook-Post, mit dem eine Frau aus Pakistan Übergriffe während der Haddsch, der islamischen Pilgerfahrt nach Mekka, öffentlich machte. Während der Tawāf, wenn die Gläubigen die Kaaba siebenmal umkreisen, sei sie von mehreren Männern gegen ihren Willen angefasst und belästigt worden.
Nach Angaben der Deutschen Welle soll die Frau aus Pakistan ihren Facebook-Account mittlerweile gelöscht haben, nachdem sie massiv bedroht und angefeindet worden sei. Doch mit ihrem Post brach sie ein Tabu. Mona Eltahawy reagierte auf die Geschichte mit Solidarität und offenbarte, wie sie ebenfalls als 15-jährige in Mekka belästigt wurde. Seither schließen sich ihr tausende UserInnen auf Twitter an.
Mona Eltahawy schreibt als Journalistin seit Jahren über Sexismus. Zwar begrüße sie es sehr, dass unter #MeToo auch Fehlverhalten berühmter Persönlichkeiten im Globalen Norden aufgedeckt werde, doch sei es ebenso wichtig, dass die Debatte über das hinausginge, was mächtige weiße Männer mächtigen weißen Frauen antun, findet sie. Denn das Problem betreffe auch die islamische Gesellschaft. Eine weitere Nutzerin auf Twitter erinnert sich, wie sie als 21-Jährige belästigt wurde, ebenfalls in Mekka: „Die Tatsache, dass es dort passierte, an diesem heiligen und vermeintlich sicheren Platz, hat mich so sehr gebrochen, dass ich mich nie mehr davon erholte.“
Nächster Hashtag: #IBeatMyAssaulter
Neben den Schilderungen der Frauen hat Eltahawy auch eine Menge Hasskommentare erhalten. Zum Beispiel werfen einige muslimische Männer ihr vor, dem Islam zu schaden. Eltahawy lässt sich das nicht gefallen. Sie entgegnete, dass die Übergriffe durch nichts zu entschuldigen seien – sie müssten benannt werden.
Außerdem melden sich unter dem Hashtag #MosqueMeToo zunehmend islamfeindliche Kommentatoren, die die Religion pauschal als misogyn brandmarken. Auf diese Zweckentfremdung des Hashtags wiederum reagieren UserInnen in den sozialen Netzwerken. So schreibt ein Nutzer, dass er hoffe, dass die Debatte auch andere Religionen durchdringe, weil zu viele Menschen Gott und heilige Orte missbrauchten, um zu verstecken, wie abscheulich sie Frauen behandelten.
Wenige Tage nach ihrem ersten Hashtag führte Eltahawy noch einen weiteren ein. Sie twitterte, dass sie in der Disko von einem Fremden angefasst worden sei und ihn daraufhin geschlagen habe. Unter #IBeatMyAssaulter forderte Eltahawy Frauen dazu auf, sich zu wehren und auch darüber zu erzählen. Eine Frau folgte ihrem Rat und twitterte: „Vor ein paar Monaten hat mich ein betrunkener Ex-Freund in die Ecke getrieben und angefasst. Ich habe mehrmals Nein gesagt, aber er hat nicht aufgehört, mich anzufassen. Also hab ich ihn geschlagen und bin gegangen.“ Das bereue sie nicht und sie würde es immer wieder tun, wenn Männer ein „Nein“ nicht akzeptierten.
Die Frauen, die unter #IBeatMyAssaulter twittern, möchten nicht als Opfer behandelt werden. Andererseits solle das nicht vom eigentlichen Problem ablenken, meint eine Betroffene: „Der Druck ist zu groß, dass wir uns selbst vor etwas schützen sollen, das nicht in unserer Verantwortung liegt.“ Schließlich sei es völlig in Ordnung, sich nicht wehren zu können und das wäre schließlich auch nicht notwendig, wenn es gar nicht erst zu sexuellen Übergriffen käme.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste