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Nach Neonazi-Randale in LeipzigBislang 100 Rechte angeklagt

Fast genau vor zwei Jahren randalierten knapp 200 Neonazis im Leipziger Stadtteil Connewitz. Nun sind 100 Personen angeklagt: weil es so viele sind, jeweils zu zweit.

Massenfestnahme: die Randalierer von Connewitz am 11.01.2016 Foto: dpa

Leipzig epd | Pünktlich zum zweiten Jahrestag der Neonazi-Ausschreitungen im Leipziger Stadtteil Connewitz ist Anklage gegen 100 Beschuldigte erhoben worden. Wegen der hohen Zahl der Verfahren seien bis auf wenige Ausnahmen jeweils zwei Beschuldigte gemeinsam wegen besonders schwerem Landfriedensbruch angeklagt worden, sagte Staatsanwältin Jana Friedrich. Die Ausschreitungen vom 11. Januar 2016 am Rande einer Demonstration des fremdenfeindlichen „Legida“-Bündnisses hatten bundesweit für Aufsehen gesorgt.

Insgesamt wurden laut Friedrich 51 Anklagen erhoben, die auf verschiedene Abteilungen des Leipziger Amtsgerichts verteilt wurden. Für die nächsten Wochen sei damit zu rechnen, dass auch die Ermittlungsverfahren gegen die verbliebenen 105 Beschuldigten abgeschlossen würden, erklärte die Staatsanwältin. Weitere elf Fälle seien an die Generalstaatsanwaltschaft Dresden abgegeben worden.

In dem linksgeprägten Leipziger Stadtteil Connewitz hatten vor zwei Jahren mehr als 200 Randalierer gut 20 Geschäfte demoliert, Feuerwerkskörper gezündet und versucht, Barrikaden zu errichten. Dabei wurden fünf Polizisten verletzt, ein Dachstuhl geriet in Flammen.

Nach Angaben des sächsischen Innenministeriums waren mehrere Dutzend bekannte Rechtsradikale und Hooligans unter den Randalierern. Die meisten davon seien aus Dresden und Leipzig gekommen. Rund ein Fünftel reiste aus anderen Bundesländern an, darunter Thüringen, Berlin, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz. Die Polizei hatte nach den Ausschreitungen 215 Randalierer festgenommen.

Laut Staatsanwältin Friedrich wurden insgesamt 216 Ermittlungsverfahren geführt. Deren Dauer war wiederholt kritisiert worden. Friedrich verwies auf die sehr aufwendige Ermittlungsarbeit. Es sei „Anspruch der Ermittlungsbehörden, für eine möglichst umfassende Aufklärung des Sachverhalts Sorge zu tragen“, sagte sie dem epd. Dafür sei in jedem Einzelfall eine gründliche Prüfung nötig gewesen. Die „bloße Anwesenheit in einem Aufzug, aus dem heraus Straftaten begangen werden“, reiche zur Begründung einer Strafbarkeit nicht aus, betonte die Staatsanwältin.

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20 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Die „bloße Anwesenheit in einem Aufzug, aus dem heraus Straftaten begangen werden“, reiche zur Begründung einer Strafbarkeit nicht aus, betonte die Staatsanwältin."

     

    Das sieht die Hamburger Staatsanwaltschaft allerdings etwas anders.

  • Bischen bescheuert wie hier rechte und linke Straftaten wieder einmal verglichen werden.

     

    Krude auch, dass man von links selbst bei einer Quote von 50% bei Randalierern, die vor Gericht gestellt werden, noch von Milde seitens des Staates quasselt.

     

    Was will man?

    100%?

     

    Rechtspopulistische Hardliner sind schon happy, wenn sie eine Handvoll als Straftäter verdächtige bei G20 identifizieren können

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    "Die „bloße Anwesenheit in einem Aufzug, aus dem heraus Straftaten begangen werden“, reiche zur Begründung einer Strafbarkeit nicht aus, betonte die Staatsanwältin."

     

    Bitte an die Hamburger Kolleg*innen weitersagen!

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @74450 (Profil gelöscht):

      Richtig, "bloße Anwesenheit". Steine schmeißen, vermummen, beleidigen und plündern geht etwas über bloße Anwesenheit hinaus.

  • Es hält sich hartnäckig das Gericht das der Vorsitzende Richter ein gewisser Herr Mayer aus Dresden,geboren in Bremen,wäre.

  • Die Nazis haben sich schon ohne geringste Fluchtversuche und Widerstand von der Polizei festsetzen lassen. Sie wussten, dass die sächsische Polizei sie mit Samthandschuhen anfassen wird. Bei G20 mussten auch Anwohner im Schanzenviertel sowie alle Menschen die sich dort aufhielten mit Pfefferspray, Knochenbrüchen oder U-Haft rechnen. Eine Teilnahme an G20-Demonstrationen war gar nicht nötig, wie wir heute wissen. Man kann der deutschen Polizei und der deutschen Justiz nicht vorwerfen, dass sie auf dem rechten Auge blind ist. Aber die Behörden sind dann doch sehr nachsichtig und milde. Da verliert man schon etwas das Vertrauen in den Staat.

    • 9G
      97796 (Profil gelöscht)
      @Timo Landshammer:

      Das kommt vielleicht daher, dass Polizisten von Rechten selten bis nie attackiert werden. Das mag Ihnen nicht passen, aber das Pendel schlägt eben zurück. Die Frage ist halt, wie?

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @97796 (Profil gelöscht):

        Das kommt vielleicht daher, dass Rechte von Polizisten selten bis nie attackiert werden.

  • Bewährung? Geldstrafe!

     

    Nebenbei: "Die „bloße Anwesenheit in einem Aufzug, aus dem heraus Straftaten begangen werden“, reiche zur Begründung einer Strafbarkeit nicht aus, betonte die Staatsanwältin."

    Diese famose Erkenntnis hätte sie längst nach Hamburg durchstellen können.

     

    Wie war das mit dem Typen, der 7 Wochen in U-Haft saß, weil er "auf dem Weg zu einer der G20-Demos" gewesen sei? Oder Fabio - 4 Monate in U-Haft - auf der ausschließlichen Grundlage der Teilnahme an einer Demo?

     

    Bei Linken reicht die Anwesenheit bzw. muss man noch nicht mal anwesend gewesen sein, um Wochen und Monate hinter Gittern zu verbringen.

     

    Aktuell wie eh und je: "Ich glaube eher an die Unschuld einer Hure als an die Gerechtigkeit der deutschen Justiz."

    • @Unerträgliche Seinsleichtigkeit:

      am Dienstag ist in einem G20 Prozess einer zu dreieinhalb Jahren Verurteilt worden. Es war ein mehrfach Vorbestrafter, der eine abgebrochene Bierflasche auf Polizisten geworfen hat.

      Das Schweigen im Wald, auch von der TAZ, weil es ein erwiesener Schwerverbrecher war, der gleich noch einen Mord gestanden hat. Also auch ein umsonst Verurteilter ?

      Knapp 200 Teilnehmer bei dem Nazi Auflauf und 216 Ermittlungsverfahren, 105 Verfahren, also ca.50% der Anwesenden. Bei einer solchen Quote in HH, wären die Gerichte bis 2040 beschäftigt.

      • @Günter Witte:

        Ist ja wahnsinnig interessant und hat leider nicht den geringsten Bezug zu meinem Beitrag, der auf die Eigenheiten des sächsischen und hamburgischen Justizsystems abhob.

         

        #whataboutwhataboutism

      • @Günter Witte:

        Und was verleitet Sie zu der Annahme, dass der Mensch ein Schwerverbrecher ist? Vorstrafen kann Mensch sich mit auch mit Kleinigkeiten einhandeln... Sogar mit Schwarzfahren...

        • @Neinjetztnicht:

          Richtig, aber in dem Fall handelt es sich um einen, der bereits 17 Mal strafrechtlich Probleme hatte, überwiegend wegen Körperverletzung und Nötigung. Zum Tatzeitpunkt war er gerade auf Bewährung. Bei dem Prozess ging es dann darum, dass er den Boden einer Bierflasche abgeschlagen hat, bevor er die geworfen hat.

          Dass er in einem Brief an den Richter auch eine Tötung gestanden hat, wurde dabei nicht berücksichtigt. Da muss die Polizei erst noch ermitteln, ob das der Wahrheit entspricht.

          Reicht das für einen "Schwerverbrecher" aus?

        • @Neinjetztnicht:

          Körperverletzung zähle ich zu schweren Verbrechen.

          • @Günter Witte:

            Ohje... hat sich von Ihnen keiner in seiner Jugend mal geprügelt? Und besonders wenn sich mensch auf Demos tummelt ist es ebenfalls ziemlich easy eine Strafe wegen Körperverletzung zu bekommen, ohne wirklich was gemacht zu haben. Klar, ich kenne nicht die genauen "Taten", ich will nur verdeutlichen, dass ein "amtliches" Vorstrafenregister auch mit Körperverletzung nicht zwangsweise zu einem "Schwerverbrecher" gehören muss.

             

            Und ja, das mit der Tötung wäre tatsächlich ein schweres Verbechen, aber noch ist seine Schuld dort ja anscheinend nicht erwiesen, also dürfte das auch noch nicht in die aktuelle Entscheidung mit eingeflossen sein. (denke ich zumindest, ich bin aber definitiv ein Laie auf dem Gebiet)

  • Na, da kommt doch eh kaum was. G20 Gegner*innen werden zu teils absurd hohen Haftstrafe verurteilt, die Faschos kommen mit einer Bewährung davon... für wesentlich krassere Taten. Wetten?

    • @Neinjetztnicht:

      "Der Staat" hat in diesem Fall fast jeden einzelnen Beteiligten festgenommen, gegen jeden davon Ermittlungen eingeleitet und dabei so genau gearbeitet, daß gegen fast jeden Anklage erhoben wird - und das im bekanntermaßen strukturell kryptofaschistischen Sachsen!

       

      Dennoch "auf dem rechten Auge blind", wa?

      • @Wurstprofessor:

        Im G20 Kontext laufen auch über 100 Ermittlungsverfahren gegen Bullen... Zugegeben: da wird noch weniger als bei den Faschos passieren, aber eine "Festnahme" ist noch keine Verurteilung. Warten wir's ab...

  • Aso, linke Demo G20 = Anwesenheit reicht aus - rechte Demo = Anwesenheit reicht nicht aus. RECHTSstaat Deutschland.

     

    Ich bin der Meinung völlig egal ob rechts oder links, die bloße Anwesenheit auf einer Demo darf niemals irgendeine Strafbarkeit begründen.

     

    Aber dieses Vorgehen sollte auch dem letzten klar machen, dass hier mit unterschiedlichen Maß gearbeitet wird.

    • @Frank Fischer:

      Das war aber keine Demo sondern ein geplanter nächtlicher Überfall.

      Das macht die Sache nochmal schlimmer

       

      Aber wie üblich werden auch schwere Brandstiftung und andere Dinge die an diesem Abend begangen wurden folgenlos bleiben