Drittmittelprojekte an Universitäten: Wirtschaft ist weniger spendabel

Erstmals seit 20 Jahren gibt die deutsche Wirtschaft weniger Geld für Drittmittelprojekte an Hochschulen aus. Was bedeutet das für die Unis?

Ein Roboter belegt Pizza

Forschung, die begeistert Foto: dpa

Die Studie des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft spricht eine klare Sprache: Die deutsche Wirtschaft gibt mehr Geld für Forschung aus – bei den Hochschulen hingegen kommt weniger Geld an. Demnach haben deutsche Unternehmen von 2014 auf 2015 ihre Forschungs- und Entwicklungsausgaben um 4 Milliarden Euro aufgestockt – ein Plus von fast 7 Prozent.

Hochschulen haben davon allerdings nicht profitiert: Die Drittmittel aus der Wirtschaft sanken im selben Zeitraum um 1,8 Prozent auf 1,41 Milliarden Euro. Damit sind die Hochschulgelder von Unternehmen erstmals seit 20 Jahren nicht gestiegen. Das bisherige Wachstum lag im Schnitt bei 5,2 Prozent im Jahr.

Einer der Gründe für den Rückzug der Wirtschaft aus der Hochschulfinanzierung ist laut Stifterverband die steigende Attraktivität ausländischer Kooperationspartner.

Im Ausland günstiger?

Mathias Win­­de, der beim Stifterverband für Hochschulpolitik und -organisation zuständig ist, sagt dazu der taz: „Das hat auch mit den hohen Kosten an deutschen Hochschulen zu tun. Wenn ein Unternehmen eine Universität mit einer Forschung beauftragt, werden ihm sämtliche Kosten, bis hin zu Verwaltungsposten, in Rechnung gestellt. Das heißt, das Forschungsprojekt kostet Hochschulen und Staat keinen Cent.“Das war früher zwar auch schon so. Aber in den vergangenen Jahren, so Winde, sind Hochschulen immer stärker auf Drittmittel angewiesen gewesen. Da sei ein Forschungsprojekt, das sämtliche Kosten übernimmt, natürlich attraktiver für die Hochschulen als eines, wo nur ein Teil der Kosten reinkommt.

Die Hochschulen sind über die Entwicklung nicht besorgt: „Wenn – wie bislang – ein Viertel bis ein Fünftel der eingeworbenen zusätzlichen Drittmittel aus der Wirtschaft stammen, sind Schwankungen unter Umständen im Einzelfall erschwerend, aber sie sind keinesfalls existenzbedrohend für unser Hochschulsystem“, sagt Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, der taz und nimmt Bund und Länder in die Pflicht: „Die Funktionsfähigkeit der Hochschulen hängt aber in allererster Linie von einer auskömmlichen Grundfinanzierung durch Bund und Länder ab. Hier besteht Handlungsbedarf, darauf hat die HRK schon vielfach hingewiesen.“

Der Anteil der Grundfinanzierung sinkt seit Jahren. Im Jahr 2015 betrug er 70,3 Prozent von den Hochschulbudgets. Das heißt im Umkehrschluss: Fast jeden dritten Euro müssen die Hochschulen heute selbst einwerben. Deshalb bezeichnet die hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Nicole Gohlke, den Rückgang der Wirtschaftsfinanzierung als „schmerzlich“ für die Hochschulen: „Dieser plötzliche Rückgang auf das niedrigste Niveau seit der Wiedervereinigung belegt eindrücklich, welchem Risiko die Hochschulen ausgesetzt werden, indem die öffentliche Hand sich aus ihrer Finanzierung zurückzieht und sie auf das Einwerben von Geldern aus der Wirtschaft verweist.“ Auch sie fordert eine solide öffentliche Hochschulfinanzierung.

Transparenzgesetze: nötig oder abschreckend?

Ob die Wirtschaft künftig als spendabler Geldgeber ausscheiden könnte, darüber gehen die Meinungen auseinander: Der Stifterverband warnt vor zusätzlichen Hürden wie neuen Transparenzgesetzen. Tatsächlich haben in den vergangenen Jahren Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz Regelungen getroffen, die die Hochschulen zur teilweisen Offenlegung von Drittmittelkooperationen verpflichten. Auch Berlin und NRW haben Transparenzgesetze angekündigt.

Die Gesetze unterscheiden sich jedoch stark: In Hamburg müssen die Hochschulen wie sämtliche Behörden Dokumente auf ein öffentlich zugängliches Transparenzregister einstellen. In Bremen müssen Drittelmittelprojekte erst ab einer Höhe von 50.000 Euro veröffentlicht werden – dafür mit der Nennung des Projektpartners. In allen anderen Bundesländern gibt es Klauseln zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

Andreas Keller, GEW

„Niemand kann erwarten, dass eine öffentlich-finanzierte Hochschule zum verlängerten Labor des Unternehmens wird. Es muss für den Steuerzahler klar sein, wer woran forscht“

In Rheinland-Pfalz darf die Hochschule ihren Projektpartner anonymisieren, wenn „vom Namen des Drittmittelgebers auf den Forschungsgegenstand geschlossen werden“ kann. Und auch in Niedersachsen, wo die Offenlegung der Kooperation sowieso freiwillig ist, dürfen die Unis die Namen der Projektpartner verschlüsseln, sofern Vertraulichkeit vereinbart wurde.

„Transparenzgesetze wie in Rheinland-Pfalz oder Niedersachsen sind für die Unternehmen okay“, sagt Mathias Winde vom Stifterverband. „Aber das Gesetz in Bremen geht zu weit. Von Unternehmen aber auch von der Universität Bremen wissen wir, dass die Wirtschaft deshalb weniger stark mit der Hochschule kooperiert.“ Eine Befürchtung, die Universitätsrektor Bernd Scholz-Reiter schon öffentlich äußerte, als die Bremische Bürgerschaft noch über das Gesetz beriet.

Was sich die Wirtschaft wünscht: Anreize!

Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht darin eine Kampagne gegen notwendige Regeln: „Niemand kann erwarten, dass eine öffentlich-finanzierte Hochschule zum verlängerten Labor des Unternehmens wird. Es muss für den Steuerzahler klar sein, wer woran forscht.“ Das sei die Grundbedingung für Kooperationen zwischen Hochschulen und Wirtschaft.

Wirtschaftsverbände wie BDA oder BDI wünschen sich schon seit einiger Zeit, dass Bund und Länder Anreize für Wirtschaftsinvestitionen schaffen. Der Stifterverband schlägt vor, Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Unternehmen steuerlich zu fördern. Bei Nicole Gohlke (Linkspartei) stößt dieser Vorschlag auf Kritik: „Das würde nur darauf hinauslaufen, dass die öffentliche Hand Unternehmen Geld schenkt, statt dieses direkt und selbst in die Hochschulfinanzierung zu stecken. So weit gingen selbst die Träume der neoliberalsten Hochschulreformer nie.“

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