Vorwürfe gegen Bremer Uni-Rektor: Ein Rektor in der Defensive

Der Akademische Senat der Universität Bremen beschäftigte sich mit der unseriösen Publikationspraxis des Rektors Bernd Scholz-Reiter.

Bernd Scholz-Reiter, Rektor der Universität Bremen

Unter Beschuss: Uni-Rektor Bernd Scholz-Reiter Foto: dpa

BREMEN taz | „Qualitätssicherung im Publikationsprozess“: Neben anderen stand auch das Thema am vergangenen Mittwoch auf der Tagesordnung des Akademischen Senats – Anlass waren die Publikationen von Uni-Rektor Bernd Scholz-Reiter bei sogenannten „Raubverlagen“. Neben kritischen Fragen von Gremiums-Mitgliedern musste er sich auch Vorwürfen von Seiten des AStA stellen.

Über Wochen nämlich, berichtete AStA-Vertreter Marlin Meier, hätten Mitarbeiter der Haustechnik ein satirisches Flugblatt über Scholz-Reiter unter der Überschrift „Peinlich-Peinlich-Peinlich“ immer wieder von der Wand im Flurbereich der AStA-Räume genommen. Zeitweise seien sie viermal am Tag zur Kontrolle gekommen. Das Rektorat habe die Anweisung dazu gegeben, hätten die Techniker als Begründung für ihr Tun genannt. Sie seien außerdem angewiesen worden, über ihre Aktivitäten Buch zu führen und die Arbeit dem AStA in Rechnung zu stellen.

Das geschah allerdings nicht, denn der AStA erkundigte sich im Rektorat nach der Rechtsgrundlage und erhielt am 28. August eine Mail der Assistentin von Scholz-Reiter: Sie werde den Fall der Rechtsstelle vorlegen. Als nach vier Wochen immer noch keine Rechtfertigung für das Abhängen der Flugzettel gekommen war, hakte der AStA-Vorsitzende nach und erhielt zur Antwort, es sei ein „Versehen“ der Haustechnik gewesen, dass diese Flugzettel abgehängt worden seien.

Der Rektor erklärte dem Akademischen Senat, er persönlich habe mit dem Vorgang nichts zu tun gehabt. Aber wer dann? Der zuständige Dezernent der Abteilung 4 wollte sich zu dem Vorgang nicht äußern und verwies an die Pressestelle, die wiederum auf Nachfrage lediglich sagte, das sei „misslich gelaufen“. Am Mittwoch konnte der Vorgang nicht aufgeklärt werden, weil die Leiterin der Rechtsstelle darauf hinwies, dass das Thema nicht auf der Tagesordnung stehe.

Er bekomme auch oft Mails mit unseriösen Angeboten, berichtete ein Gremiumsmitglied. Die seien aber leicht erkennbar

Zuvor sprachen die rund 25 Anwesenden eine Stunde lang über „Qualitätssicherung im Publikationsprozess.“ Die Diskussion in diesem höchsten universitären Gremium war verhalten – der Rektor selbst sitzt ihm vor und musste für diesen Tagesordnungspunkt die Sitzungsleitung an seinen Konrektor abgeben.

Die Uni-Vertreter stellten vor allem kritische Fragen: Haben auch andere Professoren in größerem Umgang in unseriösen Verlagen veröffentlicht? Welche Fachbereiche sind betroffen? Passierten die Publikationen „fahrlässig“ oder waren die betroffenen Wissenschaftler schlicht „Opfer“ unseriöser Geschäftspraktiken, wie der Rektor es darstellte? Wenn wissenschaftliche Mitarbeiter dort publizierten – war das nicht ein „Betreuungsfehler“? Wer hatte einen Nutzen von den Publikationen, außer den Verlagen, die damit Geld machen?

Schließlich wurden auch die Publikationen des Rektors kritisch angesprochen. Unter seinem Namen waren, oft mit mehreren Ko-Autoren, in rund zehn Jahren über 600 Texte publiziert worden. Wie kann man auf über 60 Publikationen im Jahr kommen, wenn man verantwortungsvoll mit der Arbeit seiner Mitarbeiter umgeht? Gab es so oft neue wissenschaftliche Ergebnisse? „Da fehlt mir die Fantasie“, meinte dazu ein Hochschullehrer.

Andere Mitglieder des Akademischen Senats fragten, ob da nicht Abhängigkeiten von wissenschaftlichen Mitarbeiten ausgenutzt wurden. Das komme durchaus vor, berichtete ein Assistentenvertreter, aber sei schwer nachweisbar, weil die Betroffenen nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit berichteten, wie sie genötigt worden seien, auf den Titel ihrer Arbeit auch ihren „Chef“ als Ko-Autor aufzunehmen.

Vorwurf der „Raubautorenschaft“

Der Rektor wehrte sich insbesondere gegen den Vorwurf der „Raubautorenschaft“, den der emeritierte Physiker Wolfgang Dreybrodt im taz-Interview erhoben hatte. Das betroffene Institut „BIBA“ sei zu mehr als 90 Prozent von Forschungsaufträgen abhängig, erklärte er, und das bedeute auch: von Publikationen. Oft würden Mitarbeiter erst befristet eingestellt, wenn die Anträge für das Forschungsprojekt schon genehmigt seien – das „Design“ der Forschung werde dann eben von dem Projektleiter verantwortet, der dann auch auf der Veröffentlichung stehe. Es gehe um einen Drittmitteletat von fünf Millionen Euro im Jahr – so erkläre sich die Vielzahl von „Ko-Autorenschaften“ eines Projektleiters.

Warum er seit dem Jahre 2014 stillschweigend auf die Publikation bei unseriösen Verlagen verzichtet, ohne in seiner Rolle als Rektor die Universität zu warnen, erklärte Scholz-Reiter auch dem Akademischen Senat nicht.

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