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Referendum in KatalonienRegierung bereitet Abspaltung vor

Die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter legen ein Übergangsgesetz vor. Das soll Rechtssicherheit geben und für das Referendum mobilisieren.

Für die Abspaltung: Demonstrant im Juni in Barcelona Foto: dpa

Madrid taz | Die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter haben am Montag ein Gesetz zum juristischen Übergang der Region vom Teil Spaniens zum unabhängigen Staat vorgestellt. Das Gesetz soll noch vor dem 1. Oktober vom katalanischen Autonomieparlament verabschiedet werden. Das erklärten die Vertreter der beiden im Regierungsbündnis „Gemeinsam für das Ja“ (JxSí) vertretenen Parteien, der konservativen Demokratisch Europäischen Partei Kataloniens (PdeCat) und der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) sowie der antikapitalistischen Kandidatur der Volkseinheit (CUP).

Am 1. Oktober soll eine Volksabstimmung über die Zukunft der spanischen Nord-Ost-Region stattfinden. Sollte das „Ja“ zur Unabhängigkeit gewinnen, will die Regierung in Barcelona binnen 48 Stunden die Republik Katalonien ausrufen. Madrid erklärte das Referendum bereits für verfassungswidrig und will es verhindern.

Das Übergangsgesetz ist, so der Vizepräsident des katalanischen Parlaments und Sprecher von JxSí, Lluís Corominas, im Falle eines Sieges der Unabhängigkeit beim geplanten Referendum das „höchste Gesetz“ bis zur Ausarbeitung und Verabschiedung einer Verfassung der Katalanischen Republik. Nach dem 1. Oktober sollen unmittelbar Neuwahlen angesetzt werden. Daraus gehe dann eine Verfassungsgebende Versammlung hervor. Sollte das „Nein“ zur Unabhängigkeit gewinnen tritt das Gesetz nicht in kraft.

Statt einer Verfassungsgebenden Versammlung würde dann ein neues Autonomieparlament gewählt. Das Übergangsgesetz sieht die sofortige Gründung neuer Institutionen vor. Darunter Gerichte, die die Kompetenzen wahrnehmen, die bisher beim Obersten Gerichtshof und dem Verfassungsgericht Spaniens lagen. Auch wird im Gesetz festgelegt, wer mit Spanien über was verhandelt.

6.000 Wahlurnen sind angeschafft

Das Gesetz ermögliche die doppelte Staatsbürgerschaft. Katalanen könnten damit, falls Madrid dies akzeptiert, auch Spanier bleiben. Die bisherigen Sozialleistungen, wie etwa die Renten, sollen nicht angetastet werden.

„Wir wollen, dass diejenigen die mit Ja stimmen, einen klaren juristischen Rahmen haben. Wir wollen niemandem das Ja aufzwingen. Wir werden uns an den Urnen legitimieren“, erklärte Corominas. Die Befürworter der Unabhängigkeit versprechen sich von dem Gesetz eine Rechtssicherheit und damit eine Mobilisierung der Wähler.

Madrid will das Gesetz, sofern verabschiedet, für ungültig erklären lassen

Noch ist die Abstimmung selbst nicht komplett vorbereitet. Zwar hat die katalanische Regierung nach eigenen Angaben inzwischen die benötigen 6.000 Wahlurnen erstanden. Doch das Gesetz über die Durchführung des Referendums muss noch vom Autonomieparlament in Barcelona verabschiedet werden. Madrid hat bereits angekündigt, dies vom spanischen Verfassungsgericht für ungültig erklären zu lassen.

Zentralregierung bringt Polizei ins Spiel

Spaniens Innenminister Juan Ignacio Zoido beteuerte einmal mehr, es werde „keine Volksabstimmung am 1. Oktober geben“. Die konservative Regierung von Mariano Rajoy in Madrid sei auf alles vorbereitet. Sie werde zu den nötigen Maßnahmen greifen. „Wenn sie darauf bestehen, dass es stattfindet, ist es unsere Pflicht, dies zu verhindern,“ sagte er einem Radiosender. Er hoffe, dass die katalanische Polizei Mossos d’Esquadra den Rechtsstaat verteidigen werde.

Ob die Regierung in Madrid die Amtsenthebung der katalanischen Regierung oder gar die Entsendung von Polizei ins Auge fast, wie es die Verfassung erlauben würde, sagt sie bisher nicht. Konservative Politiker bringen dies immer wieder ins Spiel, so etwa gestern der Chef von Rajoys Partei in Katalonien, Xavier García Albiol.

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25 Kommentare

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  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Es sollte jeder Größeren Gruppe Menschen zugestanden werden einen eigenen STaat zu gründen, insofern sie das friedlich tun und die Trennung und Verteilung von Gütern in gutem Einvernehmen passiert.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Gute Idee - ich gründe jetzt auch meinen eigenen Staat. „L’État, c’est moi“ war schon immer meine Devise. Was stört mich die Solidargemeinschaft? Scheiß drauf.

      • 7G
        74450 (Profil gelöscht)
        @Tom Tailor:

        In ihrem "Ein-Mann-Staat" sind sie allein die Solidargemeinschaft. Wenn Sie allerdings im "Ausland" arbeiten und einkaufen, werden Zölle und Tarife anfallen. Überlegen Sie, ob eine Wiedervereinigung nicht sinnvoll wäre.

        • @74450 (Profil gelöscht):

          Mal sehen ob die Katalanen ebenfalls diesen Gedankengängen folgen.

  • "Er hoffe, dass die katalanische Polizei Mossos d’Esquadra den Rechtsstaat verteidigen werde."

     

    Wem wird die gehorchen?

  • Was soll das bringen? Was glauben die denn, welcher Staat die "Republik Katalonien" anerkennt?

    • @Christian:

      Vor dem Hintergrund der recht eindeutigen Entscheidung des IGH in Sachen Kosovo haben die anderen Länder möglicherweise gar keine andere Wahl, als die Unabhängigkeit anzuerkennen. Aus diesem Grund muss Spanien alles tun, um die Abstimmung zu verhindern.

       

      Daher würde ich als katalanischer Regierungschef die Unabhängigkeit bereits am katalonischen Nationalfeiertag (11. September) ausrufen.

      • @DiMa:

        Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege, aber der IGH hat nur entschieden, dass die Unabhaengigkeitserklaerung Kosovos nicht voelkerrechtswidrig war. Das verpflichtet noch niemanden dazu, das Land auch anzuerkennen.

        Ich kann in meinem Wohnzimmer auch ein Referendum abhalten und dann die Unabhaengige Republik Balkonien ausrufen und damit nicht einmal gegen das Voelkerrecht verstossen, aber davon wird mein Balkon noch nicht zu einem eigenen Staat.

        • @Christian:

          Das ist grundsätzlich richtig. Bei der Anerkennung handelt es sich um eine politische Entscheidung, für die kein internationales Gericht zuständig ist. Ungeachtet dessen ist die Entscheidung des IGH beachtlich.

           

          Völkerrechtlich anzuerkennen ist ein Staat, wenn es ein Staatsgebiet, ein Staatsvolk und eine Staatsgewalt gibt. Wer sollte daran im einer Unabhängigkeitserklärung Kataloniens Zweifel haben?

          • @DiMa:

            Naja, "anzuerkennen" waeren demnach so einige Staaten, die nicht allgemein anerkannt sind. Das ist nunmal eine schwierige Angelegenheit. Wirklich sauber geht so etwas nur, wenn die Zentralregierung ein Referendum zur Unabhaengigkeit mit unterstuetzt.

             

            Im Uebrigen finde ich es ein Unding, dass derlei Referenden mit einer einfachen Mehrheit abgehalten werden. Wenn irgendwo eine qualifizierte Mehrheit angebracht waere, dann beim Veraendern von Landesgrenzen.

  • Das Ganze hat eine gewisse Nähe zum Hochverrat. Kommt es zu Gewalthandlungen stünden zumindest in Deutschland lebenslängliche Strafen im Raum. Auch die entsprechenden Parteien könnten verboten werden. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Gesetzgebung in Spanien insoweit geringere Strafmaße vorsieht, da es um die Integrität des Landes geht.

     

    Als Katalane würde ich Barcelona in den fraglichen Tagen verlassen. Verwunderlich, dass unser Außenminister noch keine Reisewarnung für den Zeitraum ausgegeben hat.

    • @DiMa:

      Als Katalane würde ich am 1. Oktober für die Wiederherstellung der staatlichen Souveränität meines Landes stimmen. Reisewarnung? Rechnest du damit, dass das Rajoy-Regime Barcelona so behandelt wie das Erdogan-Regime Diyarbakir?

      • @Kunz:

        Rajoy hat bereits angekündigt, Spaniens verfassungmäßig vorgeschriebenen staatlichen Zusammenhalt mit allen Mitteln durchzusetzen. Da sind der Phantasie überhaupt keine Grenzen gesetzt. Wenn es zu Ausschreitungen kommen sollte, könnte er möglicherweise den Natobündinsfall ausrufen.

         

        Schreibt sich Katalexit eigentlich mit K oder mit C? Die EU hat bereits im Jahr 2013 mitgeteilt, dass Katalonien automatisch raus wäre. Spanien wird sicherlich keinem Beitritt zustimmen.

      • 8G
        82741 (Profil gelöscht)
        @Kunz:

        Sind Sie Katalane? Oder doch ein Konjunktiv-Katalane? War Katalonien in den letzen 500 Jahre mal souverän?

        • @82741 (Profil gelöscht):

          Ja, sogar noch einige Jahre länger als Schottland. Dessen Beispiel könnte Madrid beruhigen: Die Unabhängigkeitsbefürworter verloren - was aber wohl auch daran lag, dass London entspannt mit dem Referendum umging.

        • @82741 (Profil gelöscht):

          Geschickt abgegrenzt. Man könnte Aragon als Vorgänger betrachten...

  • Höchste Zeit, dass hier von außen ein Mediator zu Hilfe kommt - Europa, wo bist du? Die OSZE vielleicht?

    Alarmierte Grüße von Peter Kultzen aus Berlin

    • @Peter Kultzen:

      Ein Mediator, wofür? Soll er einen Akt der demokratischen Meinungsäußerung, für oder gegen die Unabhängigkeit Kataloniens, wegverhandeln? Wenn Rajoy den Milosevic, den Erdogan oder den Putin geben will, wird er sehen, was er davon hat.

    • @Peter Kultzen:

      Warum sollte sich Europa(?) in die inneren Angelegenheiten Spaniens einmischen?

      • @DiMa:

        Weil Spanien Teil der EU ist? Damit sind es keine reinen "inneren Angelegenheiten" mehr.

        • @Tom Tailor:

          Die EU ist eine Art überregionaler Verein mit einzelnen Staaten als Mitgliedern. Die Angelegenheiten der Mitgliedsstaaten bleiben eigene Angelegenheiten, solange diese nicht ganz oder teilweise auf die EU übertragen worden sind. Dies ist schon bei normalen nationalen Wahlen gerade nicht der Fall.

           

          Sollte sich die EU, die OSZE oder wer auch immer einmischen, würde dem Referendum der Anschein einer offiziellen Wahl gegeben werden, was nach der nationalen Verfassung des betreffenden Mitgliedsstaates der EU ja gerade nicht der Fall ist. Die EU wird also bis zuletzt ihre Finger raus halten und allenfalls in inoffiziellen Statements auf die Besonnenheit der Parteien drängen.

           

          Nicht auszudenken, was wohl passiert, wenn ein Teil der russischen Schwarzmeerflotte am 30. September vor der Küste Spaniens ankert.

          • @DiMa:

            Ich teile Ihre Ansicht was die voraussichtliche Außenpolitik der EU angeht, bin aber nicht der Meinung das es die EU nicht betrifft, denn es handelt sich mitnichten um eine reine "interne Angelegenheit" Spaniens. Denn, je nach Ausgang der Wahl, entstehen neue Außengrenzen, ändern sich diplomatische Beziehungen, treten neue Abkommen in Kraft. Alles Ereignisse, die üblicherweise bei "normalen" Nationalwahlen nicht auftreten.

            • @Tom Tailor:

              Wenn es zur Unabhängigkeitserklärung Kataloniens kommt, wird die EU reagieren müssen. Erkennt sie Katalonien an, verliert sie höchstwahrscheinlich schlagartig ca. 7 Mio. Einwohner (eine doppelte Staatsbürgerschaft wird Spanien kaum akzeptieren; Katalonien hätte die UK mit seinen Austrittsbemühungen überholt; eine "Harte Landung" wäre nicht unwahrscheinlich). Nur vor der Wahl wird sich die EU wohl mit Rücksicht auf Spanien nicht äußern. Sie kann daher auch nicht als unabhängiger Mediator auftreten.