Fed erhöht Leitzins: Trotz der Lohnstagnation
Die US-Notenbank Fed hebt ihren Leitzins weiter an und will so die Geldpolitik straffen. Warum das aktuell ein riskantes Spiel ist.
Damit erhöht die Notenbank ihren Leitzins bereits zum vierten Mal seit der Zinswende in den USA vor eineinhalb Jahren. Geld leihen wird teurer; die Zeit der Konjunkturspritzen nach der Finanzkrise soll ein Ende nehmen. Die Notenbank begründet die straffere Geldpolitik mit den guten Konjunkturaussichten für die US-Wirtschaft.
So fiel die US-Arbeitslosenquote innerhalb des vergangenen Jahres auf 4,3 Prozent – so tief wie seit 16 Jahren nicht mehr. „Allein der fast leer geräumte Arbeitsmarkt rechtfertigt diesen Schritt“, sagt der Chefvolkswirt der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau, Jörg Zeuner. Der Fed zufolge wirke sich dies bereits jetzt positiv auf die Löhne und Gehälter, sowie das Bruttoinlandsprodukt aus.
Ohne Investitionen läuft der Kapitalismus nicht
Die Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache: Das US-Wirtschaftswachstum war im ersten Quartal mit 1,2 Prozent bescheiden, Löhne und Gehälter legten binnen Jahresfrist um lediglich 2,5 Prozent zu; abzüglich der Teuerungsrate haben sie fast stagniert. „Die Fed glaubt immer noch an ein nicht der Realität entsprechendes Inflationsmodell“, sagt Wirtschaftsforscher Heiner Flassbeck.
Diesem zufolge sollten bei sinkender Arbeitslosigkeit die Löhne und mit ihnen die Preise steigen. Das ist in den USA aber nicht der Fall. Laut Flassbeck funktioniert das auf Wachstum ausgelegte Wirtschaftssystem nur so lange, wie Ersparnisse in Investitionen umgewandelt werden. „Wenn sogar bei jahrelanger Nullzinspolitik sehr wenig investiert wird, hat der Kapitalismus sich selbst besiegt.“
Laut dem Ökonomen ist die Gefahr weiterer Krisen bei Leitzinserhöhungen groß. Geben die Banken die Zinslast an Privatleute, etwa in Form von steigenden Hypothekenzinsen, drohen neue Krisen wie 2008.
Im Hinblick auf Europa hofft Flassbeck, dass der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, seinen „gesunden Wirtschaftsverstand“ behält und die Nullzinspolitik weiterführt. „In Europa sind die Lohnsteigerungen noch niedriger und die Arbeitslosigkeit ist um einiges höher“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird