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Koalitionskrise in ÖsterreichDie sieben Gebote des Sebastian Kurz

Der Außenminister will nur dann den Vorsitz der ÖVP übernehmen, wenn er dafür mit umfassenden Vollmachten ausgestattet wird.

Leicht größenwahnsinnig: Österreichs Außenminister Sebastian Kurz Foto: ap

Wien taz | Sebastian Kurz fordert totale Unterwerfung. Der Vorstand der konservativen ÖVP tritt am Sonntag zusammen, um über seine eigene Entmachtung zu beraten. Österreichs Außenminister Kurz, der nach allgemeinem Dafürhalten der einzig geeignete Kandidat ist, die abgenützte Partei vor dem Untergang zu retten, macht es den Parteigranden nicht einfach. Er will die Aufgabe nur übernehmen, wenn ihm nahezu diktatorische Vollmachten überschrieben werden.

Die sieben Gebote umfassen die alleinige Entscheidungshoheit bei der Ernennung von Kandidaten für die Bundesliste des Nationalrats sowie Generalsekretär und Regierungsteam der Partei. Für die Listen der Länder beansprucht er ein Vetorecht.

Der männerdominierten Partei dürfte auch das Reißverschlusssystem zur Sicherstellung der Geschlechterparität nicht behagen. Bei allfälligen Regierungsverhandlungen will Kurz allein den Kurs vorgeben. Zu den voraussichtlich nach dem Sommer anstehenden vorgezogenen Nationalratswahlen will der 30-jährige Senkrechtstarter mit einer eigenen Liste antreten, die von der ÖVP unterstützt werden soll. Zu sehr fürchtet er, vom vorgestrigen Stallgeruch der Christlichsozialen beschädigt zu werden.

Um ihre Demütigung komplett zu machen, müssen die altgedienten Funktionäre diese Neuerungen auch noch ins Parteistatut schreiben. All das ist nicht Verhandlungsmasse, über die man reden und von der man das Eine oder Andere entschärfen oder entsorgen kann. Für Kurz ist das Gesamtpaket conditio sine qua non.

Segen der Landeshauptleute

Die ÖVP ist eine Partei, die traditionell von starken Länderorganisationen dominiert wird. Ohne den Segen der Landeshauptleute geht gar nichts. Sie besteht aus sechs Bünden, unter denen der Wirtschaftsbund, der Bauernbund und der Arbeiter- und Angestelltenbund die stärksten sind. Ihnen und nicht der Partei gehören auch die Mitglieder an. Bei der Regierungsbildung hat jeder Parteichef darauf zu achten, dass jeder der Bünde sich im Kabinett ausreichend vertreten sieht und dass die Länderinteressen gewahrt bleiben.

An dieser Hypothek sind schon einige gescheitert. Kein Wunder, dass Kurz den Laden nur übernehmen will, wenn diese Strukturen aufgebrochen werden. Er kommt aus der Jungen ÖVP, einem der bisher am wenigsten gewichtigen Bünde, und von der Wiener Landespartei, die zu den bedrohten Arten gehört. Im urbanen Raum tut sich die traditionell-katholische Partei schwer.

Sebastian Kurz hat es als Außenminister verstanden, sich zu profilieren, ohne sich in den Niederungen des Politalltags abmühen zu müssen. Keiner hat sich beim Ministerrat so oft entschuldigen lassen. Und es sind nicht nur dringende außenpolitische Termine, die ihn in Anspruch nahmen. Zuletzt tourte er durch die Bundesländer, um sich für höhere Weihen zu empfehlen, nicht ohne stets zu betonen, dass er den Parteivorsitz nicht anstrebe.

Noch vor einer Woche hatte er versichert, „im derzeitigen Zustand“ der Partei sei das kein erstrebenswertes Ziel. Dennoch gilt in der ÖVP seit Monaten als ausgemachte Sache, dass nur Kurz einen Totalabsturz bei den nächsten Wahlen verhindern kann. Das war auch das wichtigste Motiv für Reinhold Mitterlehner, vergangenen Mittwoch entnervt hinzuschmeißen. Er wolle nicht länger „den Platzhalter“ spielen.

Kritiker von Erdogan

Sebastian Kurz, der als „das größte politische Talent“ der ÖVP seit Jahrzehnten gepriesen wird, freut sich über Umfragewerte, die in keiner Relation zu messbaren Leistungen stehen. So sieht es jedenfalls die Philosophin und Kolumnistin Isolde Charim in der Wiener Zeitung vom Samstag: „Was Kurz aber wirklich kann, ist den Eindruck zu erwecken, er könne etwas“.

Sebastian Kurz, einer der schärfsten Kritiker des türkischen Autokraten Recep Tayyip Erdogan, fordert jetzt für sich ähnliche Vollmachten, wie sie sich der türkische Präsident per Plebiszit in die Verfassung schreiben ließ. Man darf gespannt sein, ob die Partei so desolat ist, dass sie da mitgeht.

Jüngste Umfragen stehen in Einklang mit einer Studie, wonach sich über 40 Prozent der Österreicher einen starken Mann wünschen: Die Kurz-ÖVP hat sich mit 35 Prozent Zustimmung an die Spitze katapultiert. Die SPÖ wäre mit 21 Prozent nur dritte Kraft.

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1 Kommentar

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  • Die Bedingungen, die Kurz verlangt, sind im ersten Blick sicher als ziemlich autokratisch anzusehen. Bedenkt man allerdings, dass die sich auf die ÖVP beziehen, die kurz vorm Sterben steht, sind seine sieben Forderungen sicher besser für die Partei, als so weiter zu machen, wie bisher.

    Auch haben seine Forderungen ja keinen Einfluss auf die österreichische Politik an sich, sondern beschränken sich im Gegensatz zu Erdogans Umgestaltung der Verfassung, auf die Modalitäten seiner Partei. Kurz mit Erdogan zu vergleichen ist ziemlich Populistisch.

     

    Auch Deutschland würde es gut zu Gesicht stehen, wenn man alte Parteigepflogenheiten aufbrechen würde, und vor allem einmal für neue Gesichter mit neuen Perspektiven sorgen würde.

    Die "Weiter so" Perspektive von CDU/CSU und SPD stehen einem angeblich so zukunftsorientiertem Land wie Deutschland überhaupt nicht besonders positiv zu Gesicht.

    Es wird Zeit, dass die deutsche Politik sich erneuert und mit jungen, innovativen Menschen neu aufstellt. Leider werden bei uns immer noch die alten Ansichten zu der Verteilung der Vermögen, so wie die bestehenden Kluften der Ober, bzw. Unterschicht propagiert, damit die Wirtschaft unbehelligt mit dem Lohndumping fortfahren kann. Es werden die alten Ansichten immer wieder hervorgeholt, dass der Jugend die Weisheit fehlt unser Land anständig zu regieren!

     

    Mit dieser überholten Rhetorik schaffen es die "Alten" leider immer noch ihre Machtpositionen zu halten.

    Nach dem Motto, "Nach mir die Sintflut"!!!