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Nach dem Türkei-ReferendumErdoğan unbeeindruckt von Kritik

Innenminister de Maizière will Vorwürfe zum Wahlablauf klären. US-Präsident Trump gratuliert zum Wahlausgang. Der Ausnahmezustand wird verlängert.

Einer mäht die Demokratie nieder, der andere ist der Elefant im Porzellanladen: Erdogan und Trump Foto: dpa

Berlin/Washington/Ankara rtr/afp/taz | Innenminister Thomas de Maizière hat die Türkei nach dem Verfassungsreferendum aufgerufen, zügig Vorwürfe zum Wahlablauf abzuklären. „Jetzt muss rasch Klärung darüber hergestellt werden, ob die Abstimmung fair und sauber abgelaufen ist, soweit man unter den derzeitigen Umständen in der Türkei überhaupt davon sprechen kann“, sagte der CDU-Politiker der Rheinischen Post. Er hoffe, dass die türkische Regierung vernünftig mit dem Ergebnis des Referendums umgehe und nicht weiter eskaliert.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan zeigte sich nach dem knappen Ausgangs des Verfassungsreferendums am Montag unbeeindruckt von Kritik und kündigte an, rasch mit dem Umbau des Staates zu beginnen. Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatten dem Referendum am Montag zahlreiche Mängel attestiert.

US-Präsident Donald Trump hat Erdoğan zum Ausgang des Verfassungsreferendums gratuliert. Trump habe sich in dem Telefonat zugleich bei Erdoğan für die Unterstützung des US-Luftangriffs auf einen syrischen Armeestützpunkt als Reaktion auf einen mutmaßlichen Einsatz von Giftgas bedankt, teilte das US-Präsidialamt am Montag mit. US-Präsidialamtssprecher Sean Spicer hatte zuvor gesagt, das Weiße Haus werde sich zunächst nicht zu dem Ausgang des Referendums äußern. Zuerst wolle man den Bericht internationaler Wahlbeobachter abwarten.

Bei der Abstimmung am Sonntag hatten 51,4 Prozent der Türken für eine Verfassungsänderung gestimmt. Diese räumt dem Präsidenten mehr Macht ein. Die türkische Opposition kündigte eine Anfechtung des Ergebnisses an.

Ausnahmezustand wird verlängert

Nach dem Sieg von Präsident Erdoğan beim Verfassungsreferendum wird der Ausnahmezustand in der Türkei für weitere drei Monate verlängert. Das Kabinett in Ankara stimmte am Montagabend der nochmaligen Verlängerung zu, wie Vizeregierungschef Numan Kurtulmus in Ankara mitteilte. Zuvor hatte sich der Nationale Sicherheitsrat dafür ausgesprochen. Das türkische Parlament, in der die regierende AKP die Mehrheit hat, muss nun noch zustimmen.

Die Maßnahme wäre am Mittwoch ausgelaufen. Der Sicherheitsrat erklärte laut dem Sender NTV, mit der Verlängerung des Ausnahmezustands solle die „Kontinuität der Maßnahmen zum Schutz der Demokratie, der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der Rechte und Freiheiten“ sichergestellt werden. Kurtulmus sagte, die Entscheidung ziele nicht darauf, der Regierung freie Hand zu geben, sondern den „Kampf gegen terroristische Gruppen“ zu ermöglichen.

Der Ausnahmezustand war am 20. Juli, fünf Tage nach dem gescheiterten Militärputsch, verhängt worden. Er wurde im Oktober und im Januar für jeweils drei Monate verlängert. Unter dem Ausnahmezustand sind wichtige Grundrechte wie die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit eingeschränkt, zudem verfügt der Präsident über das Recht, per Dekret zu regieren. Erdoğan hat von diesem Recht ausführlich Gebrauch gemacht. Die Opposition wirft ihm vor, seine Befugnisse zu missbrauchen, um das Parlament zu umgehen und Fragen außerhalb seiner Kompetenz zu entscheiden.

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5 Kommentare

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  • Nach dem das kind in den Brunnen gefallen ist regt sich ausgerechnet unser Innenminister künstlich auf und verlangt die Aufarbeitung aller Unregelmäßigkeit bei den Wahlen?

    Kann man kaum Glauben!

    Die vorherigen Verhaftungen der Opposition, die Gleichschaltung der Medien, die Bespitzelung der deutschen Türken und so weiter und so weiter wurden in der Vorwahlzeit mit kaum einer deutlichen Reaktion unserer Regierung erwähnt, sich aber jetzt im Nachhinein aufzuregen entspricht ganz und gar unserer Politikermentalität.

    Erst mal abwarten, dann kann man nicht viel Falsch machen und sich dann großartig positionieren, als ob man noch etwas zu sagen hätte, was von Gewicht wäre.

     

    Anstatt sich einmal zu fragen, was man wohl selbst falsch gemacht hat, wenn so viele türkische Mitbewohner in der EU sich für das demokratiefeindliche "Ja" in dieser Wahl entschieden haben!

     

    Es dürfte sich sicher niemand der Politiker ernsthaft verantwortlich fühlen, dass die Integration so vieler Menschen schief gelaufen ist, wie sich hier heraus kristallisiert hat.

     

    Jeder versucht nun irgend ein Teil der Integrationspolitik des anderen für diesen Wahlausgang verantwortlich zu machen, aber keiner wird sich an die tatsächlichen Defizite erinnern wollen, die es möglich machten, dass Erdogan so viel Einfluss auf diese Menschen nehmen konnte.

     

    Allein durch das ständige hinhalten der Türken bei den Beitrittsverhandlungen zur EU muss unseren Politikern doch klar geworden sein, dass das nicht folgenlos bleiben würde.

     

    Die gesamte EU hat von Anfang an alles aufs Spiel gesetzt, was im Laufe der Jahre bei Verhandlungen aufgebaut wurde, in dem die EU Erdogan nicht umgehend vor Augen geführt hat, welches sein Handeln bewirken wird, wenn er weiterhin seine Politik der Bildung eines autokratischen Staates verfolgt.

    Die EU hätte von Beginn an Erdogan mit Sanktionen belegen müssen, war aber nicht in der Lage, da Europa durch den Flüchtlingspakt erpressbar geworden ist!!!

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @urbuerger:

      Stimmt alles, nur hat man in der EU immer daran geglaubt, am längeren Hebel zu sitzen und auf die Türkei runtergucken zu dürfen, ohne dass das für "uns" mal Konsequenzen haben könnte.

      Kurzsichtigkeit wäre der richtige Ausdruck für so wenig Politikverstand.

      • @571 (Profil gelöscht):

        In der Sendung bei Anne Will am 05.03.2017 berichtete, quasi als Zeitzeuge, Erweiterungskommissar a.D. Günter Verheugen (SPD), dass die Beitrittsverhandlungen von Anfang an von der EU, unehrlich geführt wurden. Die EU habe die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober 2005 aufgenommen. Unmittelbar nach dem Abschluss dieser Vereinbarung der EU mit der Türkei, sei Angela Merkel vor die Presse getreten und habe eine privilegierte Partnerschaft der Türkei in der EU propagiert. Andere UNIONS-Politiker hätten eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU für aussichtslos gewertet.

        Ich frage was ist das? Einen Vertrag abschließen, wissentlich in der Absicht diesen Vertrag nicht zu erfüllen. Im Strafrecht nennt man das mindestens den versuchten Betrug.

         

        Die Türkei darf sich aufgrund dieser Tatsache, die Herr Verheugen beschrieben hat, zu Recht als Opfer einer betrügerischen Politikerkaste in der EU sehen.

  • Uppsalalla. "nnenminister de Maizière will Vorwürfe zum Wahlablauf klären."

     

    Na da schau her. Er nu wieder - wa!

    "… „Jetzt muss rasch Klärung darüber hergestellt werden, ob die Abstimmung fair und sauber abgelaufen ist, soweit man unter den derzeitigen Umständen in der Türkei überhaupt davon sprechen kann“, sagte der CDU-Politiker der Rheinischen Post.

     

    Jau. FrozenThomas. At his best.

    Na & Die Rheinische Pest - is die richtige Adresse. Nach der massiven Wahlkampfhilfe durch euch staatliche Gefährder via EinreiseSprechverbot etc

    Bei Deal&Nato-Kaltschäuzigkeit!

    Eure wohlwollenden "Prüfungen" Kennt frauman zur Genüge - Newahr!

    Kotauen vom Widerlichsten! Nu!

    Gazi Recep Tayyip I. - wird's Prawdan!*

     

    (*chin.: "Wische Wische Popo!")

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Thomas de Was, bitte?

    Da lacht der Sultan...