Reform beim Österreichischen Rundfunk: Wer darf wem reinreden?
Der ORF will nicht nur Personal einsparen, sondern auch die Senderstruktur verändern. Die Redaktionen befürchten politische Einflussnahme.
Betriebsrat Gerhard Moser findet die Reform „kostspielig, unnütz und nicht nachvollziehbar“. Redakteurssprecher Dieter Bornemann hat „den Eindruck, der Generaldirektor hat vor seiner Wiederwahl den Parteien verschiedene Versprechungen gemacht und versucht jetzt die neue Struktur um bestimmte Personen aufzubauen“.
Vergangenen August war Wrabetz vom größtenteils politisch besetzten ORF-Stiftungsrat zum zweiten Mal wiedergewählt worden. Zwar werden die Posten für die Channel-Manager erst im April ausgeschrieben, jedoch ist längst geläufig, wer diese kriegen soll: In alter Tradition werden sie zwischen den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP aufgeteilt. Der erklärte Sozialdemokrat Roland Brunhofer, Ex-ORF-Landesdirektor Salzburg, ist für die Leitung von ORF2 vorgesehen, für ORF1 die Bürgerliche Lisa Totzauer. SPÖ-Mann Brunhofer ist dadurch aufgefallen, dass er kritische Interviews in der Nachrichtensendung „Zeit im Bild (ZiB) 2“ als „politische Verhöre“ bezeichnet hat. Der TV-Information wirft er vor, an der „Zersetzung der Demokratie“ beteiligt zu sein.
Redakteurssprecher Bornemann ist verärgert: „Es ist absurd, dass 50 Jahre nach dem ORF-Volksbegehren, das den Rundfunk vom Parteienproporz befreit hat, die Kanäle wieder den Parteien übergeben werden sollen.“ Die Chefredaktionen, so fürchten die Redakteure, werden dem Generaldirektor direkt unterstellt sein.
Laut Generaldirektion ist alles ganz anders: Die Redaktionen würden dank der dezentralen Channel-Struktur noch unabhängiger und pluralistischer aufgestellt sein als bisher. Die Weisungsfreiheit der jeweiligen Chefredakteure gegenüber den Channel-Managern gelte auch gegenüber der Geschäftsführung, so die offizielle Stellungnahme. Die neue Struktur ist eine Empfehlung der Boston Consulting Group, die Wrabetz 2014 – „für extrem viel Geld“, so Betriebsrat Moser – geholt hatte, um das Unternehmen an internationale Vorbilder anzupassen.
300 Arbeitsplätze bedroht
Zur Unruhe in den Redaktionen trägt auch ein Sparpaket bei, das bis 2021 bis zu 300 Arbeitsplätze durch Nichtnachbesetzung einsparen soll. Betriebsrat Moser nennt das einen „Rachefeldzug der ÖVP gegen das Unternehmen ORF, weil sie ihren Kandidaten nicht durchgebracht hat.“ Dieter Bornemann macht für den Sparzwang auch umstrittene Neuerungen wie das aufwendige Frühstücksfernsehen verantwortlich.
Der Redakteursrat hat am heutigen Mittwoch einen Termin bei Wrabetz. Man werde ihm sagen, so Bornemann, „er ist laut ORF-Gesetz und Redakteursstatut verpflichtet, die betroffenen Redaktionen zu informieren und einzubinden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour