Internierungslager für Migranten: Pakt mit Weißrusslands Diktator
Weißrussland soll Visumserleichterungen bekommen, wenn es Flüchtlinge aus der EU zurücknimmt. Dafür finanziert Europa auch „geschlossene“ Unterkünfte.
Das Geld stammt aus dem Europäischen Nachbarschaftsprogramm (ENI) und soll von 2017 bis 2020 fließen. Die Projektabwicklung soll die International Organization for Migration (IOM) übernehmen.
Die 30 bis 50 Plätze umfassenden Zentren sollen „besten EU- und internationalen Standards“ genügen, heißt es in dem Papier. Damit sind etwa separate Trakte für Frauen, Mädchen oder Familien und psychologische und ärztliche Betreuung gemeint, was es derzeit in Weißrussland nicht gibt. Gedacht sind die Zentren vor allem für Flüchtlinge und Migranten, die entweder an den EU-Grenzen abgewiesen oder künftig aus der EU in das Land abgeschoben werden.
Drei Gruppen der Migranten, die in den Einrichtungen untergebracht werden sollen, werden in den EU-Plänen genannt: Flüchtlinge aus der Ukraine, Syrien und solche, die vor der „wirtschaftlichen Krise in Russland fliehen und Arbeit in der EU suchen“. Tatsächlich dürften vor allem tschetschenische Flüchtlinge dort landen. Wie groß der Anteil der „geschlossenen“ Plätze sein wird, geht aus dem Papier nicht hervor. Ebenso wenig ist beschrieben, welche Flüchtlinge interniert werden und welche sich frei bewegen dürfen sollen.
In den Zentren sollen Informationen über die Flüchtlinge gesammelt und der EU-Grenzschutzagentur Frontex für die Erstellung von Lagebildern zur Verfügung gestellt werden. Ähnliche Einrichtungen hat die EU bereits in der Türkei und der Kaukasusregion finanziert.
Verhandlungen über drei Migrationsabkommen
Hintergrund des Projekts sind die vor dem Abschluss stehenden Verhandlungen zwischen der EU und Weißrussland über drei Migrationsabkommen: Eines sieht vor, die Einreisebedingungen für Weißrussen in den Schengenraum zu erleichtern. Das zweite ist eine sogenannte Mobilitätspartnerschaft, etwa für leichteren Zugang zu Arbeits- und Studentenvisa. Das dritte Abkommen, das Brüssel mit dem Diktator Lukaschenko aushandelt hat, ist die Gegenleistung für die ersten beiden: Ein Rücknahmeabkommen, das Weißrussland verpflichtet, Flüchtlinge zurückzunehmen, die über das Land in die EU kommen.
An diesem Punkt stockten die Verhandlungen. Erst am Dienstag meldete sich das Außenministerium in Minsk in der Sache zu Wort. Sein Land sei derzeit nicht imstande, das Rücknahmeabkommen, wie es sich die EU vorstellt, umzusetzen, sagte der Abteilungsleiter Igor Fissenko.
Er kritisierte, dass die EU die Visaerleichterungen aber nur gewähren will, wenn Minsk es unterschreibt. „Nach der jüngsten Migrationskrise in Europa hat eine gewisse Neuordnung der Werte stattgefunden“, sagte Fissenko. „Wir können die Umsetzung des Rücknahmeabkommens einfach nicht bewerkstelligen. Uns fehlt dafür die entsprechende Infrastruktur.“
Im Februar 2016 hatte die EU ein Ende der Sanktionen gegen Weißrussland beschlossen. Die Opposition in dem Land hatte dies heftig kritisiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands