Kritik an Israel: Kein Hauch von Terror
Dem Bremer Publizisten Arn Strohmeyer wird immer wieder Antisemitismus nachgesagt. Gerade ist sein neues Buch erschienen.
BREMEN taz | Als im Sommer 2014 die Hamas den Raketenbeschuss auf Israel auf Hochtouren brachte, der Gazakrieg gerade in die Bodenoffensive übergegangen war, in Frankreich Synagogen angegriffen und die Parole „Kindermörder Israel“ auf der ganzen Welt laut wurde – da saß Arn Strohmeyer an einem Kaffeetischchen vor dem Bremer Überseemuseum und machte sich Sorgen. Die Antideutschen, so verkündete er einigen verblüfften Journalisten, die könnten versuchen, seine Friedensdemo aufzuhalten. Auf der Wiese nebenan skandierten sich bereits die ersten der später rund 5.000 Demonstranten warm: „Allahu Akbar“. Und vereinzelt auch hier: „Kindermörder Israel“. Die Antideutschen kamen nicht.
Strohmeyer ist in Bremen wohlbekannt. Früher hat er beim Weser-Kurier gearbeitet, er zählt zur Friedensbewegung und referiert auch bundesweit auf einschlägigen Abendveranstaltungen. Vor allem aber schreibt er Bücher und Broschüren. Darunter überaus verdienstvolle über arisch-germanischen Nazifirlefanz, um die Bremer Böttcherstraße und die Künstlerkolonie Worpswede, über Griechenland, über Goethe und Pythagoras. Seit seiner Pensionierung jedoch vor allem über den Nahostkonflikt und über Antisemitismusvorwürfe als ideologische Waffe.
Und Antisemit zu sein, das bekommt Strohmeyer oft zu hören. Er, der früher über Wagners Judenhass geschrieben und mit seinem Vater, dem Nazi, abgerechnet hat. Er, der doch erklärtermaßen nur die Politik des Staates Israel kritisieren möchte, wenn er Bücher schreibt wie sein jüngstes: „Die einzige Demokratie im Nahen Osten? Israel und die westlichen Werte“.
Darin beantwortet Strohmeyer die Frage im Titel, ohne sich mit dem politischen System Israels oder etwa der Auswertungen von Wahlergebnissen aufzuhalten. Israel sei nämlich schon deshalb nicht die einzige Demokratie im Nahen Osten, weil es auch andere gebe. Libanon und Türkei seien immerhin „Halb-Demokratien“ – und in den Palästinensergebieten hätte es gar eine „lupenreine Demokratie“ gegeben, schreibt er und meint die „absolut freien Wahlen“ von 2006, die die Hamas gewann.
Wenige Seiten später lässt Strohmeyer den umstrittenen Linken-Politiker Norman Paech sprechen: Israels „immer wieder plakativ vertretener demokratischer Anspruch“, beklagt der, habe „sich schon lange auf die formalen Elemente von Gewaltenteilung und Wahlprozesse reduziert“. Während es also den einen an demokratischem Geist fehlt, weil sie nur Wahlprozesse im Kopf haben, werden die anderen bereits dadurch zu lupenreinen Demokraten, dass sie sich beim Wählen auf die gleiche Mannschaft einigen können: Auf die Hamas, die vielerorts als terroristisch gilt, die vermeintliche „Kollaborateure mit Israel“ ermordet und Oppositionelle vom Dach wirft.
Um Terror und islamistischen Antisemitismus geht es Strohmeyer nicht. „Alles völlig verzerrende ahistorische Aussagen“, schreibt er knapp, mit denen Israel den Blick auf die eigentlichen Ursachen des Konflikts verstelle, „die natürlich bei ihnen selbst liegen“. Das ist nicht Ergebnis seiner Überlegungen. Das ist ihr Ausgangspunkt.
Wer sucht, der findet: Die Zahl der von Israel ignorierten UN-Resolutionen sei Legion, sagt Strohmeyer und hat recht. Nur macht Israel auch gar keinen Hehl aus seiner UN-Skepsis. Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen, Ron Prosor, etwa erinnerte in der New York Times an Israels Verurteilung durch die „Kommission für die Rechtsstellung der Frau“, die Israel anmahnte. Weder die Genitalverstümmelung sudanesischer Mädchen wurde benannt noch die Steinigung iranischer „Ehebrecherinnen“. Beide Staaten saßen in der Kommission. Man muss dieser Begründung nicht folgen, aber benennen muss man sie schon, da sie doch gerade die Zwickmühle ausmacht, in der Israel nur falsch entscheiden kann.
Strohmeyer tut das nicht.
Überhaupt kommen seine Gegner nicht zu Wort. Die sprächen nämlich die Sprache der Propaganda, sagt Strohmeyer, die vom israelischen Staat ersonnen wurde und von bezahlten Kommentarschreibern und journalistischer Selbstzensur tagtäglich durchgesetzt wird.
In der Tat sind die Entwicklungen, die er da beschreibt, nicht völlig frei erfunden: Gibt es doch in allen bürgerlichen Medien der Welt die zigfach erforschte Tendenz, im Zweifel den etablierten Autoritäten nach dem Mund zu reden. Auch hierzulande liest man selten, dass die Polizei jemanden prügelt, dafür aber ständig, dass sie ihre „Schlagstöcke einsetzen musste“. Und ja, so was gibt es auch in Israel.
Diese Hartnäckigkeit, immer neue Probleme aufzuspüren und zur allgemeinen Sinnfrage aufzublasen, macht es auch berechtigter Kritik so schwer, sich glaubwürdig vom Antisemitismusvorwurf freizusprechen. Das ist ja die Krux: dass selbstverständlich nicht jede Kritik an Israel antisemitisch ist, dass sie in schierer Masse und Einseitigkeit aber genauso selbstverständlich umschlägt in antisemitische Diskurse.
Und dann feiern letztlich nur die Judenhasser solche Schriften, die doch vermutlich wirklich nur in so aufrechter wie naiver Sorge ums Menschenrecht geschrieben wurden.
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