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„Zaman“-Autor nach der Übernahme„Niemand geht mehr ans Telefon“

„Zaman“-Kolumnist Joost Lagendijk über den Untergang seiner Zeitung, das Nachfolgeprojekt und die Pressefreiheit unter Premier Erdoğan.

Die „Zaman“-Ausgabe zwei Tage nach der Übernahme. Foto: dpa
Jürgen Gottschlich
Interview von Jürgen Gottschlich

taz: Herr Lagendijk, wie geht es Ihnen heute nach der Übernahme ihrer Zeitung durch die Regierung?

Joost Lagendijk: So weit okay, ich persönlich wurde nicht von Tränengas und Wasserwerfern getroffen. Ich war Freitagnacht nicht in Istanbul, und am Samstag durfte ich nicht ins Gebäude. Mein größtes Problem ist: Ich bin von der Redaktion abgeschnitten. Alle E-Mails funktionieren nicht mehr, niemand geht mehr ans Telefon.

Es gibt ja eine neue Zaman, die nach den Vorgaben der Regierung erschien, und es gibt eine neue Zeitung, Yarina Bakis, die sich als Fortsetzung der Zaman versteht. Wie war das so schnell möglich?

Zur regierungsamtlichen Zaman: Wir haben ja schon bei früheren Übernahmen durch Treuhandverwalter gesehen, wie innerhalb kürzester Frist ein völlig neues Produkt entstand. Die Regierungsleute bringen ein eigenes Team mit. Das bastelt eine vorbereitete Pro-Erdoğan-Zeitung zusammen. Alle früheren Redakteure werden entlassen, so wird es auch bei Zaman sein. Yarina Bakis („Der Blick auf morgen“) hat mich auch überrascht. Nicht so sehr, dass es diese neue Zaman geben wird, sondern die Geschwindigkeit, mit der das geschieht. Wir wussten ja, dass die Zwangsverwaltung kommen würde und dass deshalb ein Plan B vorbereitet wurde. Aber dass dies bereits einen Tag später funktionieren würde, hat mich überrascht. Ich war nicht eingeweiht.

Soll Yarina Bakis denn nun weiterhin täglich erscheinen?

Man wird versuchen, die neue Zeitung aufrechtzuerhalten. Das alte Team wird dort, soweit möglich, einsteigen. Für die englischsprachige Ausgabe Today’sZaman wird es künftig wohl nur noch eine Online-Ausgabe geben, aber für den türkischen Markt ist eine Printausgabe wichtig.

Sie gehörten in den letzten Monaten zu den wenigen notorischen Optimisten, die die Türkei noch nicht völlig in eine Ein-Mann Diktatur verwandelt gesehen haben. Bleiben Sie optimistisch?

Es ist natürlich schwer, in diesen Zeiten nicht die Hoffnung zu verlieren. Die Situation für die Medien ist insgesamt furchtbar, und was im Südosten, in den kurdischen Teilen des Landes, passiert, ist schwer auszuhalten. Trotzdem denke ich, jetzt nur in Pessimismus zu verfallen bringt auch nichts.

Was erwarten Sie von dem EU-Türkei-Gipfel heute in Brüssel?

Ich gehöre nicht zu den Leuten die sagen, die EU dürfe überhaupt nicht mit dieser Erdoğan-Regierung reden oder verhandeln. Die EU braucht wegen der syrischen Flüchtlinge einen Deal mit Ankara. Nur wenn man miteinander redet, hat man auch die Chance, Einfluss zu nehmen. Allerdings erwarte ich, dass heute wenigstens einige hochrangige europäische Politiker dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu sagen, dass eine EU-Annäherung so nicht möglich ist.

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4 Kommentare

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  • Zaman ist eine Zeitung des islamischen Staatsstreiches. Seien wir nicht so naiv. Zaman hat auch schon kritische Kolumnisten gefeuert, weil sie ihre Haltung gegen die Regierung nicht trugen.

    • @Ansgar Reb:

      Und dass ZAMAN kritische Journalisten wegen ihrer Auffassung gefeuert hätte, darüber kann ich nur lachen. Ich lese die ZAMAN schon seit 20 Jahren. Es ist die einzige Zeitung in der Türkei, die überhaupt so viele verschiedene Ideologien, Auffassungen, Ethnien unter ihren Journalisten innehat, so dass ich sie mit Leichtigkeit als die demokratischste, objektivste und liberalste Zeitung überhaupt ansehe. Diese Kritiken werden von anderen Neidhammeln oder prinzipiellen Verfechtern vorgeschoben, haben aber mit der Wahrheit nichts zu tun.

    • @Ansgar Reb:

      Die ganzen Polizisten, Staatsanwälte, Richter, in kurz, die Werkzeuge der Exekutive und Judikative gingen Straftaten nach und das gegen Männer, Minister, Regierungsmitglieder usw., die der AKP nahe standen oder ihr angehörten - bis hoch zu Erdogan's Sohn. Dabei handelte es sich um Bestechung in großem Maße, Veruntreuung, Betrug, Steuerhinterziehung etc. - also um konkrete Straftaten, an denen man schon jahrelang recherchierte bzw. arbeitete. Seit wann ist denn seine Pflicht als gewissenhafter Beamter der Polizei, der Justiz etc. ausführen "ein islamischer Staatsstreich"?

      Das hat die Regierung so der Bevölkerung verkauft, um seinen Hals aus der Schlinge zu zieghen. In einem normalen Land wäre die Regierung mit einem Misstrauensvotum gestürzt oder wenigsten wärebn die betroffenen vier Minister zurückgetreten.

      Einer dieser Minister war der damalige Innenminister. Er war einer der Hauptangeklagten und blieb noch im Amt. So konnte er schön seine Widersacher bei der Polizei entlassen oder nach Ost-Anatolien Zwangsversetzen, oder sie runter zu Verkehrspolizisten degradiert. Seit dem 17.-25. Dezember 2013 wurden so über 40 Tsd. aufrichtige Staatsdiener Opfer dieses Rachfeldzuges. Noch immer sitzen hochrangige und spezialisierte Polizisten im Gefängnis, ohne eine Anklageschrift, ohne eine Untersuchung - einfach so, weil es der Erdogan so will. Quasi zum Verrotten im Kerker. Dazu hat die AKP-geführte Regierung mittlerweile die Gewaltenteilung des Türkischen Staates so ausgehöhlt dass sie de facto nicht mehr existiert. Nur die Armee wurde nicht angetastet. Wer hat denn nun einen Staatsstreich durchgeführt?

    • @Ansgar Reb:

      @Ansgar Reb:

      Darum geht es nicht, sondern um die Einhaltung prinzipieller Rechte der Pressefreiheit, die eben auch für einen EU-Aspiranten zu gelten haben!