Korruptionsskandal in Brasilien: Präsidentenmacher in Haft
Gegen einen der engsten Mitarbeiter von Präsidentin Dilma Rousseff wird ermittelt. Das eingeleitete Verfahren bringt auch sie weiter in Bedrängnis.
Santana ist Fachmann im Präsidentenmachen: Für Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff koordinierte er beide Kampagnen erfolgreich, auch ihr Vorgänger Lula da Silva griff bei seiner Wiederwahl 2006 auf seine Dienste zurück. 2009 verhalf er Mauricio Funes, dem Kandidaten der Ex-Guerilla FMLN in El Salvador zum Wahlsieg, ebenso wie Hugo Chávez 2012 in Venezuela sowie José Eduardo dos Santos in Angola im gleichen Jahr.
Santana soll über sieben Millionen US-Dollar illegal eingenommen und auf Konten im Ausland deponiert haben. Ermittlungsrichter Sergio Moro vermutet, dass die Gelder aus dem Korruptionsskandal rund um Brasiliens halbstaatlichen Erdölkonzern Petrobras stammen.
Aufgrund dieser Affäre, die schon einige Regierungspolitiker und Topmanager hinter Gitter gebracht hat, fordert die Opposition den Kopf von Präsidentin Rousseff. Das Verfahren gegen einen ihrer engsten Mitarbeiter bringt sie jetzt noch weiter in Bedrängnis.
Kartell in der Baubranche
Santana reagierte gelassen. Die Vorwürfe seien abwegig, all seine Gelder im Ausland stammten von Aufträgen in anderen Ländern. Er sprach von einem „Klima der Verfolgung“ in Brasilien. Er kündigte seinen Vertrag mit der Partei von Präsident Medina und kehrte im nächsten Flieger mit seiner Frau und Mitarbeiterin, gegen die ebenfalls Haftbefehl erlassen wurde, nach Brasilien zurück. Dort wurden beide am Dienstagmittag festgenommen.
Mindestens drei Millionen soll Santana den Ermittlungen zufolge direkt von dem Baukonzern Odebrecht erhalten haben. Das Unternehmen ist prominentes Mitglied eines Kartells der Baubranche, das nicht nur den Großteil der hochprofitablen staatlichen Aufträge im Rahmen von Fußball-WM und Olympischen Spielen an sich riss. Es erschlich sich auch überteuerte Aufträge von Petrobras und vielleicht anderen Staatsunternehmen. Der Extragewinn verblieb zum Teil im Unternehmen, zum Teil floss er an korrupte Politiker und ihre Parteien.
Diese Praxis ist in Brasilien nicht ungewöhnlich. Aber ärgerlich für die regierende Arbeiterpartei PT ist, dass erstmals dagegen ermittelt wird, wenn sie an der Macht ist. Da hilft es auch nicht, dass die meisten angeklagten Politiker – darunter über 50 amtierende Bundesabgeordnete und Senatoren – von dubiosen Koalitionspartnern stammen, die ohnehin im Ruf stehen, nur des Geldes wegen Politik zu machen.
In knapp zwei Jahren brachte die „Autowaschanlage“ getaufte juristische Aufarbeitung des Skandals über 80 Politiker, Unternehmer und Lobbyisten hinter Gitter. Umgerechnet 630 Millionen Euro veruntreuter Gelder kamen zurück in die Staatskassen. Die Regierung Rousseff und vor allem die PT laufen zunehmend Gefahr, im Strudel der Ermittlungen und immer neuer Enthüllungen von Details zu ertrinken. Da hilft auch nicht der Hinweis, dass die Ermittlungen einseitig sind und dass immer wieder vertrauliche Aussagen von Kronzeugen als vermeintliche Beweise in der Presse auftauchen.
Sogar gegen Expräsident Lula da Silva laufen erste Ermittlungen. Nur gegen Rousseff selbst, die zugleich gegen eine schwere Wirtschaftskrise kämpft und von Teilen ihrer Koalition schon im Stich gelassen wird, gib es bisher keine Korruptionsvorwürfe. Das hindert die konservative Opposition nicht, ein Amtsenthebungsverfahren gegen sie wegen unklarer Wahlkampffinanzierung und einiger Haushaltstricks anzustrengen. Die PT nennt das einen „Putschversuch“.
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