Kommentar Umgang mit Saudi-Arabien: Steinmeier sollte zu Hause bleiben
Die Beziehungen zu Saudi-Arabien mögen wichtig für Deutschland sein: Eine Antwort auf die Hinrichtungen muss aber gefunden werden.
D ie Bundesregierung hat kein glückliches Händchen, was ihre Beziehungen zu Saudi-Arabien angeht. Erst starb König Abdullah, kurz bevor Deutschland im Februar 2015 als Ehrengast beim saudischen staatlichen Kulturfestival seine wirtschaftlichen Beziehungen ausbauen kann. Das Janadriyah-Festival wurde abgeblasen und auf Anfang Februar dieses Jahres verschoben.
Und nun das: Nach der Hinrichtung des schiitischen Oppositionellen Nimr al-Nimr und 46 weiterer Männer steht die Bundesregierung erneut vor einem Problem. Al-Nimr hatte zu friedlichem Protest aufgerufen, mit ihm hat das Regime den Führer der schiitischen Bürgerbewegung im Osten des Landes ermordet. Das Festival wird natürlich trotzdem stattfinden – aber die Bundesregierung kann nicht weitermachen, als sei nichts geschehen. Sie muss Konsequenzen ziehen.
Janadriyah ist nicht nur ein Kulturfestival, wie es in den Mitteilungen des Auswärtigen Amts heißt, sondern eine politische Großveranstaltung. Dass es in der Wüste nahe Riad nicht nur um „landestypische Eigenheiten und Traditionen“ geht, zeigt schon die Liste der wirtschaftsstarken Gastländer der vergangenen Jahre: China und Frankreich kamen der Einladung der Saudis nach, ebenso wie die Türkei und die Emirate.
Auch die Bundesregierung will die Saudis wohl nicht nur für Brezeln und Fachwerkhäuser begeistern, sondern vor allem Wirtschaftskontakte pflegen. Siemens, Airbus, die Deutsche Bank und VW sind nur einige der Projektpartner.
Kontakt halten, Zeichen setzen
Keine Frage, gegen Wirtschaftsbeziehungen mit Saudi-Arabien ist nichts einzuwenden. Und auch einen guten diplomatischen Draht nach Riad braucht Deutschland. Forderungen, den Kontakt abzubrechen, sind unverantwortlich. Der Krieg in Syrien etwa kann ohne die Saudis nicht beendet werden.
Dennoch: Berlin muss reagieren. Die Waffenexporte können eingestellt werden, ohne dass die deutsche Wirtschaft zusammenbricht. Und als Ehrengast sollte Deutschland auch auf der Janadriyah ein klares Zeichen setzen. Außenminister Steinmeier sollte auf einen Besuch verzichten und einen Staatssekretär schicken. Die Botschaft wäre deutlich.
Übrigens: Nimr al-Nimr hat einen Neffen. Für Ali al-Nimr ist es noch nicht zu spät. Als Teenager hatte er gegen das Königshaus protestiert. Sein Todesurteil ist gefallen, vollstreckt wurde es noch nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland