Raif Badawis Schwester festgenommen: „Wer redet dann noch?“

Die saudische Menschenrechtsaktivistin Samar Badawi ist im Gefängnis – wie ihr Bruder und ihr Mann. Das berichtet Amnesty International.

Aktivistin Badawi mit Blumen und Urkunde (nicht im Ausschnitt)

Menschenrechtlerin Samar Badawi nimmt 2013 den Olof-Palme-Preis für ihren inhaftierten Mann entgegen. Foto: dpa

BERLIN taz | „Das Risiko muss ich eingehen“, antwortete die saudische Aktivistin Samar Badawi auf die Frage der taz, ob sie Angst habe, im Gefängnis zu landen. „Wenn alle den Mund halten“, sagte sie im vergangenen Jahr, „wer redet dann noch?“ Nun ist die Schwester des inhaftierten Bloggers Raif Badawi nach Angaben von Amnesty International festgenommen worden.

In der saudischen Küstenstadt Dschidda, wo die 34-Jährige ein Makeup-Studio betrieb, wurde sie laut saudischen Aktivisten zunächst in Polizeigewahrsam genommen, vier Stunden lang verhört und später in ein Gefängnis gebracht. Noch am Mittwoch soll die Mutter zweier Kinder vor dem Staatsanwalt erscheinen. Ihre zwei Jahre alte Tochter sei während der Festnahme bei ihr gewesen.

Mit Samar Badawi haben die saudischen Behörden nun eine ganze Familie der Freiheit beraubt. Neben ihrem Bruder sitzt auch ihr Ehemann, der Menschenrechtsanwalt Walid Abu al-Chair, im Gefängnis. Dieser war vor seiner Festnahme Raif Badawis Anwalt gewesen. Im Sommer 2014 wurde er zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Im selben Jahr wurde Raif Badawi zu zehn Jahren Haft und 1.000 Stockhieben verurteilt. Angeblich soll er den Islam beleidigt haben. Er wurde er mit dem Sacharow-Preis des Europaparlaments ausgezeichnet, nachdem er im vergangenen Januar die ersten 50 Stockhiebe erhalten hatte. Die weiteren Hiebe wurden vorläufig ausgesetzt – offiziell aus Gesundheitsgründen.

Politische Salons für Oppositionelle

Beobachter vermuten, dass Samar Badawis Festnahme auch wegen ihrer angeblichen Rolle bei der Organisation verschiedener Social-Media-Accounts erfolgte, auf denen die Freilassung Abu al-Chairs und Raif Badawis gefordert wird. Dass die saudischen Behörden sie genau beobachten, war der Aktivistin bewusst. „Die Regierung weiß, wo ich bin und was ich tue“, sagte sie während eines Interviews in einem Restaurant in Dschidda. „Sie warten nur darauf, dass ich einen Fehler begehe.“

Badawi hoffte jedoch, dass man ihr nichts vorwerfen könne. „Ich mache nichts“, beteuerte sie, „ich kämpfe einzig und allein für meinen Bruder und meinen Ehemann“. Alle anderen Menschenrechtsaktivitäten habe sie eingestellt. Vor der Festnahme Abu al-Chairs hatte Badawi gemeinsam mit ihrem Ehemann andere Oppositionelle und Freidenker zu politischen Diskussionsveranstaltungen zu sich nach Hause geladen.

Seit Dezember 2014 durfte Badawi das Königreich nicht mehr verlassen – was sie allerdings auch nicht vorhatte: „Ich kann nicht im Exil leben“, sagte sie, „ich bleibe lieber hier und sende meinen Mitbürgern die Nachricht: ‚Auch wenn ihr Angst habt, ich habe keine, ich kämpfe weiter.‘“

Schlechter Zeitpunkt für die Bundesregierung

In einer ersten Reaktion auf die Festnahme forderte Amnesty International die sofortige Freilassung Badawis. Die Festnahme sei „ein neuer alarmierender Rückschlag für die Menschenrechte in Saudi-Arabien und zeigt die extreme Entschlossenheit der Regierung, ihre gnadenlose Einschüchterungskampagne gegen die Verteidiger der Menschenrechte fortzuführen“, erklärte Philip Luther, Direktor des Nahost- und Nordafrika-Programms bei Amnesty. Erst am 2. Januar waren in Saudi-Arabien 47 Menschen hingerichtet worden, darunter der international bekannte schiitische Oppositionelle Nimr al-Nimr.

Für die Bundesregierung kommt die Festnahme Badawis äußerst ungelegen. In drei Wochen eröffnet in Riad das staatliche Kulturfestival Janadriyah, auf dem in diesem Jahr Deutschland als Ehrengast vertreten sein wird. Zahlreiche deutsche Unternehmen wollen die Gelegenheit nutzen, um ihre Produkte an das kaufkräftige saudische Publikum zu bringen. Das Auswärtige Amt in Berlin ist maßgeblich an der Planung der Großveranstaltung in der Wüste vor Riad beteiligt. Andererseits fordert es die Freilassung Raif Badawis und stand mit Samar Badawi in engem Kontakt.

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