Protest gegen Flüchtlinge in Niederlanden: Steine, Dosen, Warnschüsse
Im niederländischen Geldermalsen eskaliert die Auseinandersetzung um ein Flüchtlingsheim. Die Stimmung im Land scheint zu kippen.
„Es war wie Krieg in Geldermalsen” – so titelte das konservative Nachrichtenmagazin Elsevier am Donnerstag. Die Zeitschrift, selbst durchaus kritisch gegenüber der Aufnahme großer Flüchtlingskontingente, bezog sich damit auf Schilderungen von Anwohnern. Nach Polizeiangaben hatten sich 200 Demonstranten vor dem Rathaus versammelt.
Mehrere Dutzend davon durchbrachen die Absperrungen, schrieen Parolen und bewarfen die Polizisten mit Feuerwerkskörpern, Steinen und Dosen. Mehrere Fenster des Rathauses gingen zu Bruch, Feuerwerkskörper wurden nach drinnen geworfen. Die Polizei schoss mehrmals zur Warnung. Erst gegen 23 Uhr war das Gelände geräumt.
„Alle aus dem Ratssaal sind sicher”, twitterte die Bürgermeisterin Miranda de Vries, nachdem sie wie die anderen Gemeinderäte durch einen Hinterausgang aus dem Gebäude gebracht worden war. „Und dann sagen die Leute, sie hätten Angst vor Asylbewerbern.” Vor der geplanten Abstimmung war bekannt geworden, dass De Vries wegen des geplanten Asylbewerberheims bedroht wird.
Kein Einzelfall
Die Staatsanwaltschaft bestätigte dies, wollte aber nicht näher auf die Art der Drohung eingehen. De Vries ist kein Einzelfall: Laut einer Umfrage unter 75 niederländischen Bürgermeistern wurde jeder zehnte aufgrund seiner Position in der Flüchtlingsdebatte bedroht.
Erst am Freitag war bekannt geworden, dass in Geldermalsen, einem Städtchen mit 26.000 Einwohnern, das mit 1.500 Plätzen zweitgrößte Asylbewerberheim der Niederlande entstehen soll. Umfang und kurzfristiger Beschluss sorgen seither vor Ort für Unmut. Am Montag tauchten in Geldermalsen 50 Spruchbänder mit Protest- parolen auf. In den letzten Wochen wird in den Niederlanden die Forderung lauter, dass die Unterbringung von Flüchtlingen lokal in kleinerem Rahmen stattfinden solle.
Proteste zunehmend aggressiv
Seit Oktober werden die Proteste gegen die Flüchtlingsaufnahme zunehmend aggressiv. In Woerden bei Utrecht griffen Vermummte spätabends eine Notunterkunft mit Rauchbomben an. Es war der erste Vorfall dieser Art in den Niederlanden.
In Steenbergen wurden Befürworter eines Asylbewerberheims bedroht, in der Nähe von Alkmaar gingen vor einer Gemeinderatssitzung zum Thema zwei Autos eines linksgrünen Lokalpolitikers in Flammen auf. Mit der Eskalation von Geldermalsen haben die Proteste nicht nur wegen der Warnschüsse eine neue Dimension erreicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Bestürzung und erste Details über den Tatverdächtigen
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen