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Kommentar „Charlie Hebdo“-AnschlagJe ne suis pas Charlie

„Charlie Hebdo“ war angeblich respektlos gegen alles, was heilig ist. Umso fragwürdiger ist die Pietät der vielen, die gedenken.

Wer nicht mitmacht, wird verdächtigt, mit Terroristen zu sympathisieren: Blumen vor dem ehemaligen Büro von „Charlie Hebdo“. Foto: reuters

Über Tote nur Gutes. Dieses weihevolle Leitmotiv schwebt über vielen Beiträgen zum Jahrestag des Massakers an den Mitarbeitern des Satiremagazins Charlie Hebdo. Vom Springer-Verlag bis zur taz, alle wollen „Charlie“ sein, immer noch. Doch so sympathisch jede Hommage an die ermordeten Zeichner ist, so fragwürdig ist ihre Verklärung. Die Sakralisierung des Gedenkens zeigt sich schon in der Sprache, wenn sie zu „Märtyrern der Meinungsfreiheit“ verklärt werden. Vom Vorwurf des Rassismus, der dem Blatt bis zum Attentat vor einem Jahr noch gemacht wurde, wollen viele nichts wissen und reagieren betroffen und pikiert bis empört, wenn ihn jemand zur Sprache bringt.

Dass die Fans eines Blatts, das sich angeblich die Respektlosigkeit gegenüber allem, was heilig ist, auf die Druckfahnen geschrieben hat, auf Pietät pochen, ist paradox. Mit autoritärer Pose erklären sie gläubigen Muslimen, man könne auf ihre religiösen Gefühle leider keine Rücksicht nehmen – aber wenn man ihre eigenen Idole kritisiert, reagieren sie so dünnhäutig, als habe man ihren Propheten beleidigt.

Charlie Hebdo wird zu einem Symbol der „Meinungsfreiheit“ stilisiert. Aber alle, die nicht in den allgemeinen „Je suis Charlie“-Chor einstimmen wollen, werden an den Rand gedrängt und verdächtigt, mit Terroristen zu sympathisieren. Der Soziologe Emmanuel Todd musste das leidvoll erleben. Wie er in Frankreich angefeindet wird, weil er es wagte, den nationalen Konsens in Frage zu stellen, gibt seiner These, dass der posthume Kult um Charlie totalitäre Züge trägt, eindrücklich recht.

Natürlich war das Attentat ein abscheuliches Verbrechen. Aber vieles, was dem Heft seitdem nachgesagt wird, ist ein Mythos. Eine fromme Lüge ist etwa die Behauptung, es habe nach allen Seiten gleichermaßen ausgeteilt. Nein, auch Charlie Hebdo kannte Tabus. Der langjährige Zeichner Siné musste 2008 gehen, weil ihm vorgeworfen wurde, eine Karikatur über Nicolas Sarkozys Sohn sei „antisemitisch“ gewesen. Karikaturen von Schwarzen und Muslimen, die man eindeutig als rassistisch bezeichnen kann, waren dagegen okay.

Der Grat zwischen Humor und Hetze

Unter seinem Herausgeber Philippe Val hatte das Blatt nach 2004 einen stramm neokonservativen und antimuslimischen Kurs eingeschlagen. Zum Dank wurde Val von Sarkozy 2009 zum Chef des staatlichen Radiosenders France Inter berufen. Sein nachfolger Stéphane Charbonnier („Charb“) setzte den antimuslimischen Kurs fort, der – das gehört zur historischen Wahrheit dazu – sich finanziell lohnte. Nur die ständigen Kontroversen um Mohammed-Karikaturen hielten das Blatt, das seine besten Zeiten längst hinter sich hatte, noch im Gespräch und brachten es finanziell über die Runden.

Doch man kann sich fragen, ob das noch Satire war und ist. Denn im Sinne Tucholskys ist eine Satire keine Satire, wenn sie gegen Schwächere tritt. Mohammed-Karikaturen aber sind keine Kritik an religiösem Fundamentalismus – sie machen sich über den Glauben religiöser Muslime lustig, die in Frankreich nun mal eine diskriminierte Minderheit sind. Das ist ein kleiner, aber elementarer Unterschied.

Der Grat zwischen Humor und Hetze ist manchmal schmal. Der ermordete Herausgeber Charb aber drehte den Vorwurf sogar um und behauptete, all jene, die sein Blatt kritisierten, seien die wahren Rassisten. Denn es sei Rassismus, eine Minderheit vor Spott schützen zu wollen. Nach dieser wirren Logik müsste Charlie Hebdo antisemitisch gewesen sein, denn Witze über Juden hat sich das Blatt weitgehend verkniffen.

Zwangssolidarität ohne Zwischentöne

Antijüdische Karikaturen sind in der europäischen Presse ein Tabu, nicht zuletzt aus Respekt vor den Gefühlen der Opfer des Holocausts. Zu Recht. Aber mit welchem Argument kritisiert man antisemitische Karikaturen etwa in arabischen Medien, wenn man antimuslimische Karikaturen vehement mit Verweis auf die „Meinungsfreiheit“ verteidigt? Gilt die Meinungsfreiheit nur für Europäer, die sich über den Islam lustig machen? Oder warum hat keine deutsche Zeitung die berüchtigten Holocaust-Karikaturen aus dem Iran nachgedruckt, wenn es doch angeblich darum geht, alles verspotten zu dürfen?

Auch die taz hat das nicht gemacht, aus gutem Grund. Aber wie schon nach dem Mord an dem niederländischen Regisseur Theo van Gogh 2004, der Muslime gerne als „Ziegenficker“ bezeichnete, zeigen sich Teile der Linken unfähig, dem antimuslimischen Rassismus in den eigenen Reihen ins Auge zu sehen und sich davon zu distanzieren. Das Ergebnis ist eine Zwangssolidarität, die keine Zwischentöne mehr zulässt.

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24 Kommentare

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  • Wenn Charlie Hebdo in dieser europäischen Tradition, Herrscher, König, Kaiser, Papst, Religionsstifter, Mohammed persiflieren, karikieren, geschieht dies nicht, um in Europa lebende Muslime/a in ihrem Glauben als Minderheit herabzusetzen, wie dies Daniel Bax nahelegt.

     

    Es geschieht, ganz im Gegenteil, Muslima/en in Europa und andernorts zu ermutigen, gegen säkulare, klerikale Despoten daheim in islamisch beherrscht sogenannten Gottesstaaten, die in ihrem grotesk unverhältnismäßigen Strafverlangen die Fatwa ( 1979 iranische Fatwa gegen den britisch- iranischen Schriftsteller Salman Rushdie) nach Art mittelalterlicher Vogelfreiheit, Bann & Acht, gegen Personen zu deren strafloser Tötung ausrufen, jede Furcht vor dem Herren beiseite zu legen und wenigstens hier auf sicherem Boden Europas aus Solidarität mit den Angeklagten daheim in genannten Ländern, Zunge zu zeigen.

     

    Das macht Daniel Bax mit keiner Zeile seines Komentars kenntlich

     

    Selbst bei geringster Abweichung im Lobgesang Allahs, im Lobe des Prophenten Mohammeds werden in diesen Gottesstaaten, Kalifaten drastische Strafen verhängt, auf öffentlichen Plätzen cora Publikum vollzogen.

    https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/je-suis-pas-charlie-je-ne-suis-pas-charlie

     

    JOACHIM PETRICK 25.01.2016 | 15:22

    Je suis pas Charlie/ Je ne suis pas Charlie

    Charlie Hebdo- Anschlag In diesem Beitrag geht es um Kritik an dem taz Artikel Daniel Bax „Charlie Hebdo“-Anschlag" vom 7. Januar 2016 zum Jahresgedenken an den Terroranschlag in Paris

  • Der Artikel ist in der Beschreibung der Zeitschrift vollkommen einseitig und zudem dumm. Bax hat nicht verstanden, dass man sich für Pressefreiheit einsetzen kann, ohne sich mit dem Inhalt des Publizierten zu identifizieren, So wie man sich sich für Religionsfreiheit einsetzen kann ohne religiös zu sein. Von einer „Zwangssolidarität“ kann also keine Rede sein, es ist eine Konstruktion. Baxs Gleichsetzung der Kritik an religiösen Konzepten mit dem Angriff auf Menschen schließt sich nahtlos an die gängige islamistische Propaganda an. Ich unterstelle Bax keine Sympathie für den Terror, seine Sympathie für Konzepte eingeschränkter Redefreiheit ist offensichtlich.

  • 8G
    85416 (Profil gelöscht)

    -- "Gilt die Meinungsfreiheit nur für Europäer, die sich über den Islam lustig machen? Oder warum hat keine deutsche Zeitung die berüchtigten Holocaust-Karikaturen aus dem Iran nachgedruckt, wenn es doch angeblich darum geht, alles verspotten zu dürfen?"

    Religionen oder andere problematische Ideologien zu kritisieren oder lächerlich zu machen ist etwas vollkommen anderes als sich über Opfer des Holocaust oder anderer Verbrechen lustig zu machen oder den Fakt des Holocaust zu leugnen. Wie kann Herr Bax das miteinander vergleichen?

     

    -- "antimuslimischen Rassismus"

    Der Islam ist keine Rasse. Was hat Islamkritik, zumal wenn sie wie bei Charlie Hebdo mit einer generellen Kritik an Religionen verbunden wird, mit Rassismus zu tun?

  • 8G
    85416 (Profil gelöscht)

    Ein durch und durch schwacher Artikel, der einen klaren Gedankengang vermissen lässt und viele zweifelhafte Aussagen enthält, z.B.

     

    -- "... hatte das Blatt nach 2004 einen stramm neokonservativen und antimuslimischen Kurs eingeschlagen."

    " ... setzte den antimuslimischen Kurs fort"

    Ich vermute, Herr Bax hat Charlie Hebdo nie gelesen und keine Ahnung, worüber er schreibt. In dem gelungenen Artikel "Marine Le Pen mit Hitler-Intimfrisur" derselben Sonderausgabe der taz heißt es hingegen:

    "Denn wer die Charlie-Hebdo-Zeichner für einen Haufen islamophober Karikaturisten hält und so das Morden relativiert, der kann auf dieser Website etwa eine von Le Monde erhobene Auswertung aller Titelblätter des wöchentlich erscheinenden Heftes zwischen 2005 und 2015 nachlesen. Mehr als drei Viertel widmeten sich den Themenspektren Politik, Wirtschaft und Soziales. Nur 38 Titelblätter hatten Religion zum Thema, überwiegend ging es um die christlichen Religionen. Ganze sieben Cover setzten sich mit dem Islam auseinander – beziehungsweise eher mit islamistischen Extremisten."

     

    -- "... ist eine Satire keine Satire, wenn sie gegen Schwächere tritt. Mohammed-Karikaturen aber sind keine Kritik an religiösem Fundamentalismus – sie machen sich über den Glauben religiöser Muslime lustig ..."

    Es ist sehr wichtig, Religion zu kritisieren und lächerlich zu machen, und zwar nicht nur die schlimmsten fundamentalistischen Ausprägungen. Die Freiheit in der westlichen Welt beruht auch darauf, dass die christliche Religion immer wieder kritisiert und lächerlich gemacht wurde. Kritik an Religion ist in erste Linie Kritik an einer die Menschen unterdrückenden Ideologie und nicht Lächerlichmachen der von dieser Ideologie betroffenen Menschen.

  • "Antijüdische Karikaturen sind in der europäischen Presse ein Tabu, nicht zuletzt aus Respekt vor den Gefühlen der Opfer des Holocausts. "

     

    Die Opfer des Holocausts haben keine Gefühle mehr, Herr Bax, die Opfer sind ermordet worden und tot.

  • "Aber alle, die nicht in den allgemeinen „Je suis Charlie“-Chor einstimmen wollen, werden an den Rand gedrängt und verdächtigt, mit Terroristen zu sympathisieren."

     

    Herr Bax: Nun wissen Sie, wie es denen ergeht, die kritisch gegenüber der unkontrollierten Zuwandern von Menschen aus islamischen Krisenregionen sind und die deshalb verdächtigt werden, Nazis, Rechte und Ausländerhasser zu sein.

  • Auch wenn er das unsägliche Nachtreten von Herrn Bax kaum gelesen haben dürfte: Kenan Malik hat in seinem letzten Essay zu dessen Haltung eigentlich alles wichtige geasagt:

     

    "What is really racist is the idea that only nice white liberals want to challenge religion or can handle satire and ridicule. Those who claim that it is ‘racist’ or ‘Islamophobic’ to mock Islam, appear to imagine, with the racists, that all Muslims are reactionaries. It is here that leftwing ‘anti-racism’ joins hands with rightwing anti-Muslim bigotry."

    https://kenanmalik.wordpress.com/2016/01/07/charlie-hebdo-one-year-on/

  • Daniel Bax (dem ich hier nicht in jedem Satz zustimme) gebe ich insofern recht, als all die "Islamkarikaturen" im Westen in einem allen bekannten Kontext erschienen sind und alle Reaktionen erwartbar waren. "Die Muslime" konnten immer nur aufs neue beweisen, daß sie eben keinen Spaß mit ihrer Religion verstehen, weil sei eben keine solche Erleuchtung (Aufklärung) wie wir Westler hatten, weil sie - letztendlich - eben immer elende, rückschrittliche Hinterwäldler geblieben waren, die auf das großzügige "Diskursangebot" des Westens nur mit "Terror" reagieren konnten. Alles das war vollkommen vorhersehbar, traf auch folgerichtig so ein und bediente die hämischen Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft. "Wir" hatten zum -zigsten Mal den Beweis erbracht, daß "die anderen" eben doof waren (und deshalb gefährlich). Das hatte rassistische Züge. Anders, als die "Abendländer" suggerieren wollen, sind Muslime im Westen eine machtlose Minderheit. Weshalb solche Karikaturen zunächst billig waren. Und auch hier zu unterscheiden wäre: Karikaturen über islamische Kleriker, die gegen ihre gepredigten Maximen handeln, sind etwas anderes als Witze über "Gott" oder seinen "Propheten", die grundsätzlich Gläubige beleidigen wollen - denn welchen Zweck sollten sie sonst haben? Gläubige vom Atheismus zu überzeugen?

  • Der Herr Bax wuerde sich natuerlich niemals "über den Glauben religiöser

    Muslime lustig" machen. Aber er ist nicht ehrlich und sagt warum:

    weil es lebensgefaehrlich ist.

     

    Es ist nichts dabei, das zuzugeben. Die Titanic tuts, der Herr Koenig

    tuts, selbst die Jylland Posten tuts.

     

    Aber es ist was dabei, die Toten anzuschwaerzen, um sich das nicht

    eingestehen zu muessen. Es muss nicht nihil nisi bene sein, aber

    ausgerechnet Charlie Hebdo in die rechte Rassistenecke zu stellen,

    das ist in der Tat pietaetlos.

     

    Und den Unterschied zwischen einer Karikatur gegen eine konkrete Person,

    die genau gar nichts dafuer kann Jude zu sein, und den Mohammedcartoons,

    wo Ideen und - ja - Glauben veraeppelt werden die man selbst waehlt,

    den kann Herr Bax trotz seiner so unglaublichen Differenzierfaehigkeit

    nicht sehen?

     

    In einem muss ich ihm allerdings 100% recht geben: die grosse Mehrheit

    der Islamophoben die sich in ploetzlich in spitzfindige Koranexegeten

    verwandeln und die absurdesten Suren herauskraemern um zu beweisen,

    dass der Araber - pardon, das sagt der clevere Islamkritiker gerade

    nicht - dass also der Muselmane partout zivilisationsunfaehig sei.

    Es sind schlichte Rassisten die sich zu verstecken wissen.

     

    Daniel Bax durchschaut den Trick. Er kennt ihn halt gut, denn nicht

    anders geht die Heerschar Israelkritiker vor, die doch alle keine

    Antisemiten sind.

  • Herr Bax weigert sich offenbar nach wie vor, zwischen Ideen/Ideologien (Islam) und Menschen (Muslime) zu unterscheiden. Damit wirft er m.E. ständig Nebelkerzen in die Diskussion.

  • http://www.taz.de/Aus-der-Sonderausgabe-Charlie-Hebdo/!5264834/

     

    "Es geht den Seitenbetreibern aber auch um Aufklärung. Denn wer die Charlie-Hebdo-Zeichner für einen Haufen islamophober Karikaturisten hält und so das Morden relativiert, der kann auf dieser Website etwa eine von Le Monde erhobene Auswertung aller Titelblätter des wöchentlich erscheinenden Heftes zwischen 2005 und 2015 nachlesen.

     

    Mehr als drei Viertel widmeten sich den Themenspektren Politik, Wirtschaft und Soziales. Nur 38 Titelblätter hatten Religion zum Thema, überwiegend ging es um die christlichen Religionen. Ganze sieben Cover setzten sich mit dem Islam auseinander – beziehungsweise eher mit islamistischen Extremisten. „Es ist falsch, wenn man glaubt, dass die Satiriker von Charlie Hebdo sich hauptsächlich mit dem Islam beschäftigen würden“, sagt Frenz im Gespräch, „sie sind Teil einer laizistischen Gesellschaft – ihre Satire wendet sich gegen jede religiöse Autorität.“"

    • @Werner W.:

      Den Inhalt eines Blattes anhand des Titelbildes zu bewerten ist etwa so intelligent wie die Behauptung, bei Asterix und Obelix gehe es ja gar nicht um eine "Verarschung" des römischen Reiches, schliesslich seien nur auf sechs von 38 Titelbildern auch Römer zu sehen.

  • Religiöse, genau wie politische Ansichten sind weder angeboren noch untrennbar mit einem Menschen verwoben und können daher offen hinterfragt, kritisiert und, ja, auch ins Lächerliche gezogen werden. Aus diesem Grund kann es auch keinen "antimuslimischen Rassismus" geben, da Muslime über ihren Glauben, nicht über ihre Herkunft definiert werden. Und wenn Sie, Herr Bax, nun die Rassismuskeule bemühen und die Kritik an Ideologien (und das sind Religionen, insbesondere der Islam) ersticken möchten, zeigt das nur, dass Sie sich von eigentlich linken Kernthemen mittlerweile ganz weit entfernt haben. Ganz im Namen der falsch verstandenen Toleranz.

  • Gibt es eigentlich was lustiges über ZEN-Buddhismus von Charlie? Taisen Deshimaru-Roshi hat doch immerhin in Frankreich gewirkt. Vielleicht kann ja Herr Schley weiter helfen. Und wenn es, erglichen mit den drei Weltreligionen, eigentlich nichts über ZEN gibt, dann macht das vielleicht auch eine Aussage über zeitlich gebundene Formen der Transzendenz, wie sie diese drei Weltreligionen darstellen und die sich immer auch in ihrer Zeitlichkeit die Hände schmutzig gemacht haben. Und damt verdienter Maßen Spott und Häme auf sich ziehen.

  • Die Frage ist für mich nicht, ob die Karikaturen rassistisch oder antireligiös sind oder sein können, sondern ob es ein Blutbad legitimiert. Die Antwort lautet NEIN.

    • @Lesebrille:

      Da haben Sie vollkommen recht. Noch mehr, nach so einem schrecklichen, sinnlosen und ungerechten Blubad wie dieses, sollte und müsste man sich mit den Opfer solidarisieren. Mit den Opfer, betone ich, aber nicht unbedingt mit ihren Taten, Ideen oder Ideologien. Ich habe das Attentat 100% abgelehnt, aber habe mich auch verweigert zu sagen "Je suis Charlie". Ich bin es nicht gewesen und will niemals wie "Charlie" sein, warum sollte ich? Ich finde den Journal, in Übereisstimmung mit Herr Bax, einfach abscheulich. Mit Pressefreiheit hat er gar nichts zu tun. Herr Bax hat mir aus der Seele geschrieben: Satire ist keine Satire, wenn sie gegen Schwächere tritt. Wer kein Rassismus hinter Charlie Hebdo sehen kann braucht eine neue Sachlichkeitsbrille, die kann man in Fielmann nicht kaufen.

      Man darf sich DOCH nicht lustig über alles machen! Man macht sich auch jetzt nicht lustig, z.B., über die Opfer von Charlie Hebdo, oder? Das wäre genau so abscheulich. Ich habe keine Religion, aber ich verteidige dein Recht auf Religion zu haben und dass das, was du für heilig hältst, respektiert wird. Und wenn der "Idiot XYZ" das nicht respektiert: A) das gibt dir nicht das Recht ihn umzubringen, einverstanden aber B) wenn du ihn trotzdem umbringst, so scheiße wie das auch finde, bedeutet es nicht dass ich Schilder mit "ich bin Idiot XYZ" durch die Gegen tragen muss...

  • Solange bei uns Dieter Nuhr das Maß der Dinge ist, bleibt jede Respektlosigkeit willkommen. Die Tabuisierer und Denkverbotler, die sich jetzt an Charlie heranschmeißen, haben sowieso keinen Sinn für Humor. Wir können nur hoffen, dass sie in einer der nächsten Ausgaben von Charlie mal so richtig hart und respektlos ’rangenommen werden.

     

    Zum Glück wissen andere zu unterscheiden zwischen Satire à la Charlie und Langeweile à la Dieudonné, Nuhr oder ehemaligen Titanic-Karikaturisten, die jetzt für Springer zeichnen.

  • Ich lese das Heft seit Jahren und kann nur sagen, dass es völliger Blödsinn ist, ihm Rassismus oder Islamophobie vorzuwerfen. Charlie Hebdo entstand in den 60er Jahren und steht in der Tradition der kommunistischen Kulturkämpfer, die Religion als solche und besonders reigiöse Extremisten aufs Korn nimmt, die man in Frankreich "intégristes" nennt. Ihr trashiger Stil stammt aus der Gründungszeit des Blattes. Und zu Emmanuel Todd: Der ist nun wirklich kein Tabubrecher, der Charlie Hebdos Blasphemische Witze verurteilt. Im Gegenteil, er verteidigt das Recht auf Blasphemie öffentlich. Aber er kritisiert Charlie Hebdo von einer bestimmten Perspektive aus. Er ist Demograph und weist darauf hin, dass die muslimischen Radikalen zur schwachen und diskriminierten sozialen Unterschicht gehören, während die Zeichner zum weißen Establishment zählen, was der Solidarität ein Geschmäckle gibt. Seine Hauptthese zielte außerdem darauf, dass nur die etablierte Mittelschicht protestierte und nicht etwa die Arbeiterklasse oder Angehörige der Unterschicht. Daher hat er die Solidaritätswelle als "imposture" bezeichnet, was ihm so ausgelegt wurde, dass er seine Solidarität verweigere, was er bestreitet. Keine unumstrittene Figur also, aber auf keinen Fall ein Tabubrecher, genausowenig wie der Autor dieses Artikels einer ist, der das Blatt und seine Zeichner offensichtlich kaum kennt. Ich als Charlie Hebdo-Leser kann nur sagen, dass das Blatt zum Alltag vieler Leute gehörte und dass der Tod dieser großartigen Zeichner ein ungeheurer Verlust ist. Diese Idioten haben vielleicht keine Werte angegriffen, aber es geschafft, ein Stück allwöchenteliches Lachen zu töten.

    • @Theo Schley:

      ;)

  • Langasam kann ich nur noch sagen

    " Charlie " nervt. Wenn ich Satire will, kann ich lesen oder mir das Heft kaufen. Aber sonst........

    Hans-Ulrich Grefe

  • Ja, das Märtyrertum ist völlig überzogen, aber eben auch typisch für diese Zeit, in der wieder der Bauch über den Kopf regiert und das Herz gleich vollständig ignoriert wird.

  • Was ein gelungener Daniel del Bax.

     

    Oder -

    Wie sichs aus berufenem Munde -

    Von -HintenDurchDdieBrustInsAugeSchießt -

    Chapeau.

    Aber Satire darf ja bekanntlich alles.

  • Satire muss nicht ausgewogen sein. Die Titanic ist bei uns auch häufig respektlos und zu weilen diskriminierend und unter der Gürtellinie. Der Maßstab dass nur Stärkere kritisiert werden dürfen ist zudem recht schwammig - die Islamisten sind nicht schwach - einzelne Muslime dagegen schon. Der Vatikan ist ebenso schwach - einzelne Katholiken aber doch. So etwas kann zwar einen moralischen Hinweis geben, wo Satire vielleicht nicht angebracht ist - für die Auseinandersetzung, welche Satire erlaubt sein soll, taugt dies jedoch wenig.

    Pietät gegenüber den Opfern ist wichtig. Pietät gegenüber einem Satiremagazin, welches bewusst Grenzen des Anstands überschreitet, ist dagegen unpassend.

    In Deutschland ist die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Dies geschah und geschieht immer noch, da der Bevölkerung misstraut wird. Wenn nun jemand nach "gleichem Recht für alle" ruft, sollte das aber nicht dazu führen, dass wir nun alles zum Satiretabu erklären - statt nur einzelne historisch begründete Gruppen. Vielmehr sollten wir mehr statt weniger Freiheit wagen: Wenn es Karikaturen zu Mohammed und zum Papst geben kann, warum dann nicht auch von Rabinern? Wir müssen solche Karikaturen nicht gut finden - nur verbieten sollten wir sie nicht.

  • Ich würde einen Unterschied machen zwischen der Verspottung aller Religionen, auch anhand konkreter Beispiele solange sie sich die Waage halten und auch unter weitgehendem Ausschluss des Judentums, aus den im Text angesprochenen Gründen, und einer Verspottung speziell des Islams. Letzteres ist Rassismus, ersteres Satire.

     

    Und wenn dann in Ländern, die sich dem Holocaust kulturell nicht zugehörig fühlen, das Judentum nicht von Spott verschont bleibt, dann ist dem so. Wenn sie aber *nur* das Judentum verspotten und nicht etwa das Christentum und die eigene Mehrheitsreligion und dann auch noch einen ziemlichen Clinch mit Israel haben, dann ist auch das wieder keine Satire mehr sondern im besten Fall Propaganda.