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Essay zum „Projekt Europa“Du Schöne, wie bist du zugerichtet!

Aus der großen Idee einer europäischen Einigung ist ein Moloch geworden. Wie konnte es so weit kommen, was muss geschehen?

Es war ein krisenreiches Jahr für Europa Foto: ap

Ein gewisser Andrés Laguna, ein damals berühmter Arzt, beschreibt im Jahr 1543 in einer lateinischen Rede in der Aula der Universität zu Köln eine Frau, die zu ihm gekommen sei, um ärztliche Hilfe einzuholen: „[Da] kam eine Frau zu mir, die […] ganz elendig aussah; sie war tränenüberströmt, traurig, blass, ihre Körperglieder waren verletzt oder gar abgeschlagen, ihre Augen hohl, sie war schrecklich abgemagert.“

Europa hieß die Frau und sie klagte Laguna ihr Leid. Sie werde schlecht behandelt, einst sei sie eine Schönheit gewesen, doch mittlerweile sei sie derart zugerichtet und leide unter qualvollen Gebrechen.

In Lagunas Allegorie steht der intakte, schöne Frauenkörper für das im 16. Jahrhundert faktisch noch gesunde, ganzheitliche Europa – bevor die frühneuzeitliche Herausbildung der Nationalstaaten begann.

1532 schrieb Machiavelli sein Hauptwerk „Der Fürst“. Mit ihm fing die moderne Nationalstaatswerdung an. Von der einst schönen Frau Europa zur krisengeplagten Europäischen Union des 21. Jahrhunderts war es ein langer Weg, auf dem die europäische Idee gleich mehrfach in die Sackgasse von Nationalstaatlichkeit und den Strudel ihrer meist kriegerischen Dynamiken geriet.

Die Versuche von Victor Hugo im 19. Jahrhundert und die von Aristide Briand oder Richard Coudenhove-Kalergi – den Vordenkern der europäischen Einigung aus den 20er Jahren und Erfindern des Völkerbundes des letzten Jahrhunderts – misslangen. Vor unseren Augen, in atemberaubender Geschwindigkeit scheitert nun auch das zeitgeschichtliche Projekt der Vereinigten Staaten von Europa, das Projekt der europäischen Gründungsväter des 20. Jahrhunderts.

Wovon sie träumten

Entwurf und Bauplan dieses Vorhabens waren erneut falsch, die historischen Lehren des letzten Jahrhunderts wurden nicht resolut gezogen: Nationalstaaten können Europa nicht erschaffen, eine europäische Einheit kann nicht aus Nationalstaaten hervorgehen.

Der männliche Leviathan, der Nationalstaat, ist gleichsam die Antithese zur grenzenlosen Europa, dem ganzheitlichen, weiblichen Frauenkörper, in dem alle Völker und Nationen Europas ihren organischen Platz haben: Alle werden gebraucht, damit die Europa gesund ist. Dann aber können sie nicht als Nationalstaaten souverän sein.

1964 schrieb Walter Hallstein, der erste deutsche Präsident der Europäischen Kommission: „Das Europa, das uns vor Augen steht, wird kein Bündnis von Nationalstaaten sein und nicht bloß deren gemeinsamer Wirtschaftsraum. Europapolitik bedeutet Förderung der Regionalpolitik, am Ende eine Verfassung Europas als Netzwerk freier Regionen, und das heißt: die Überwindung des Ungleichgewichts zwischen großen und mächtigen und kleinen und politisch machtlosen Nationen.“

Doch die Überwindung der Nationalstaaten misslang ein weiteres Mal. Gerade die verspätete Nation Deutschland, für die das europäische Einigungswerk 1950 erdacht wurde, machte sich seit 1989 – spätestens seit dem Fußballsommermärchen 2006 – an die Wiederentdeckung des Nationalen, suchte die „nationale Normalität“.

Die nationale Anormalität Deutschlands war jedoch die Bedingung europäischer Normalität vor 1989. Wo deutsche und europäische Einigung zwar zusammengedacht waren, dann aber doch aufeinanderprallten, musste die europäische Idee scheitern.

Was sie wollte und sollte

Von der deutschen „Normalität“ zur deutschen Übermacht („Grexitkrise“) und zur deutschen Ohnmacht („Flüchtlingskrise“) war es ein kurzer Weg. Wer erst Solidarität verweigert, kann sie später nicht erwarten. Die Europa leidet deshalb heute wieder an multiplem Organversagen.

Man kann das alles auch etwas weniger barock ausdrücken. Aus der Systemforschung ist bekannt, dass komplexe Systeme – auch wenn Individuen rechtzeitig vor möglichen Krisen warnen – fast keine Kapazitäten haben, Kommendes vorauszusehen und sich darauf vorzubereiten. Sie sind immer im reaktiven Modus, können sich kaum an sich schnell verändernde Bedingungen anpassen.

Mithin ist es in komplexen Systemen nicht möglich, auf Krisen zu reagieren, wenn diese erst einmal da sind. Der Begriff „Krise“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Entscheidung“. Die EU müsste sich in der Krise entscheiden, endlich das zu werden, was sie sein wollte und sein sollte: eine politische Einheit.

Projekt Europa

Dieser Text basiert auf einem Artikel des europäischen Onlinemagazins „Eutopia“, eines Projekts der Verlagshäuser Galaxia Gutenberg, S. Fischer, Laterza und Seuil, zusammen mit TIM: www.eutopiamagazine.eu

Genau das aber kann sie im Moment der Krise nicht mehr tun. Sie schafft es nicht einmal mehr, die notwendigen Verstrebungen von Politikbereichen herzustellen: Populismus, Euro-, Flüchtlings-, und jetzt Terrorkrise werden voneinander getrennt und in „nationalen Containern“ verhandelt: Frankreich darf die europäischen Sparauflagen umgehen, um einen Krieg zu führen, nicht aber, um die Pariser Vororte, in denen sich Jugendliche radikalisiert haben, lebenswert zu machen. Griechenland darf Geld für Flüchtlinge ausgeben, muss jedoch Wohnungseigentümer, die ihre Kredite nicht bezahlen können, aus ihren Wohnungen werfen.

Von gemeinsamer Regierung und gemeinsamem Budget, von Handlungsfähigkeit und Einheit gibt es weit und breit keine Spur. Ein undurchsichtiges und unklares europäisches Regieren – weitgehend ohne angemessene parlamentarische Kontrolle – und Zillionen von EU-Untergruppen und Formaten haben längst zu systematischem Rechtsbruch, Politikversagen, Vertrauensverlust und Populismus geführt. Das komplexe System EU ächzt unter Dysfunktionalität: In das Vakuum eines ineffizienten europäischen Maschinenraums sticht der verräterische Charme der nationalen Versuchung. Diese bietet zwar keine Lösungen, aber Fahnen, Symbole und den Versuch der Flucht in eine patriotische Ästhetik.

Republikanisch sein

Politische Kommunikation ist immer auch ästhetische Kommunikation. Das Ästhetische ist die „Machart“, in der sich das, was als politisch verstanden werden soll, zeigen muss. Allem voran hat EU-Europa als politische Form ihre Ästhetik verspielt: die hässliche Fratze der derzeitigen Krisen ist die Folge.

Rückblickend wird man wahrscheinlich feststellen, dass die EU mangels politischer Ästhetik gescheitert ist: „Alles ist Sprache“, sagte einst die französische Psychoanalytikerin Françoise Dolto, die mit ihrer Forschung über die Bedeutung von Sprache berühmt geworden ist.

Bei der EU ging es um einen Binnenmarkt, in den man sich nicht verlieben kann, wie es der langjährige EU-Kommissionspräsident Jacques Delors formulierte. Es ging um ein System sui generis, das man nicht erklären konnte. Es ging um ein Regieren auf mehreren Ebenen ohne klare Kompetenzabgrenzung, um die Integration von Märkten ohne demokratische Einbettung, um europäische Einheit ohne bürgerliche Gleichheit. Bibliotheken wurden gefüllt, um das politische „Biest“ EU-Europa zu erklären.

Es konnte nicht gelingen, denn es war in seinem Wesensgehalt nicht klar: Im Grunde war (und ist) EU-Europa die Missachtung sämtlicher demokratietheoretischer Fundamente, die die klügsten Autoren der politischen Ideengeschichte in Europa hervorgebracht haben.

„Die bürgerliche Verfassung eines jeden Staates sollte republikanisch sein“, schrieb Immanuel Kant 1792. Die Republik ist seit Aristoteles und Cicero das ideengeschichtliche Kulturgut Europas, wann immer es um die Einigung von Bürgern zu einem politischen Gemeinwesen ging.

Es ist an der Zeit, das auf Europa anzuwenden. Die res publica bezeichnet das öffentliche Gute, das Gemeinwohl. Nichts fehlt Europa heute mehr als das: Es geht nicht darum, Staaten zu integrieren, sondern darum, Bürger zu einen.

Das postrevolutionäre, republikanische Erbe ist der allgemeine politische Gleichheitsgrundsatz. 1789 hat die Französische Revolution die politische Gleichheit jenseits von Klassen etabliert. Jetzt, im 21. Jahrhundert, muss das europäische Projekt auf der Gleichheit aller europäischen Bürger jenseits von Nationen beruhen.

Europa muss vom Gleichheitsgrundsatz aller europäischen Bürger aus (neu) gedacht werden: Allem voran stehen die Wahlrechtsgleichheit und die Gleichheit vor Steuern. Wird das beherzigt, ist ein funktionierendes politisches System für ein einheitliches Europa schnell erdacht, bei dem – siehe Hallstein – die europäischen Regionen, nicht die Nationen, zu den konstitutionellen Trägern einer Europäischen Republik werden. Wenn Europa einmal seine augenblicklichen Schreckensjahre durchlaufen haben wird, sollte man sich daran erinnern.

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30 Kommentare

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  • "It's economics , stupid !" möchte man der Autorin des Essays zurufen , keine Zeit für Nostalgieträume . Ein nüchterner Blick auf die Realitäten wäre als Erstes angesagt .

    Das transnational agierende globalisierte Kapital hat die Möglichkeit eigenständiger Wirtschafts- und Konjunkturpolitik souveräner Staaten praktisch aufgehoben , und zwar unumkehrbar . Als Wirtschaftsstandorte liegen die Nationalstaaten in einem Konkurrenzkampf aller gegen alle , der unübersehbar stetig hässlichere Züge annimmt . Die wirtschaftlich bedingte gesellschaftliche Atomisierung der Menschen als Konkurrenzsubjekte nimmt zu .

    Und die Spatzen pfeifen es nun doch schon von den Dächern : Das System der kapitalistischen Warenproduktion liegt auf einem Krankenbett der Intensivstation . Diagnose : Es erstickt langsam an seiner "Überproduktivität" (bezogen auf Kaufkraft , auch auf fehlenden zusätzlichen Bedarf ) . Der erreichte Stand von Wissenschaft und Technik (Rationalisierung , Automatisierung) hat dazu geführt , dass immer mehr Waren / Gebrauchsgüter mit immer weniger lebendiger menschlicher Arbeitskraft produziert werden können . Die Massenkaufkraft ist in den letzten 40 Jahren ubiquitär gesunken . Die Zahl der aus dem System Herausgefallenen , "Freigesetzten", "Überflüssigen" liegt in der EU bei (statistisch ...) ca 24 Millionen , nicht mitgerechnet die Millionen Menschen , die sich als Elendsexistenzen irgendwie durchschlagen .

    .... von all dem : keine Spur im obigen Essay . Erstaunlich

    • @APOKALYPTIKER:

      Schonn - & … Now!

       

      Der Alte aus Wiedensahl wußte -

      "Onkel heißt er bestenfalles -

      Dieses aber ist auch alles -

      Pflanzen sich durch Knollen fort!"

      Aber - Wir Fußvolk der Ebene -

      Nehmen die dankbar entgegen;)

      • @Lowandorder:

        Tja , Dichter , kryptischer - ...da biste platt , wie ?! Näää , in Eeernst , Obiges musste doch hier ma angebracht werden . Zu all dem feuilletonistischen Jedöns über antik-old europe , ... à la "Das Ästhetische ist die „Machart“, in der sich das, was als politisch verstanden werden soll, zeigen muss. Allem voran hat EU-Europa als politische Form ihre Ästhetik(!) verspielt(!!): die hässliche Fratze der derzeitigen Krisen ist die Folge."

        Wow ! Ja tatsächlich : Europa ist tatsächlich derzeit echt zum Kotzen .

         

        Zum neuen Jahr vielleicht mal öfter Klartext versuchen , großer Dichter ?!

        Sonst geht die Welt auch noch ästhetisch zugrunde .

        :-)

        • @APOKALYPTIKER:

          ;)

           

          Ja wie? - Bin ganz untröstlich! &

          Klar - >

          Was wir natürlich nicht hoffen wollen - &

          Weiter im Text ->

           

          Einfach im neuen Jahr -

          Op jöt kölsch - >

          Öfter mal - Wieder vorbeischauen!

          kurz - Das wird schon;!¡)

  • Warum soll Europa als Demokratie nicht möglich sein? Es geht darum, einen gemeinsamen (!) politischen Willensakt zu verwirklichen? der die demokratischen Grundsätze als Ausgangspunkt hat.

     

    Nationalstaaten sind eine neuere Erfindung. nichts beweist, daß sie für immer und drei Tage gültig sein müssen. Sie sind es selbst bis heute noch nicht.

     

    Auf dem französ. Hoheitsgebiet leben mindestens drei Völkerschaften. Sogar das kleine Belgien versucht, Flamen, Französischsprachige und Deutsche Gemeinschaft (ohne Brüssel zu erwähnen) unter einen Hut zu bringen. Dito Spanien, Italien.... Und Deutschland, wo Sorben und Dänen ein eigenes Statut haben. Das Thema ist sehr vielfältig.

     

    Nationalismus in Deutschland. Welcher europ. Staat kann von sich geltend machen, daß er seit 1945 keine nationalistische Partei in seinem Parlament beherbergt? Natürlich gibt es auch in der RFA braune Soße, aber - bisher - ist die Republik damit fertig geworden.

     

    Europa ist ein Traum, den wir den Mut haben sollten, bis zu Ende zu träumen.

  • "Der männliche Leviathan, der Nationalstaat, ist gleichsam die Antithese zur grenzenlosen Europa, dem ganzheitlichen, weiblichen Frauenkörper, "...

     

    Danke für's sexistische Klischee. Als hätten damals nur Männer Hitler gewählt.

    • @Konrad Ohneland:

      ?¿!

       

      Aber daß Ihre Objekte sexistischer Begierde was älter sind als die

      Reichsschnodderbremse

      Alois Schicklegruber …¿

      Bitte. Dannichfür;)

       

      Is ja alles Gehobbestwiegedoppest.

      Stirnentsprungen - gleichsam.

      Anders gewendet -

      Schon Hera fand Zeus ziemlich - öh Scheiße;!¡)

  • Hat Jürgen Habermas wohl ausgeträumt(?) :

     

    Die Europäische Union lasse sich "als entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer politisch verfassten Weltgesellschaft begreifen". (Nov. 2011)

    ---------------

    Wer, außer wirtschaftsservile Pöstchenschacherer, möchte schon, dass solch ein Verein die Geschicke der Weltgemeinschaft lenke.

    • @H.G.S.:

      Wer nicht bereit ist - zu träumen -

      Wird auch nicht die Kraft haben -

      zu kämpfen.

       

      Ob & Wie wir seins -

      Weiterträumen werden -

      Liegt bei uns.

      Pöstchenschacherer ist dabei -

      Nur eine - der Möglichkeiten.

       

      Ansonsten gilt der olle Emanuel:

      "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines andern zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht aus Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen.

      'Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!' ist also der Wahlspruch der Aufklärung."

      Volle Kante.

       

      Wenn Sie dahinter zurück wollen -

      Werd nicht nur ich nicht mitgehen!

      Servus.

      • @Lowandorder:

        Oder wie Bob Marley es in seiner unvergleichen Art gesagt hat: "You don´t fool yourself, everyone have the answer!"

      • @Lowandorder:

        Schweres Geschütz fahren Sie hier auf. -(„Kämpfen“ sollte man übrigens niemals weil man etwas träumte, sondern nur wenn man tagklar sehen kann.)

        Hinter Ihr Kant-Zitat möchte ich selbstverständlich nicht „zurück“. Gucken wir doch mal nicht auf das „hinter Kant zurück“ sondern auf das danach.

        Nietzsche:

        „Wie sind synthetische Urtheile a priori möglich? fragte sich Kant, – und was antwortete er eigentlich? Vermöge eines Vermögens: leider aber nicht mit drei Worten, sondern so umständlich, ehrwürdig und mit einem solchen Aufwande von deutschem Tief- und Schnörkelsinne, dass man die lustige niaiserie allemande überhörte, welche in einer solchen Antwort steckt. Man war sogar ausser sich über dieses neue Vermögen, und der Jubel kam auf seine Höhe, als Kant auch noch ein moralisches Vermögen im Menschen hinzu entdeckte: – denn damals waren die Deutschen noch moralisch, und ganz und gar noch nicht »real-politisch«. “

         

        Warum ich damit komme? Weil ich wie oben Nietzsche, »real-politisch« zu sehen angemessener finde. Wohl in etwa auch in diesem Sinne, merkte Micha Brumlik seinerzeit dazu an:

        „An dieser Stelle ist ein Manko des von Habermas vorgelegten Programms zu notieren: die völlige Abstraktion von allen wirklichen, materiellen Lagen und Interessen der Bürgerinnen und Bürger von EU und Eurozone, die den von ihm vorgeschlagenen Weg zur Weltgesellschaft mitgehen sollen.

        Auffällig bei einem Autor, der noch vor knapp dreißig Jahren "Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus" (1973) analysierte und seinen Weg als Theoretiker immerhin mit einem Buch über "Erkenntnis und Interesse" (1968) begonnen hat.

        Ich bleibe bei meiner Wahrnehmung der wirtschaftsservilen Heruntergekommenheit des Projektes.

        • @H.G.S.:

          in der Analyse a.E. sind wir sicher nicht weit auseinander.

           

          Nur ist das -

          Ja grad nicht! die Fragestellung!

          Aber das - wissen Sie gut genug selbst.

           

          Gar wollt ich Kant/Nietzsche - oder

          Vergewisserungssätze von Bewegungen

          Hasenfüßig gegenlesen oder - öh Diskutieren.

           

          Und was "Erkenntnis und Interesse" -

          Sein Beitrag zu einem - Der Themen -

          Dieser Zeit hier besagen soll -

          Schlicht keine Ahnung.

          (Micha Brumlik ist im übrigen

          Aus meiner bescheidenen Sicht zu den

          Hier angeschnittenen Fragestellungen!! - Eher eine bescheidene Adresse -

          Mit Verlaub. -

          Seine Beiträge inne taz lassen jedenfalls Einen anderen Schluß nur schwer zu.)

          • @Lowandorder:

            "Ja grad nicht die Fragestellung"

             

            Kommt davon und selber schuld, weil Sie mich mit Kant so eingeschüchtert hatten. ;-)

             

            Im Ernst: Anscheinend sehen doch die in Brüssel ganz lässig, uns wie "unmündige Unwissende" an; wenn man nur bedenkt, wie oft Volksbefragungsergebnisse ignoriert oder dann doch lieber gleich ganz vermieden wurden.

            (Es müssen ja nicht immer Leute wie -ich nenne mal z.B.- Bernd Ulrich in der ZEIT als analytisch kompetenter, zu den "hier angeschnittenen Fragestellungen" befunden werden)

            • @H.G.S.:

              Sie kennen den Witz -

              Ohl Conny & Audience beim Papst¿!

               

              Fein. Diie eingerannten Türen sperrangelweit offen -

              Wenn Dijsselbloem den Euro-Grupe

              Gibt - aber gleichzeitig - als

              ZuhälterFiMazNL der Briefkastenfirmen in Dam -

              Die EU um Mrd.€ entgangene Steuern bescheißt -

               

              Ist's doch das was ich als technokratisches Versagen

              Eurokrise/Greece/Flüchtlinge angerissen - & das "Warten auf die

              Morgenröte" als a weng zu wenig umrissen habe.

               

              Im Beitrag wird doch genau dewegen - Was&Wie tun? & Das - Ob überhaupt - auch nicht außen vor gelassen.

              Es geht - auch für mich ganz bescheiden - wie diesen Karren nach den drei fulminanten Katastrophen aus dem Dreck fahren. &

              Auch richtig - Instrumentarien sind viele dafür schon gedacht - werden sich beim Klempnern schon finden.

              Was besseres - als bisher/derzeit -

              Leicht vorstellbar.

              http://www.taz.de/!5259747/#bb_message_3321963 ->

              " Tatsache ist doch: Es wird für ganz Europa schwierig, wenn sich die Verhältnisse vor allem in Deutschland nicht ändern. Schäuble ist immer noch Finanzminister in Deutschland, nicht in Griechenland. Also, werdet ihr euren Schäuble los, dann sagt uns, was wir wie hätten besser machen können.;))"

              &&& http://www.taz.de/!5262524/#bb_message_3322830 http://www.taz.de/!5260878/#bb_message_3323853 http://www.taz.de/!5257472/#bb_message_3323041

               

              Nur nicht einschüchtern lassen - koche auch nur mit Wasser - wahrscheinlich kalkhaltiger als Ihrs;)

  • Für so ein extrem heterogenes Gebilde wie es die EU nun ist, funktioniert die EU meiner Meinung nach noch erstaunlich gut.

    Die einzelnen national-staatlichen Egoismen unter einen Hut zu bringen ist schlicht weg nicht möglich.

  • Europa ist nicht als Demokratie möglich. Denn Demokratie (= "Herrschaft DES Volkes") hat zur Voraussetzung, dass es EIN Volk als souveränen Träger der Herrschaft gibt.

    Es gibt jedoch kein "europäisches Volk". Es gibt europäische VölkER (Plural!) Da es kein europäisches Volk gibt, kann es also keine europäische Demokratie geben.

     

    Es könnte eine europäische Monarchie, Diktatur oder Militärdiktatur geben. Oder eine bürokratische Herrschaft wie die jetzige EU.

     

    Es kann aber keine europäische Demokratie geben. Das "Projekt" Europa ist ein in sich absurdes, tendenziell totalitäres Projekt, das mangels Volk keine demokratische Potenz besitzt.

     

    Das passt den Völkern nicht. Und das ist gut so.

    • @Renée Bürgler:

      Aha. Und die Vereinigten Staaten von Amerika zB haben ein homogenes Staatsvolk? Da lachen ja die Hühner.

      • @Konrad Ohneland:

        "Aha. Und die Vereinigten Staaten von Amerika zB haben ein homogenes Staatsvolk? Da lachen ja die Hühner."

        Aber auch nur die.

        Neben der Frage was ein homongenes (!) Staatsvolk überhaupt sein soll (vermutlich trifft das noch nicht mal auf Lichtenstein zu) betrachten sich sogar die eingewanderten Latinos und die Afroamerikaner als Bürger der USA - sie gehören bei aller Inhomogenität zum Staatsvolk.

        Außer ein paar versprengten Indianern gibt es dort nirgends (noch nicht mal in Puerto Rico oder Hawai) eine separatistische Bewegung wie wir sie in Europa von den Korsen, Basken, Tirolern, Katalonen und Schotten kennen.

        Im Grunde haben die USA ein einheitlicheres und loyaleres Staatsvolk als die meisten europäischen Länder.

        Die unterschiedlichen Sprachen und Kulturen haben die Einwanderer nach Nordamerika zwar mitgebracht (und pflegen sie z.T. auch) aber sie haben eben keine politische Bedeutung. Und das eben ist in Europa ganz anders.

        Schon lange vor dem Entstehen des Nationalismus (spätestens seit dem 30jährigen Krieg aber wohl schon lange vorher) fühlten sich die meisten Europäer zu einer Stammesgemeinschaft (=Volk) zugehörig.

      • @Konrad Ohneland:

        "Wir, das Volk der Vereinigten Staaten, von der Absicht geleitet, unseren Bund zu vervollkommnen, die Gerechtigkeit zu verwirklichen, die Ruhe im Innern zu sichern, für die Landesverteidigung zu sorgen, das allgemeine Wohl zu fördern und das Glück der Freiheit uns selbst und unseren Nachkommen zu bewahren, setzen und begründen diese Verfassung für die Vereinigten Staaten von Amerika." So beginnt die US-Verfassung: "DAS" Volk heißt es hier. Nicht "DIE" VölkER...

        Das ist der entscheidende demokratietheoretische Unterschied zu Europa. Einführungsseminar Politologie...

    • @Renée Bürgler:

      Ihrer Logik nach hieße es also: Ein Volk, eine Nation, eine Regierung?

    • @Renée Bürgler:

      So feinsinnig -

      Mit Christian Morgensterns

      Palmström ins 2016 segeln!

       

      Chapeau. ~>

      Muß frauman erst mal bringen;)

       

      (ps - die steinalte Bemerkung des PhysikProf. zu seinem exStudiDichter: "Jaja - für Physik hatten´s halt doch -

      Zu wenig Phantasie!"

      Gilt cum grano salis - schonn -

      Auch fürs Verfassungsrecht et al;)

  • Nach logischen Gesichtspunkten müßte uns die EU schon längst um die Ohren geflogen sein. Aber mit Lügen ,Betrügen, Kriegführen, Verschleiern und allen negativen Eigenschaften, die die EU hat , schaffte die EU es , sich über Wasser zu halten. Dieser Apparat, oder wie andere sagen, dieser Wanderzirkus, diese Geld-Verschwendungseinrichtung gehört abgeschafft. Dieser Apparat läßt sich nicht reformieren,: dieser Apparat entwicklet sich weiter, bläht sich auf , bis zum großen Chrash. ( wie Murphy sagte ;eines seiner Gesetze/ Reformierbarkeit von Systemen ) Das Entscheidende dabei ist, das dieses System so festbetoniert ist, daß keine Änderungen möglich sind.Die Eu kann sich ja nur selber abschaffen. Tut sie aber nicht!!!!!

    Es ist ein Sch......laden.Nix anders!

    Hans-Ulrich Grefe

  • Eigentlich ein kluger Artikel. Ebenso klug müssen diejenigen gewesen sein, denen wir den Schrecken des Europa der Gegenwart zu verdanken haben. Zeigt jemand Reue, tritt jemand zurück, gelobt jemand Besserung, will jemand etwas neues. Wir drücken wirklich unser hochwürdiges Bedauern aus.

  • Einst beharrten die Macher darauf, daß die Erde eine Scheibe sei. Trotz allen Beharrens war sie dennoch keine Scheibe.

     

    Die EU funktioniert ähnlich. Trotz allen Wunschdenkens, wie Menschen sein sollten, sind und bleiben sie so, wie sie schon immer waren.

     

    Hinzu gesellt sich noch der Umstand, daß die Macher der Habgier und diversen Eitelkeiten die oberste Priorität einräumen. So etwas endet zwangsläufig immer im Chaos.

  • Zu: "Bei der EU ging es um einen Binnenmarkt, in den man sich nicht verlieben kann, wie es der langjährige EU-Kommissionspräsident Jacques Delors formulierte." Nun, wirtschaftliche Vorteile mögen nicht zum spektakulären Verlieben verführen, letztlich sind sie aber vielleicht doch entscheidend. Der gemeinsame europäische Binnenmarkt - davon haben alle profitiert, und die EU war populär. Demgegenüber ist die gemeinsame europäische Währung und der Lissabon-Vertrag vor allem von euro-Ideologie getrieben. Die menschen in Südeuropa bezweifen mit gutem Grund, ob ihnen der Euro ihnen wirtschaftlich nützt oder nicht eher schadet. Letztlich ist doch die Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Seit Europa nicht mehr allgemein von wirtschaftlichen Vorteil ist, sinkt die Zustimmung zur EU. Entsprechend wäre die wichtigste Maßnahme zur Rettung der europäischen Idee mehr Common Sense und weniger Ideologie.

  • 7G
    73176 (Profil gelöscht)

    Wir müssen uns doch, bezogen auf die europäische Integration, folgende Frage stellen: Was wollen wir erreichen?

    Kriege verhindern:

    Dann sei der Autorin gesagt, dass nicht nur Nationen gegeneinander Krieg führen, sondern auch Gruppen innerhalb einer Nation. Allein die jüngere Geschichte ist gespickt mit Konflikten innerhalb von Staaten: Katalonien und Spanien, Schottland und GB, Kurden und die Türkei, Ukraine/Russland und die Krim. Die Geschichte von Südosteuropa ist voll mit Beispielen. Oder weiter zurück in der Geschichte: die Vielvölkerstaaten Osmanischens Reich und die Habsburger Monachie. Und das waren nur Beispiele aus Europa + angrenzende Regionen.

    Glaubt denn hier ernsthaft jemand, dass ein geeintes Europa der "Region" Polen Flüchtlinge hätte aufzwingen können, ohne dass es dort zu Aufständen kommen würde?

    • @73176 (Profil gelöscht):

      Genau dass ist mit der Hallstein-Doktrin gemeint - dass nicht Nationalstaaten, sondern Bürger aus Regionen eine Einheit bilden.

       

      Kleines Gedankenexperiment: wie würde ein Europ aussehen, wenn Schottland, Katalonien, das Baskenland und man verzeihe mir den Ausflug in die Science Fiction, Bayern und Sachsen als gleichberechtigte Mitglieder in einer Gemeinschaft zum Nutzen des großen Ganzen eine Stimme, Gewicht und Aufgaben hätten?

       

      Das ist das schöne an Visionen - wunderbare Gedanken, mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Schade, dass die Realität immer so hässlich dazwischenfunkt.

       

      Joewe

      • 7G
        73176 (Profil gelöscht)
        @Jörg-Uwe Dosse:

        Vermutlich schlechter.

        Wie immer macht es aber die Dosis.

        Die Abspaltbemühungen von Bayern, Sachsen, Schottland, Katalonien, etc. sind immer noch beherrschbar, weil die einzelnen Gruppen noch sehr ähnliche Positionen zu dem jeweiligen Rest des Staates haben - man kann also die Politik noch so ausrichten, um eine Abspaltung abzuwenden, ohne den Rest der Bevölkerung zu sehr zu benachteiligen. Wenn sie aber viele sehr heterogene Gruppen vereinen, wird es schon sehr viel schwieriger, Politik für alle zu betreiben.

  • 7G
    73176 (Profil gelöscht)

    Fortsetzung 1:

    Wohlstand mehren:

    Der Euro hat gezeigt, dass ein derart diversifizierter Kontinent wie Europa nicht einfach vereint werden kann. Aber gerade hier liegt doch die Stärke Europas: Diversifikation und Wettbewerb.

    Warum nahm Europa und nicht etwa die Ming Dynastie oder das Osmanische Reich die führende Rolle in der Welt ein (durch Kolonien), obwohl doch z.B. im 15./16. Jahrhundert die Ming Dynastie und das Os. Reich Europa überlegen war (im Falle der Ming Dynastie sogar weit überlegen)? Ein wichtiger Grund war, dass Europa nicht einem Herrscher unterstand, sondern es gab viele unterschiedliche Herrscher und somit Wettbewerb innerhalb Europas. Man konnte sich nicht "zurücklehnen", weil dann die Gefahr bestand, vom Nachbar erobert zu werden (Wobei es heute natürlich nicht mehr um Eroberungen von Nachbarn geht).

    Die Ming Dynastie z.B. ist letztendlich untergegangen, weil ihre Herrscher zu viele Falsche Entscheidungen getroffen haben und damit eine riesige Region zu Grund richteten. Griechenland hat in der Vergangenheit große Fehler gemacht (von Korruption und Vetternwirtschaft bis hin zu einer zu großen und ineffizienten Bürokratie). Man stelle sich vor, diese Fehler wären in ganz Europa begangen worden. Und so hat jeder Staat in Europa immer wieder Fehler begangen, die aber normalerweise Regional beschränkt werden konnten und somit selten ganz Europa betrafen.

    Evtl. sollte man die Diversifikation innerhalb Europas auch als Vorteil sehen - insbesondere wenn man sich mal mit der Geschichte von Aufstieg und Fall von Nationen beschäftigt hat.

     

    Das erinnert mich immer wieder an ein Video: Familie steht im Wasser nahe Wasserfall. Plötzlich steigt der Wasserpegel etwas an. Die Familienmitglieder halten sie sich an den Händen, um sich gegenseitig zu stützen. Letztendlich rutscht ein Familienmitglied aus und zieht die gesamte Familie mit - überlebt haben nur Vater und Sohn ... .

  • ;)

     

    "...Wird das beherzigt, ist ein funktionierendes politisches System für ein einheitliches Europa schnell erdacht, bei dem – siehe Hallstein – die europäischen Regionen, nicht die Nationen, zu den konstitutionellen Trägern einer Europäischen Republik werden. Wenn Europa einmal seine augenblicklichen Schreckensjahre durchlaufen haben wird, sollte man sich daran erinnern."

     

    Dem Europa der Regionen ist zwar schon mal -

    Aber aus durchsichtigen, ähnlich egoistischen Gründen -

    Eine Absage - nämlich wg Provinzialisierung of the Rest - erteilt worden;

    Ansonsten aber - duck- duck - ... & bis dann .. ~>

    In einem - Verfaßten Europa der Gleichgewichtigkeit von

    LIBERTE´FRATERNITE´EGEALITE´!

     

    Nur wird das nicht kommen wie - die Morgenröte.

    Sondern unser aller Aufgabe sein - &

    Inwieweit die Häupter der Leviathane - sich dabei

    Als Gorgonenhäupter erweisen werden -

    Ist zwar noch nicht ausgemacht - Muß aber erkundet werden.

    ´sis Zeit.