Warnwesten in Wuppertal: Kein Prozess gegen „Scharia-Polizei“
Das Landgericht in Wuppertal weist eine Anklage wegen des Verstoßes gegen das Uniformverbots zurück. Nur der Anführer der Gruppe ist weiter angeklagt.
Die Männer hatten im vergangenen Jahres bundesweit für erhebliche Aufregung gesorgt, weil sie im Wuppertaler Stadtteil Elberfeld in handelsüblichen Warnwesten mit dem Aufdruck „Schariah Police“ (Scharia-Polizei) durch Straßen zogen und junge Leute nach Behördenangaben zur Einhaltung traditioneller islamischer Religionsgesetze aufgefordert hatten. Dazu zählt etwa ein Alkoholverbot.
Nach damaligen Mitteilungen der Polizei handelte es sich um Angehörige der salafistischen Szene, die mit der Aktion versuchten, junge Leute „zu beeinflussen und anzuwerben“. Beamte kontrollierten die Gruppierung, die Strafverfolgungsbehörden leiteten daraufhin Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ein. Dies wurde teils als überzogen kritisiert. Einige Beobachter bezweifelten das Vorliegen echter strafbarer Handlungen und werteten die „Scharia-Patrouillen“ als PR-Aktion der Aktivisten um einen bekannten 35-jährigen Salafisten.
Das Landgericht erklärte nun, das Uniformverbot diene bei verfassungskonformer Auslegung dazu, Kleidungsstücke mit erkennbaren Bezügen zur „uniformen Bekleidung historisch bekannter militanter Gruppierungen“ zu verbieten, die als ein „Symbol organisierter Gewalt“ gemeint seien und bei Versammlungen „suggestiv-militante Effekte“ auslösen sollten. Von handelsüblichen orangenen Warnwesten gehe im Gegensatz dazu keine einschüchternde und bedrohliche Wirkung aus, auch der darauf angebrachte Schriftzug habe keine Assoziationen mit realen Polizeiuniformen geweckt.
Lediglich die Anklage gegen den 35-jährigen mutmaßlichen Anführer wegen der Organisation einer nicht angemeldeten öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel ließ das Gericht zur öffentlichen Hauptverhandlung zu. Die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig.
Die Entscheidung über die Eröffnung der Verfahren lag wegen der vergleichsweise begrenzten Vorwürfe zunächst beim Wuppertaler Amtsgericht. Es hatte die Fälle wegen der besonderen Bedeutung und des großen Interesses der Öffentlichkeit allerdings an das Landgericht verwiesen. Die Richter dort entschieden nun indes, die Verhandlung gegen den 35-Jährigen doch beim Amtsgericht zu führen.
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