Streit ums Prostituiertenschutzgesetz: Von Ländern und Liebesdiensten
Im Prostituiertenschutzgesetz ist die zwangsweise Gesundheitsberatung für SexarbeiterInnen vorgesehen. Muss der Bundesrat zustimmen?
Wer ein Bordell oder Ähnliches betreibt, braucht demnach künftig eine Erlaubnis, die er aber nur bekommt, wenn er als „zuverlässig“ gilt. Ausgeschlossen ist dies, wenn jemand in den letzten fünf Jahren wegen eines Verbrechens oder eines Sexualdelikts verurteilt wurde. Auch baulich werden anspruchsvolle Regeln definiert, etwa muss es in jedem Raum ein „Notrufsystem“ geben.
Prostituierte sollen sich außerdem künftig vor der Arbeitsaufnahme bei den Behörden anmelden müssen. Die Anmeldung gilt zwei Jahre, aber nur für bestimmte Orte. Eine reisende Prostituierte muss sich deshalb an jedem Ort neu anmelden. Die Anmeldebescheinigung muss bei der Arbeit mitgeführt werden.
Außerdem müssen Prostituierte künftig jährlich eine Gesundheitsberatung absolvieren. Dabei werden sie nicht untersucht, sondern erhalten Informationen über Krankheiten, Verhütung und gesunde Ernährung.
Anmelde- und Beratungspflicht dienen dazu, mit den Prostituierten ins Gespräch zu kommen, ihnen Angebote zu machen und Informationen zu übergeben. Sie sollen immer wieder Gelegenheit haben, eine eventuelle Zwangslage zu offenbaren.
„Stigmatisierung und Ausgrenzung“
Nach einer Länderumfrage des Berliner Tagesspiegel sind derzeit nur fünf der 16 Bundesländer für das Gesetz, aber sieben dagegen. Vor allem grün mitregierte Länder kritisierten eine „Stigmatisierung und Ausgrenzung“ der Prostituierten und den Aufbau einer Prostitutionsbürokratie. Laut Spiegel lehnen alle Länder außer Bayern die geplante Gesundheitsberatung ab. Falls das Gesetz zustimmungspflichtig ist, hätte die Regierung also wohl ein Problem.
Seit der Föderalismusreform 2006 benötigen Bundesgesetze, die den Ländern Kosten verursachen, die Zustimmung des Bundesrats. Konkret geht es um Gesetze, die die Länder „zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten“ verpflichten (Artikel 104a Grundgesetz).
Als ein Beispiel wurde einst die Einführung einer Schuldnerberatung genannt. Dementsprechend spricht viel dafür, dass der Bundesrat auch zustimmen muss, wenn die Länder eine Gesundheitsberatung für Prostituierte aufbauen müssen.
Emanzipationsministerin kompromissbereit
Die Bundesregierung sieht das allerdings anders. „Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass der Entwurf eines Prostituiertenschutzgesetzes nicht zustimmungsbedürftig ist“, sagte eine Sprecherin von Familienministerin Schwesig auf Anfrage.
Relevant ist die Zustimmungsbedürftigkeit freilich nur, wenn am Ende im Bundesrat die nötige Mehrheit für das Gesetz nicht zusammenkommt und das Gesetz dennoch in Kraft tritt. Dann können übergangene Länder das Bundesverfassungsgericht anrufen. Auch Bordellbetreiber und Prostituierte, in deren Rechte eingegriffen wird, könnten reklamieren, dass das Gesetz nicht ordnungsgemäß zustande kam.
Um zu verhindern, dass das Gesetz am Ende in Karlsruhe ganz scheitert, könnte die Große Koalition also durchaus noch mit widerspenstigen Ländern verhandeln. Die grüne NRW-Emanzipationsministerin Barbara Steffens ist durchaus kompromissbereit. Eine Genehmigungspflicht für Bordelle würde sie mittragen, wenn zugleich auf Anmeldepflicht und Zwangsberatung für Prostituierte verzichtet wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies