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Versammlungsfreiheit in HeidenauDas Verfassungsgericht kippt Verbot

Die Karlsruher Richter entschieden am Samstag, dass der „polizeiliche Notstand“ nicht hinreichend belegt worden sei. In der Nacht zum Samstag blieb es in Heidenau ruhig.

Polizeieinsatz in Heidenau am Freitagabend. Auch Rechte dürfen sich dort jetzt wieder versammeln Foto: dpa

Karlsruhe/Heidenau dpa | Das Bundesverfassungsgericht hat das umstrittene Versammlungsverbot für das sächsische Heidenau endgültig gekippt. Die Karlsruher Richter bestätigten am Samstag eine Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Dresden, das das vom Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge verhängte Versammlungsverbot für die von rechtsradikalen Ausschreitungen erschütterte Stadt nahe Dresden am Freitag für „offensichtlich rechtswidrig“ erklärt hatte.

Diese Entscheidung war anschließend vom Oberverwaltungsgericht in Bautzen zum Teil wieder kassiert worden. Nur ein Willkommensfest für die Flüchtlinge in der von Krawallen Rechtsradikaler betroffenen Unterkunft durfte stattfinden.

Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei das Verbot außer Kraft gesetzt worden, erklärte ein Sprecher in Karlsruhe. „Versammlungen in Heidenau können am Wochenende nach Maßgabe der allgemeinen versammlungsrechtlichen Bestimmungen stattfinden.“ Antragsteller war ein junger Jurist aus dem Rheinland, der auch schon die Entscheidung in erster Instanz angestrengt hatte.

Darin hatten die Dresdner Verwaltungsrichter ein Verbot aller Veranstaltungen in Heidenau über das gesamte Wochenende für unverhältnismäßig befunden. Außerdem bemängelten sie eine unzureichende Einschätzung der Gefahrenlage. Es seien lediglich die Erfahrungen der Krawalle herangezogen worden, die es am vergangenen Wochenende vor der in einem Baumarkt untergebrachten Asylunterkunft gegeben habe.

Hin und Her

Weil der Antragsteller aber nur an dem Willkommenfest hatte teilnehmen wollen, hätte das Verwaltungsgericht Dresden auch nur in diesem Fall das Versammlungsverbot aufheben dürfen, entschied das Bautzener Oberverwaltungsgericht. Dies sah Karlsruhe nun anders und hob die Entscheidung auf, womit der Spruch aus erster Instanz wieder in Kraft trat.

„Nach dem Hin und Her der letzten 24 Stunden sind wir jetzt wieder auf dem Stand von gestern“, sagte der Sprecher der zuständigen Dresdner Polizeidirektion, Thomas Geithner, am Samstag. Damit könne eine in Heidenau für Sonntagabend angemeldete Kundgebung von Unterstützern des Flüchtlingsheimes stattfinden. Aber auch neue Versammlungen könnten angemeldet werden.

Am Freitagabend kesselte die Polizei rund 180 rechte Demonstranten ein, die sich in der Nähe versammelt hatten. Sie erhielten Platzverweise. Bis zum Samstagmorgen habe es keine Zwischenfälle gegeben, teilte die Polizei in Dresden mit.

Twitter-Ärger um Jens Spahn

Linke Demonstranten in Heidenau hat der CDU-Politiker Jens Spahn, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, auf Twitter mit der NPD verglichen und damit scharfe Kritik auf sich gezogen. Nachdem Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) am Freitag bei einem Willkommensfest für Flüchtlinge in Heidenau so massiv beschimpft und bedrängt worden war, dass er wieder abfuhr, twitterte Spahn laut Berliner Tagesspiegel: „Liebes linkes Pack (frei nach Gabriel), Ihr skandiert auf einem „Willkommensfest“ gleiche Parolen wie NPD. Und merkt es nicht mal. #Heidenau.“

Als daraufhin in den sozialen Netzwerken der Vorwurf laut wurde, Spahn setze die Pöbeleien gegen Ulbig mit Nazi-Gewalt gleich, löschte dieser den Tweet und schickte eine neue Fassung: „Liebe Antifa, Ihr skandiert auf nem „Willkommensfest“ gleiche Parolen wie NPD. Und merkt es nicht mal. (sorry f unangebrachte Ironie vorhin)“. Ein Nutzer spottete: „Empfiehlt sich eben, erst das Hirn einzuschalten bevor man twittert“. Daraufhin Spahn: „Stimmt“.

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4 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Hier irrt Jens Spahn: Diese hysterische Dame, die Angela Merkel "Hau ab" zugeschrien hat, so wie jetzt die Antifa beim Willkommensfest dem Innenminister, ist auf youtube ja nur zu hören - nicht zu sehen. Wer sie war und ob sie in der NPD ist, weiß keiner. Außerdem hat die Antifa Herrn Ulbig nicht als "blöde Schlampe" bezeichnet!

  • Offenbar kann die Union noch nicht zwischen Nazis und Nazigegnern unterscheiden.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    "Liebe Antifa", das haben die jetzt bestimmt gerahmt über dem Kamin hängen.

    • @24636 (Profil gelöscht):

      Das hat in Karlsruhe durchaus Tradition

      - & nicht nur - was die vorhersehbare

      Entscheidung angeht -

       

      Der KPD-Verbotsantrag wurde damals in Karlsruhe - öh linker Hand behandelt - d.h. - nicht.

      Als eine Anfrage des Senatsvorsitzenden

      bei O'l Conny - " meinste das echt - alter Karl-Renner-Freund - oder kann das wech!;)"

      Nicht zum intendierten Erfolg führte;

      Nahm Karlsruhe über Bande zusätzlich

      Das SRP-Verbot - ins Boot.

      Das Ende ist bekannt.

       

      (Daß die Altnazis in der

      Justiz mit diesem

      Freifahrschein Rache a negligable -einschl. eindeutiger Rechtsbeugung an kleinen KP-Kadern nahmen, ging im Kalten Krieg unter & ist bis heute

      Wenig bekannt!).

       

      Also "Liebe Antifa" -

      Geht schon in Ordnung.