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Staatliche Überwachung in FrankreichAbhören ohne richterlichen Beschluss

Das Verfassungsgericht winkt ein Gesetz durch, das eine fast totale Kommunikationsüberwachung ermöglicht. Kritiker sprechen von einer Schande.

Vertrauliches Telefonat? Von wegen! Foto: dpa

Paris taz | Das französische Verfassungsgericht hat außer ein paar Details nichts auszusetzen an einem neuen Gesetz, das den Nachrichtendiensten die Mittel und Rechte für eine fast totale und massive Überwachung der Kommunikation gibt. Das Urteil wurde in der Nacht zu Freitag bekannt gegeben. Dem Gesetzgeber war selber nicht wohl in der Haut bei dieser Ausweitung der polizeilichen Kompetenzen.

Erstmals in der Geschichte der Republik hatte Staatspräsident François Hollande das Ende Juni verabschiedete Gesetz von den „neun Weisen“, den Mitgliedern des Verfassungsrats, prüfen lassen. Jetzt kann er das Urteil der Verfassungsrichter als Alibi für seine demokratische Gesinnung vorweisen.

Diese haben lediglich drei Punkte bemängelt, die gestrichen werden können, ohne den Sinn und die Tragweite zu beeinträchtigen. Präsident Hollande freute sich, dass „die Nachrichtendienste die erforderlichen Mittel zum Schutz unserer Interessen und Frankreichs Sicherheit“ bekommen.

Ohne die Attentate islamistischer Terroristen wäre eine solche Ausdehnung der Erfassung und Auswertung von Kommunikationsdaten sowie der staatlichen Überwachung von Netzwerken kaum aktuell worden. Mit der Terrorbekämpfung wird eine bedenkliche Einschränkung der Privatsphäre und der Freiheit der BürgerInnen gerechtfertigt.

Elektronische „Staubsauger“

Neu ist die ungezielte und massive Erfassung von „Metadaten“ der Kommunikation mittels elektronischer „Staubsauger“, die bei den Telefon- und Internetanbietern installiert werden. Die Auswertung soll die Behörden dank Profilen und Rastern auf die Spur von mutmaßlichen Verdächtigen bringen. An der Effizienz solcher Methoden bestehen indes Zweifel. Auch wird befürchtet, dass zahlreiche Internetunternehmen wegen der staatlichen Auflagen für Kontrollen ihrer Kunden lieber ins Ausland abwandern.

Telefone können künftig abgehört werden, ohne die vorherige Zustimmung eines Richters einzuholen. Selbst die frühere Aufsichtsbehörde, „Commission nationale informatique et libertés“, bemängelte eine ungenügende demokratische Kontrolle der Überwacher durch die neue Aufsichtsstelle CNCTR, in deren Bezeichnung das Wort „libertés“ (Freiheiten) nicht mehr vorkommt. Auch die UNO-Kommission für Menschenrechte hatte zuletzt die „exzessiven Kompetenzen“ der Überwachungsbehörden kritisiert.

Mit Empörung haben die Verteidiger eines freien Internets auf den Entscheid der Verfassungsrichter reagiert. Damit habe „die Staatsräson über das Recht und die Freiheit triumphiert“, und das sei eine „Schande für Frankreich“, protestierte am Freitag die Vereinigung „Quadrature du Net“, die eine aktive Kampagne gegen das Gesetz geführt hatte.

Der frühere Staatssekretär für Menschenrechte und Mitbegründer der Médecins Sans Frontières, Claude Malhuret, bedauerte, dass nach den Attentaten vom 7. Januar (Charlie Hebdo) „wir bereit sind, alles zu schlucken“. Premierminister Manuel Valls dagegen feierte via Twitter „einen entscheidenden Fortschritt: Jetzt hat Frankreich einen gesetzlichen Rahmen für den Schutz vor dem Terrorismus, und die Grundfreiheiten werden darin respektiert.“ Auch seine Twitter-Kommentare werden künftig gespeichert und kontrolliert.

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