Was die Polizei twittern darf: Straftaten werden suggeriert
Juristen melden verfassungsrechtliche Bedenken an, ob die Polizei twittern darf, wie sie Demonstranten bewertet. Die Polizei verteidigt ihre Strategie.
Auf Twitter schreibt sie: “Polizisten mit Fahnenstange angegriffen und mit benzingefüllter Flasche beworfen. Deshalb Pfefferspray- und Schlagstockeinsatz.“ Umgehend findet sich der Tweet im Liveticker von Focus Online wieder, später auch in Artikeln von FAZ und Bayernkurier.
Weniger Verbreitung findet dann die Berichtigung, die am Abend von der Polizei getwittert wird: “Positiv ist aber, dass sich herausgestellt hat, dass die Flüssigkeit in den geworfenen Flaschen doch nicht brennbar war.“
In einem Beitrag, der im September in der Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland erscheint, melden die Frankfurter RechtswissenschaftlerInnen Jana Gawlas, Maximilian Pichl und Cara Röhner verfassungsrechtliche Bedenken an derlei Tweets an.
Es sei nicht zulässig, „ohne gesicherte Tatsachenbasis eine Begehung von Straftaten durch Demonstranten zu suggerieren“. Dies widerspreche dem Auftrag an staatliche Behörden, sachlich und wahrheitsgemäß zu berichten, und stelle wegen des Abschreckungseffekts überdies einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar.
Fotos mit erkennbaren Personen
Als problematisch benennen die AutorInnen auch andere Arten von Tweets. Solche, die „Fotos mit erkennbaren Personen, die an der Versammlung teilnehmen“, enthalten, sowie Mitteilungen „die eine Einteilung in politisch zulässigen und unzulässigen Protest vornehmen“. Bei den Blockupy-Protesten im März in Frankfurt etwa twitterte die Polizei Fotos dunkel gekleideter Demonstranten und schrieb: “Trotz der gezeigten Bilder sind unter den 15.000 größtenteils ‚bunte‘ Teilnehmer. Was uns freut.“
Die in der Studie analysierte Frankfurter Polizei verteidigte sich Mitte Juli gegenüber der „Hessenschau“. Durch mehr Transparenz werde „Gerüchten und Falschbehauptungen der Boden entzogen und damit zugleich einer Eskalation durch Solidarisierungseffekte zugunsten von Störern und Straftätern entgegengetreten“, sagte dort Pressesprecher Alexander Kießling. Die Twitternutzung sei durch das Versammlungs- und Polizeirecht gedeckt.
Studien-Autor Pichl bezeichnet die Aussagen gegenüber der taz als „verwirrend“. Dass etwa das Polizeirecht bei Versammlungen keine Anwendung findet, sei eigentlich ein „Wissen, das Jurastudenten bereits im vierten Semester haben“. Auch decke das Versammlungsrecht nur die Aufzeichnung, nicht aber die Veröffentlichung von Bildern. Zu Tweets, die eine Einschätzung von politischen Protesten enthalten, stellt Pichl klar: „Die Polizei hat keine Kompetenz für Meinungsbeiträge.“
Verpixelung und Persönlichkeitsrechte
Die Frankfurter Polizei bleibt auch nach einer internen Rechtsprüfung bei ihrer Auffassung, dass ihr Twitter-Gebrauch „rechtmäßig“ ist, äußert sich Sprecher Alexander Löhr gegenüber der taz. Selbst wenn Personen durch „Hinweise auf Gefahrenlagen beziehungsweise Straftaten“ von der Teilnahme an Versammlungen abgehalten würden, „ist dies letztlich die Folge eigenverantwortlicher Entscheidungen dieser Personen“. Um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten zu verhindern, setze man „eine Software zur Verpixelung ein“.
Pichls Eindruck, dass die Social-Media-Abteilung der Polizei seit Bekanntwerden der Kritik „sehr zurückhaltend geworden ist“ und kaum noch problematische Tweets abgesendet habe, hält Löhr entgegen: „An unserer Strategie hat sich nichts geändert. Aber wir haben seitdem keine entsprechenden Einsatzlagen mehr gehabt.“
Ein problematischer Tweet findet sich dennoch. Eine Demo, in der das Blockupy-Bündnis seine Solidarität mit dem griechischen „Nein“ zum Ausdruck brachte, war der Frankfurter Polizei ein Lob wert: “#Oxi #Frankfurt Eine absolut friedliche #Demo – finden wir top!“ Eine gerichtliche Klärung, was die Polizei bei Twitter darf und was nicht, steht aus.
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