piwik no script img

Was die Polizei twittern darfStraftaten werden suggeriert

Juristen melden verfassungsrechtliche Bedenken an, ob die Polizei twittern darf, wie sie Demonstranten bewertet. Die Polizei verteidigt ihre Strategie.

Eine berechtigte Forderung auf der Demo anläßlich der EZB-Eröffnung am 18. März in Frankfurt am Main. Foto: dpa

Berlin taz | Für einen Moment scheint die Demo der G-7-Gegner in Garmisch-Partenkirchen außer Kontrolle zu geraten. Polizisten attackieren die ersten Reihen, Pfefferspraynebel steigt auf. Die Situation ist unübersichtlich. Im Netz lässt die Erklärung der zuständigen Polizeidirektion Oberbayern Süd nicht lang auf sich warten.

Auf Twitter schreibt sie: “Polizisten mit Fahnenstange angegriffen und mit benzingefüllter Flasche beworfen. Deshalb Pfefferspray- und Schlagstockeinsatz.“ Umgehend findet sich der Tweet im Liveticker von Focus Online wieder, später auch in Artikeln von FAZ und Bayernkurier.

Weniger Verbreitung findet dann die Berichtigung, die am Abend von der Polizei getwittert wird: “Positiv ist aber, dass sich herausgestellt hat, dass die Flüssigkeit in den geworfenen Flaschen doch nicht brennbar war.“

In einem Beitrag, der im September in der Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland erscheint, melden die Frankfurter RechtswissenschaftlerInnen Jana Gawlas, Maximilian Pichl und Cara Röhner verfassungsrechtliche Bedenken an derlei Tweets an.

Es sei nicht zulässig, „ohne gesicherte Tatsachenbasis eine Begehung von Straftaten durch Demonstranten zu suggerieren“. Dies widerspreche dem Auftrag an staatliche Behörden, sachlich und wahrheitsgemäß zu berichten, und stelle wegen des Abschreckungseffekts überdies einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar.

Fotos mit erkennbaren Personen

Als problematisch benennen die AutorInnen auch andere Arten von Tweets. Solche, die „Fotos mit erkennbaren Personen, die an der Versammlung teilnehmen“, enthalten, sowie Mitteilungen „die eine Einteilung in politisch zulässigen und unzulässigen Protest vornehmen“. Bei den Blockupy-Protesten im März in Frankfurt etwa twitterte die Polizei Fotos dunkel gekleideter Demonstranten und schrieb: “Trotz der gezeigten Bilder sind unter den 15.000 größtenteils ‚bunte‘ Teilnehmer. Was uns freut.“

Die in der Studie analysierte Frankfurter Polizei verteidigte sich Mitte Juli gegenüber der „Hessenschau“. Durch mehr Transparenz werde „Gerüchten und Falschbehauptungen der Boden entzogen und damit zugleich einer Eskalation durch Solidarisierungseffekte zugunsten von Störern und Straftätern entgegengetreten“, sagte dort Pressesprecher Alexander Kießling. Die Twitternutzung sei durch das Versammlungs- und Polizeirecht gedeckt.

Studien-Autor Pichl bezeichnet die Aussagen gegenüber der taz als „verwirrend“. Dass etwa das Polizeirecht bei Versammlungen keine Anwendung findet, sei eigentlich ein „Wissen, das Jurastudenten bereits im vierten Semester haben“. Auch decke das Versammlungsrecht nur die Aufzeichnung, nicht aber die Veröffentlichung von Bildern. Zu Tweets, die eine Einschätzung von politischen Protesten enthalten, stellt Pichl klar: „Die Polizei hat keine Kompetenz für Meinungsbeiträge.“

Verpixelung und Persönlichkeitsrechte

Die Frankfurter Polizei bleibt auch nach einer internen Rechtsprüfung bei ihrer Auffassung, dass ihr Twitter-Gebrauch „rechtmäßig“ ist, äußert sich Sprecher Alexander Löhr gegenüber der taz. Selbst wenn Personen durch „Hinweise auf Gefahrenlagen beziehungsweise Straftaten“ von der Teilnahme an Versammlungen abgehalten würden, „ist dies letztlich die Folge eigenverantwortlicher Entscheidungen dieser Personen“. Um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten zu verhindern, setze man „eine Software zur Verpixelung ein“.

Pichls Eindruck, dass die Social-Media-Abteilung der Polizei seit Bekanntwerden der Kritik „sehr zurückhaltend geworden ist“ und kaum noch problematische Tweets abgesendet habe, hält Löhr entgegen: „An unserer Strategie hat sich nichts geändert. Aber wir haben seitdem keine entsprechenden Einsatzlagen mehr gehabt.“

Ein problematischer Tweet findet sich dennoch. Eine Demo, in der das Blockupy-Bündnis seine Solidarität mit dem griechischen „Nein“ zum Ausdruck brachte, war der Frankfurter Polizei ein Lob wert: “#Oxi #Frankfurt Eine absolut friedliche #Demo – finden wir top!“ Eine gerichtliche Klärung, was die Polizei bei Twitter darf und was nicht, steht aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Neutralität - gibt es das? Wörtlich heißt "neutral": Keines von Beiden. Also: Nichts. Die Ideologie vom neutralen Staat könnte ein Hirngespinst von Leuten sein, die ihre eigene Ideologie einschleusen oder festzurren wollen.

     

    Polizisten sind Menschen, also dürfen sie reden, auch im Beruf. Knebelung ist inhuman, so wie viele Paragraphen ohne Lebensbezug sind.

  • #Polizei #Humor #tierischgut Bullen lernen schreiben. Das mit den ganzen Sätzen üben wir noch, haha. Alphatelefon, dein Freund und Helfer.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Als Vollzugsorgan der ausführenden Gewalt sollte man der Polizei Sozialmarketing gesetzlich untersagen. Es kann doch nicht sein, dass man die öffentliche Meinung gerade dort versucht zu beeinflussen, wo sich diese überhaupt erst einmal Gehör zu schaffen versucht.

  • Ob die Lügen via Twitter oder via öffentlich-rechtlichem Fernverblöden verbreitet werden, ist nebensächlich. Ich sag nur "Stuttgarter Pflastersteine".

     

    Die Frage ist: Wo bleiben die Konsequenzen, wenn solche Art Volksverhetzung betrieben wird?

  • Und welche Konsequenzen gibt es nun, wenn die Polizei offenbar gegen die Verfassung verstößt? Wurde schon Strafanzeige gestellt?

    • @tazzy:

      Nana - Range is beschäftigt - *

      chillhim out - …¿!

      Mit Abhängen - …

      Der Bilder im Dienstzimmer;) - wie¿

      ok - aber abseh-> Richtung Bar!

       

      Maasileinchen mach hinne…!

      Son pipiBächlein - …im Vorratspeicher

      Na das doch - müßte doch …

      Gellewelle!

       

      *außerdem müßte BlindieHans-Georg noch Anzeige erstatten & der hat

      FrozenThomas noch nicht gefragt - s.o.!

      Ok - das - ist jetzt wirklich geträumt!

      Wolkenkuckungsheim=GauckJauchtown

  • Korrekt - die machen einen rechtlich notwendigen

    &guten Job - Saubere Arbeit - ja

     

    &die Bullerei -????

    "…Durch mehr Transparenz werde „Gerüchten und Falschbehauptungen der Boden entzogen…"

    Blinde Hessen halt - wie nämlich -

    Falschmeldungen - HalbwieUnwahrheiten

    Transparenz schaffen…¿

    wird wird ein gern GesetzeGehütertes

    Geheimnis blaabe!

    Hessenschau - eben;

    wie in Bayeen - &anderwo halt - aaach!

     

    Die solle den Babbel halde -

    Da sind die doch schon voll mit

    aasegelastet.

     

    Dere Pressespreche babbele scho -

    unne wie de maaste - gell littleFassonCutSteffen -

    aals wigger - Schmonzes vom Faanste!

    Dess raacht allemaal - aber Hallo! - ok -&

     

    Aals wie? - Asch hinne - vonne Knie?! naachFfm!

    Daraaf - nen Guuden!