Fliegendes Spaghettimonster vs. GEZ: Eine Gottheit al dente
Die staatsreligiöse Relevanz des „Spaghettimonsters“ wird derzeit vor deutschen Gerichten verhandelt. Gegen den Rundfunkbeitrag kam es nicht an.
Es gibt ein paar Dinge, an denen man in Deutschland nicht vorbeikommt. Das Finanzamt gehört dazu, die Rundfunkgebühren – und die Kirchen, die seit der Säkularisierung im 16. und 19. Jahrhundert zahlreiche Privilegien genießen.
Im Vergleich zu Frankreich etwa ist die Bundesrepublik ein Gottesstaat, schließlich treibt sie mit Hilfe ihrer Institutionen sogar die Kirchensteuer ein. Genau in diese Missstände, die fehlende Trennung von Staat und Kirche, grätscht nun immer öfter eine Gottheit, die eigentlich in den USA erfunden wurde, um gegen den aberwitzigen Vormarsch der Kreationisten Stellung zu beziehen: das fliegende Spaghettimonster.
Diese 2005 von dem amerikanischen Physiker Bobby Henderson in die Welt gebrachte Religionsparodie – die Welt sei eben nicht von einem intelligenten Designer namens Gott, sondern von dem fliegenden Spaghettimonster gestaltet worden – inspiriert nun verstärkt deutsche Agnostiker und Laizisten, die zwar weniger mit Kreationisten ringen, dafür aber mit der eigentlich ebenso absurden Verquickung von Staat und Kirche.
Ausgerechnet in Bayern etwa liegt gerade der Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit (BfG) im Clinch mit der Gebührenabteilung des Bayerischen Rundfunks, und zwar vor dem Verwaltungsgericht München. Dies wies allerdings seine Klage am Mittwochnachmittag ab.
Bei Religion hört der Spaß auf
Der Hintergrund: Michael Wladarsch hatte vor zwei Jahren sein Büro mithilfe von Nudelwasser dem „Fliegenden Spaghettimonster“ geweiht und beansprucht seitdem einen Erlass der Rundfunkgebühren. Schließlich sieht der Rundfunkstaatsvertrag vor, dass für Betriebsstätten, die gottesdienstlichen Zwecken dienen, keine Rundfunkgebühr zu entrichten sei. Der BR wiederum glaubt nicht an die Weihewirkung von Nudelwasser und besteht auf einem „religionstypischen Widmungsakt“.
Das klingt zwar sehr komisch, ist es aber in der Realität nicht. Denn bei Religion hört der Spaß auf, stattdessen werden die Gerichte bemüht. So schaffte es das „Fliegende Spaghettimonster“ auch bis in die Gefilde der brandenburgischen Justiz. Die „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters“ hat gerade das Land verklagt, dieses Mal geht es um Schilder in der Ortschaft Templin.
Der Hintergrund: Ende letzten Jahres hat die Monster-Gemeinde Schilder aufgehängt, die auf deren wöchentliche „Nudelmesse“ aufmerksam machen sollten – ausgerechnet an jenem Mast, an dem auch die Schilder der beiden Großkirchen mit ihren Messen angeschlagen stehen. Die ließen sich das keineswegs gefallen und es gab einen Heidenärger, mittlerweile haben die Schilder bis zur Beendigung des Rechtstreits „Asyl“ an anderweitigen Masten der Stadt Templin, der Bürgermeister (Linke) hatte dafür gesorgt.
Die brandenburgische Landesregierung verzieht jedoch keine Miene und beharrt in Gestalt von Kulturministerin Sabine Kunst (SPD) auf der Position, dass es sich bei der „Spaghettimonster-Kirche“ nicht um eine Kirche, sondern um eine Religionsparodie „ohne ernsthafte religiöse Substanz“ handele.
Gegenaufklärung
Das Spaghettimonster wird nun also durch die Mühlen des deutschen Rechtsstaates gedreht, mit ungewissem Schicksal. Man mag sich natürlich kaum ausmalen, welchen Effekt ein Auftritt von FSM (“Flying Spaghetti Monster“) im Islamic State auslösen würde, womöglich gäbe es am Ende Tote.
Allerdings muss man gar nicht so weit gehen, um zu begreifen, welch tiefer Ernst sich unter dieser göttlich-komischen Pasta-Provokation verbirgt. Das „Spaghetti-Monster“ kann zum Beispiel als Indikator für die bedrückend selbstgerechte Humorlosigkeit mancher Gläubiger gelesen werden, deren „verletzte religiöse Gefühle“ gerne auch mal mehr wiegen sollen als das Lebensglück anderer, etwa Homosexueller.
Besorgniserregend ist es eigentlich auch, wenn es eines glubschäugigen Nudelmonsters bedarf, um die Gegenaufklärung in Schach zu halten – oder die moderne und zeitgemäße Trennung von Staat und Kirche in Europa voranzutreiben. Doch mag auch dies dem „Fliegenden Spaghettimonster“ gerade noch gelingen – gegen die deutsche Rundfunkgebührenverordnung kommt es nicht an.
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