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Rechte Karte mit FlüchtlingsunterkünftenWie eine Anleitung zur Gewalt

Auf einer Karte listet die rechtsextreme Partei „Der dritte Weg“ deutsche Flüchtlingsunterkünfte auf. Google lässt sich Zeit mit der Prüfung.

Ein Ausschnitt der besagten Karte – ohne Kartenansicht Screenshot: MyMaps

Es sieht nach Hetzjagd aus. Unter dem Stichwort „Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft“ findet sich eine mit Google MyMaps erstellte Karte, die sämtliche Flüchtlingsheime in Deutschland enthält.

Für jede Unterkunft gibt es eine rote Markierung und mit einem Klick erfährt man nicht nur die genaue Adresse, sondern auch die ehemalige Nutzung des Gebäudes und die Anzahl der dort untergebrachten Flüchtlinge. Sogar einzelne Wohnungen, die für Asylsuchende angemietet wurde, sind auf der Karte vermerkt. „Bitte teilen Sie uns weitere Standorte von Asylantenheimen mit“, heißt es in der Beschreibung. „Nur mit Ihrer Hilfe kann es gelingen flächendeckend möglichst viele Asylantenheime zu erfassen.“

Tröglitz, Freital, Meißen – nahezu im Wochentakt werden Flüchtlingsheime zur Zielscheibe rechter Gewalt. Und nun taucht – fast wie eine Anleitung für orientierungslose Nachahmungstäter – diese interaktive Karte auf.

Auf Twitter und Facebook hagelt es entsetzte Posts und Aufforderungen, die Karte zu melden. „Für rechte Anschläge gibt es jetzt einen Tourismusführer“, twittert ein Nutzer. Und „Der Volksmob kartiert Flüchtlingsheime“, schreibt die Autonome Antifa Stuttgart. Der Aufschrei im Netz läuft schon seit mehreren Tagen. Die Karte von und für Rechtsradikale aber ist noch immer an Ort und Stelle und mit wenigen Klicks erreichbar.

Kackscheiße abschalten

Viel Unverständnis der Internet-Gemeinschaft wendet sich nun gegen Google. „Hättet ihr wohl die Güte die Kackscheiße abzuschalten“, oder „Hey Google, hier machen Nazis Stimmung mit Googlemaps. Kann man das nicht löschen?“, schreiben die Twitternutzer. Google hält sich vorerst bedeckt und verspricht die Vorwürfe zu prüfen.

„MyMaps ist eine neutrale Plattform, die man zum Veröffentlichen von geografischen Informationen nutzen kann. Wir werden selbstverständlich jede Karte entfernen, die gegen unsere Richtlinien verstößt und überprüfen derzeit, ob das hier der Fall ist.“ sagt Sprecherin Lena Heuermann. Ob Hetze und Aufrufe gegen Flüchtlinge gegen sie Richtlinien des Konzerns verstoßen, muss also erst geklärt werden.

Die Karte ist Teil der Kampagne „Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft“, hinter der die rechtsextremistische Partei „Der dritte Weg“ steht. Auf ihrer Seite wird nicht nur die Karte bei MyMap beworben, sondern auch ein Leitfaden zur Kampagne angeboten, der beschreibt, wie „die Errichtung eines Asylantenheims verhindert“ werden kann.

Auf der Internetseite wird auch deutlich, dass die Karte schon seit mehr als sieben Monaten online ist. Eigentlich hätte Google also genug Zeit gehabt, zu überlegen, ob es rechte Inhalte dulden will.

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2 Kommentare

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  • Ohweh! Jetzt brauche ich mal eine ideologische Orientierungshilfe. Es gibt also rechte und linke Ortsinformationen. Die Autorin legt am Ende nahe, dass Gogle Ortsinformationen mit "rechten Inhalten" blockieren sollte. Dann dürfte es also nur noch politisch neutrale oder linke Ortsangaben auf Google geben. Aber die taz hat vor ein paar Tagen über die Lage einer Flüchtlingsunterkunft im Teutoburger Wald informiert: http://www.taz.de/Erstaufnahme-in-Jugendherberge/!5209946/ War das nun eine linke, also politisch korrekte Ortsangabe? Oder hat sich da ein subversives Element aus der rechten Szene in die taz eingeschlichen? Die linke Szene in Leipzig attackiert gerne Polizeiwachen. Allein auf die Wache in Connewitz wurden 16 Anschläge seit Februar 2014 verübt. Soll man also eine "linke" Google-Karte mit Polizeiwachen erlauben oder nicht? Was wäre eine Karte mit Synagogen in Deutschland: antisemitisch oder anti-antisemitisch? Wäre eine Karte mit Abtreibungskliniken ein feministischer Service oder eine frauenfeindliche Attentatsdrohung? Da hilft nur eine ganz gründliche Gesinnungs-Prüfung. Ein Fall für Brüssel! Wir brauchen dringend eine EUPRÜFO (Europäische Prüf-Richtlinie zur Überwachung und Filterung von Ortsangaben).

  • Solange diese Kampagne nicht zu Gewalt aufruft kann und sollte, wie ich finde, man da nichts machen. Ich sehe es sehr kritisch wenn an sich neutrale Informationen gelöscht werden sollen, weil einen die Couleur der Leute, die diese Informationen zusammengetragen hat, stört. Wenn Leute aus welchen irrationalen Beweggründen auch immer Probleme mit Asylunterkünften haben, heißt das doch nicht, dass sie sich nicht darüber informieren und austauschen dürfen. Im Gegenteil könnte dem/der Ein oder Anderen etwas mehr Information gut tun. Obskurität jedenfalls scheint mehr eher hinderlich um Ausländerfeindlichkeit zu begegnen und Leute die Brände legen gibt es vor Ort sowieso, die werden sich kaum der Karte bedienen um im eigenen Ort die Asylunterkunft, über das sich jeder das Maul zerreißt zu finden.