Umstrittene Demo-Parole in Berlin: Drastischer Zugriff
Ist „Deutschland, du mieses Stück Scheiße“ eine zulässige Äußerung? Nach einer Griechenland-Solidemo ermittelt die Polizei gegen 21 Personen.
Noch am Auftaktort, dem Kreuzberger Oranienplatz, habe die Polizei das Transparent beschlagnahmt und einen Kessel um alle gebildet, die sich in der Nähe aufhielten, berichtet ein Aktivist aus dem Vorbereitungskreis der Demonstration. Als Grund hätten die Beamten wörtlich „Beleidigung von Deutschland“ angegeben. Über zwei Stunden habe das Aufnehmen der Personalien gedauert, in dieser Zeit habe die Demonstration nicht beginnen können.
Wer „die Bundesrepublik Deutschland beschimpft oder böswillig verächtlich macht“, kann laut Strafgesetzbuch mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden. Dass DemonstrantInnen aufgrund dieses Paragrafen in Gewahrsam genommen werden, ist in Berlin allerdings unüblich „In meiner langjährigen Tätigkeit habe ich das noch nie erlebt“, sagt der Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräff, der am Freitag vor Ort mit der Polizei verhandelte. Der Vorwurf sei auch in diesem Fall nicht haltbar: „Diese Aufschrift steht hier klar im Kontext eines Meinungskampfes, in dem man sehr wohl auch zu drastischen Äußerungen greifen darf“, so Klinggräff.
Nachdem das Transparent beschlagnahmt wurde, druckten DemonstrantInnen die strittige Parole in einem nahe gelegenen Copy-Shop aus und stellten sich mit den Plakaten vor die Polizei. „Diese spontane Solidarität hat uns sehr gefreut“, sagt Marlies Sommer, Sprecherin der Gruppe TOP.
Sie seien „sehr optimistisch, dass diese absurde Maßnahme keinen Bestand hat“, sagt Sommer. Alle Betroffenen seien eingeladen, sich zu melden, um ein gemeinsames Vorgehen zu koordinieren. Aus ihrer Sicht ist das Verhalten der Polizei bezeichnend für die aktuelle Debatte: „Während deutsche Politiker glauben, sich als neue europäische Supermacht aufspielen und die Menschen in Griechenland nach Lust und Laune beleidigen und herab würdigen zu können, reagiert der deutsche Staat auf jede Kritik äußerst empfindlich.“
taz-Kommentar zum Thema: Ein Staat muss Kritik aushalten
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