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ÖPP in der InfrastrukturDobrindt ignoriert Kritik und Fakten

Der Verkehrsminister startet zehn neue ÖPP-Projekte. Die Warnung des Bundesrechnungshofs vor höheren Kosten weist er zurück.

Die Steuerzahler auf der Schippe – Dobrindt (3.v.l.) und Kollegen beim Spatenstich für den Ausbau der A6 im April. Foto: dpa

Ungeachtet aller Kritik setzt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) beim Fernstraßenbau weiter auf Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP). Zehn neue Projekte mit einem Gesamtvolumen von 14 Milliarden Euro sollen in den nächsten Jahren realisiert werden, sagte er am Dienstag bei einer Tagung in Berlin.

Neben der Erweiterung von acht Autobahnabschnitten sollen erstmals auch zwei Bundesstraßen mit privaten Geldern erneuert werden. Für das erste Projekt auf den Autobahnen 10 und 24 soll bereits in den nächsten Tagen das Vergabeverfahren gestartet werden. Der Baubeginn ist für 2017 geplant.

„Eine Erfolgsgeschichte“

Bei ÖPP-Projekten finanziert ein privater Investor den Ausbau einer Fernstraße. Im Gegenzug erhält er vom Bund neben einer Anschubfinanzierung über einen Zeitraum von 30 Jahren eine Vergütung, die von der Nutzung der Straße abhängt. In Zukunft sollen sich auch institutionelle Anleger wie Versicherungen über Anleihen einbringen können. „Mit ÖPP bauen wir wirtschaftlicher“, sagte Dobrindt. Die bisherigen Projekte seien „eine Erfolgsgeschichte“.

Damit stellt sich der Verkehrsminister gegen den Bundesrechnungshof, der festgestellt hatte, dass alle bisherigen ÖPP-Projekte für den Steuerzahler deutlich teurer waren, als die gleichen Baumaßnahmen mit herkömmlicher Finanzierung gewesen wären. Dies stellte Dobrindt offensiv in Frage. „Ich teile die Einschätzung des Bundesrechnungshofes nicht“, sagte er. Dessen negative Ergebnisse lägen daran, dass er nicht den „gesamten Lebenszyklus“ der Straße betrachte.

Der Bundesrechnungshof wies Dobrindts Kritik auf taz-Anfrage zurück. „Bei Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zu ÖPP-Projekten werden die Kosten und der Nutzen der ÖPP-Variante den Kosten und Nutzen der konventionellen Variante über die gesamte Vertragslaufzeit gegenübergestellt“, teilte eine Sprecherin mit.

In einem Gutachten hatte der Präsident des Rechnungshofs seinerseits die Berechnungen des Verkehrsministeriums kritisiert. Diese seien in vielen Punkten „methodisch fehlerhaft“ und stellten die ÖPP-Varianten regelmäßig als „zu positiv“ dar.

Als zentrales Argument für die neuen ÖPP-Projekte nannte Dobrindt zudem, dass ohne dieses Instrument gar nicht gebaut werden könnte. „Die Alternative heißt Stau auf unseren Straßen.“ Dies stieß beim privatisierungskritischen Bündnis „Gemeingut in Bürgerhand“ auf Widerspruch. „Stauvermeidung ist in der Tat ein wichtiges Ziel“, sagte Sprecher Carl Waßmuith. „Aber ÖPP als die teuerste Variante von Straßenbau und -betrieb lässt sich damit nicht begründen.“

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3 Kommentare

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  • „Ich teile die Einschätzung des Bundesrechnungshofes nicht“, sagte er. So, so.

     

    Nun kann es allerdings keinem denkenden Menschen schwerfallen, zwischen den Experten des BRH und dem Generalsekretär Dobrindt ein erhebliches Gefälle an Fachkompetenz festzustellen. Richtig dreist ist aber das "Argument", das er den ÖPP-Lobbyisten beflissen nachplappert, dass "ohne dieses Instrument gar nicht gebaut werden könnte". Mag ja sein, dass unsere populistischen Schwarze-Null-Anbeter sich inzwischen in die Situation manövriert haben, dass Investitionen nicht mehr über Teile der Nutzungszeit finanziert werden dürfen (die Finanzierung über ÖPP ist allerdings auch nichts anderes, nur viel teurer). Dann müsste man die Rechtsgrundlagen schleunigst ändern.

     

    Politiker, die so dreist und verlogen Steuermittel in die Taschen privater "Investoren" umleiten, gehören eigentlich hinter Gitter...

    • @Bitbändiger:

      ..einfacher wäre es allemal, sie nicht mehr zu wählen. Das wäre allerdings der erheblich langsamere Weg, während dessen noch eine Menge von solchen "Fachleuten" angerichtet werden könnte.

       

      Wie sagte Julia Klöckner, Merkels Freundin völlig überzeugt kürzlich, dass es für die Kanzlerin oberste Priorität habe, der nächsten Generation eine schuldenfreie Zukunft mit auf den Weg zu geben? - Als Begründung für Sparmaßnahmen, die genau diese Generation noch teuer zu stehen kommen dürften. Schäuble wird zufrieden sein, aber nur er. Und Dobrindt hat damit wieder Argumente, die er braucht, wenn es sein muss sogar gegen den Bundesrechnungshof, gegen jede Vernunft und gegen jeden Fach- und Sachverstand.

       

      Toll!

  • Mal kurz unter den Teppich gucken:

    "Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bringen eine Neue Generation von ÖPP-Projekten auf den Weg."

    lese ich in der Pressemitteilung des Bundesfinanzministeriums: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2015/04/2015-04-30-PM17.html

     

    Der große Startschuss in die umfassende Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen wurde vollzogen. Schulen und Gefängnisse dürften bald den Autobahnen folgen.

    Die finanzielle Belastung für uns alle in 10, 20, 30 Jahren dürfte unsere heutige Vorstellungskraft sprengen.