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Fehler bei NSU-ErmittlungenSie hätten nur hinhören müssen

13 Jahre lang ließen Polizei und Geheimdienste die NSU-Terroristen rauben und morden - das größte Staatsversagen in der BRD-Geschichte.

NSU-Nagelbombenanschlag in Köln. Bild: dpa

BERLIN taz | Sie kamen einfach nicht mehr runter von ihrer fixen Idee: Irgendeine kriminelle Bande müsse doch hinter der Mordserie an neun Migranten stecken. Drogen, Rotlicht, Schutzgeld, Ausländermafia. Doch so sehr die Polizisten von der Sonderkommission „Halbmond“, die später in „Bosporus“ umbenannt wurde, auch wühlten, sie kamen nicht weiter – weil es nichts zum Weiterkommen gab. Nicht in diese Richtung.

Zwischen August 2005 und April 2007 schleuste die Polizei sogar verdeckte Ermittler in das Umfeld der Opferfamilien ein, getarnt als türkische Privatdetektive im Auftrag einer ominösen ausländischen Organisation. Die Undercover-Polizisten pirschten sich an die Witwen der Mordopfer ran oder sprachen, wie im Fall des am 9. September 2000 in Nürnberg ermordeten Enver Simsek, Verwandte in Moscheen an. Auch in türkischen Cafés und Geschäften in der Nachbarschaft der Ermordeten hörten sie sich um.

Doch selbst auf diesem Irrweg hätten die Ermittler der Wahrheit näher kommen können – wenn sie den Leuten nur zugehört hätten.

In der Dortmunder Nordstadt, wo am 4. April 2006 Mehmet Kubasik in seinem Kiosk ermordet worden war, sagte ihnen ein Call-Shop-Betreiber: Die Taten hätten sicher nichts mit einer türkischen Mafia zu tun, sondern mit Neonazis. „Der Mörder will damit erreichen, dass die in Deutschland lebenden Türken verunsichert werden und Deutschland verlassen“, wird der Mann in geheimen Akten über die verdeckte Operation wiedergegeben. Ähnliches war auch in einem türkischen Café zu hören: „Alle sind sich einig, dass die Morde einen rechtsextremen Hintergrund haben. Die Täter müssen Deutsche sein.“

Erst im November 2011 stellte sich heraus, wie recht sie hatten.

10 Tote, über 20 Verletzte

Mehr als zehn Jahre konnten die rechtsextremen Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) raubend und mordend durch Deutschland ziehen. Zehn Menschen erschossen sie und verletzten bei Bombenanschlägen mehr als 20 weitere – ohne dass sie jemand stoppte.

Ein Jahr danach

Elf Jahre nach ihrem ersten Mord flog die rechtsextreme Terrorzelle NSU im Herbst 2011 auf. Bei der taz-Veranstaltung „Brauner Terror – Ein Jahr Zwickau, Zwanzig Jahre Mölln und Lichtenhagen“ am Donnerstag 1. November diskutieren Betroffene, Zeitzeugen und Politiker über das beispiellose Staatsversagen. Hier im Livestream verfolgen.

Am Freitag, 2. November, erscheint die taz mit einem sechseitigem Dossier zur NSU. Mit Analysen, Reportagen und Stimmen der Opferangehörigen. Am Kiosk, eKiosk oder im Abo.

Es ist das größte Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden in der Geschichte der Bundesrepublik. Von „unserem 11. September“ hat Generalbundesanwalt Harald Range gesprochen. Vier Untersuchungsausschüsse in Berlin, Erfurt, Dresden und München befassen sich inzwischen mit dem Debakel. Woche für Woche wird dort immer deutlicher: So wie bisher können die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern, können Polizei, Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaften nicht weitermachen.

„Diese Mordserie stellt die Strukturen des Staates grundlegend in Frage“, sagt Rechtsanwalt Yavuz Narin, der die Familie des am 15. Juni 2005 in München ermordeten Theodoros Boulgarides vertritt. Mehrere Male hätten die Ermittler die Chance gehabt, den Tätern auf die Schliche zu kommen. Spät, aber immerhin, vermutete 2006 ein bayerischer Polizeiprofiler, dass die Täter aus der rechten Szene stammen und aus dem Motiv Fremdenhass heraus morden könnten.

Doch die Spur nach rechts wurde völlig uninspiriert verfolgt. Und nur wenige Monate später behauptete ein weiteres Fallanalytiker-Team aus Baden-Württemberg: Hinter den Taten stecke eine kriminelle Bande aus Südosteuropa mit einem archaischen Ehrenkodex. Man war wieder ganz auf Linie.

Das noch größere Versagen scheint sich aber in Thüringen abgespielt zu haben. Dort tauchten die drei militanten Jenaer Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe im Januar 1998 unter. Und obwohl sich das spätere NSU-Trio kaum 100 Kilometer entfernt in Sachsen mit Hilfe altbekannter Neonazis versteckte – erst in Chemnitz, dann in Zwickau –, gelang es den Zielfahndern des Landeskriminalamts nicht, sie zu finden.

Geheimdienst vs. Polizei

Dabei hatte der Thüringer Verfassungsschutz in ihrem direkten Helferumfeld einen V-Mann. Es gab mehrere Hinweise, dass die drei Abgetauchten sich Waffen beschaffen und Überfälle begehen könnten – die Geheimdienstler behielten sie für sich. Der Verfassungsschutz des Landes habe „die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bei der Suche nach dem Trio massiv beeinträchtigt“, heißt es in dem im Mai veröffentlichten ersten Bericht über das NSU-Versagen („Schäfer-Bericht“).

Das Amt war keine Sicherheitsbehörde, sondern eine Unsicherheitsbehörde.

Doch nicht nur die Thüringer Behörden, sondern auch andere Verfassungsschutzämter und Polizeistellen hatten Spitzel im Umfeld des NSU – und bekamen dennoch nichts mit. Vor Kurzem haben die Ermittler eine geheime Liste mit den 100 „relevanten Personen“ um Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe erstellt. Auf ihr stehen nach taz-Informationen fünf V-Leute von Bund und Ländern, darunter der Mann, der dem späteren NSU-Trio vor dessen Abtauchen Sprengstoff beschaffte und von 2000 bis 2011 für das Berliner Landeskriminalamt als Informant diente.

Vier Geheimdienstchefs sind seit Auffliegen des NSU zurückgetreten. Heinz Fromm, langjähriger Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, sprach, als er im Juli hinwarf, angesichts des Debakels von einer „schweren Niederlage für die deutschen Sicherheitsbehörden“. Es sei schwierig, das Vertrauen wiederherzustellen – „wenn es überhaupt geht“, fügte der Exverfassungschef hinzu.

Fast wöchentlich sind in den Monaten seit Auffliegen des NSU neue Details aufgetaucht, die selbst konservative Innenpolitiker an der Arbeit der Sicherheitsbehörden zweifeln lassen. „Es gab mehrere schwere Ermittlungsfehler“, sagt der CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss, Clemens Binninger, der früher selbst Polizeibeamter in Baden-Württemberg war. „Das muss man so klar sagen.“

V-Männer in Dönerbuden

Und dann gibt es noch die Kategorie „Unglaublich, aber wahr“. In Hamburg heuerte die Polizei einen Geisterbeschwörer an, der behauptete, mit dem NSU-Opfer Süleyman Tasköprü im Jenseits in Kontakt zu stehen.

In Nürnberg und München ließen die Ermittler von V-Leuten zum Schein Dönerbuden betreiben. Das Ziel laut geheimer Einsatzakten: „Erkennen von kriminellen Strukturen bei Kleingewerbetreibenden“ im „Türkenmilieu“. Die atemberaubende Idee: Wenn der Betreiber des Fake-Imbisses seine Rechnungen nicht bezahlt, könnte das eine hinter den Taten vermutete Mafia herausfordern, die dann womöglich ihre Killer schickt.

Doch selbst mit dieser Ermittlungsmethode aus einem schlechten „Tatort“-Krimi bekam die Polizei einen Hinweis, der sie in die richtige Richtung hätte führen können.

Denn im Herbst 2006 tauchte an der Undercover-Dönerbude in der Münchner Innenstadt ein Rechtsextremer auf. „Die Türken gehören raus“, pöbelte er los und zeigte auf ein am Imbiss angebrachtes Fahndungsplakat zur Mordserie an den neun Migranten. Wenn man die Türken nicht vertreiben könne, müssten sie „halt so heimgeschickt werden“ – als Leichen.

Man hätte nur hinhören müssen.

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24 Kommentare

 / 
  • P
    PresseWolf

    Anhand der Morde, aber auch anhand der Vorgehensweise der Behörden, lässt sich gut ablesen, was geschieht, wenn kulturelle Traumata wie zum Beispeil der Nationalsozialismus, das dritte Reich, Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit nie richtig aufgearbeitet wurden, sondern nur "von oben" verordnet wurden: die passende Mentalität kann weiterhin seine Blüten treiben, bis in höchste Stellen. Der Schaden, den die SED in dieser Beziehung angerichtet hat, wurde im Westen durch die Verdrängungsmentalität verbreitet. Im Osten wird daher der Hass daher eher offen, im Westen scheinbar harmlos unter vorgehaltener Hand gezeigt. Dass auch die Behörden einen Tunnelblick pflegte ist da kaum verwunderlich. Eine Umstrukturierung der Sicherheitsorgane ist nur ein herumdoktern an den Symptomen; wichtiger ist, in die Schulen und die Behörden, vor allem in den Sicherheitsbehörden eine neue Mentalität zu fördern, weg vom Punkte sammeln für die Beförderung, hin zu mehr Bürgernähe Verständnis anderer Mentalitäten und vor allem der Integration von Migranten und deren Verwandten in Behörden.

  • G
    Gast

    Rassisten in deutschen Sicherheitsbehörden? Was ist denn daran neu?

  • H
    Hussein

    Vielleicht wußte der Staat die ganze Zeit, was passierte und schob bewusst eine unhaltbare Geschichte (Mafia/OK) vor, um zu verhindern, dass rauskommt, wie Neonazis Angst und Schrecken verbreiten konnten? (Und in welcher Verbindung diese Szene mit dem Staat stand)

     

    Der Anschlag in Köln z.B. war klar rechtsextrem - alles andere war schlicht Unsinn. Die Luden-Araber-Gruppe hat vorher keine einzige Bombe gezündet, deren Konflikte lagen ganz woanders. Das wußten auch alle Polizisten in Köln. Die kannten die meisten von ihnen sogar ganz gut. Dennoch wurde genau diese Idee zur Leitlinie der Ermittlungen. Bomben sind meist ein politisches Statement und sie sind spektakulär - weil man sie nicht ignorieren kann. Das steht in jedem Buch über Terrorismus. Wer jemanden leise ermorden will, der vergiftet ihn oder sie.

     

    Diese Kölner Bombe und die nachfolgenden Ermittlungen zeigen für mich, dass die Polizei auf eine falsche Fährte mit Absicht gesetzt wurde. Und so was fällt nicht vom Himmel - die Ermittlungen zur Bombe waren durch die Bank ergebnislos. Weder Araber, Kurden, Mafia oder Luden oder sonstwer: Es konnte diese Spur nie erhärtet oder verdichtet werden. Dennoch blieb man dabei. Was die Polizei damals aus dem Verfassungsschutz und von deren Zentrale in Köln mitgeteilt bekam, werden wir nie erfahren.

     

    Außer Berlin gibt es in Deutschland keinen anderen Ort, der so voll ist mit Geheimdienstlern wie Köln und dort ging eine Bombe hoch, die man herkömmlichen Kriminellen mit Migrationshintergrund unterstellte?

  • F
    Fritzus

    Ein sehr naiver Artikel - im Nachhinein ist mein immer klüger, das ist nun eine Binse. Traurig, dass solche besserwisserischen Artikel veröffentlicht werden, und auch wenig zielführend. Aber bei der taz arbeiten halt eher Besserwisser denn Journalisten.

  • US
    Ulrich Schmücker

    Es wird wohl wie damals beim Schmücker Prozess

    http://de.wikipedia.org/wiki/Schm%C3%BCcker-Prozess

    laufen, vertuschen und manipulieren im staatlichem Auftrag um jede Aufklärung zu verhindern.

     

    So sieht sie eben aus, die "Gelenkte Demokratie".

  • N
    Noske

    Polizei und Geheimdienst gaben den Auftrag ?

  • C
    chagall1985

    Es ist meist dumm und wenig zielführend im nachhinein zu überprüfen was alles passiert ist, was in die richtige Richtung deutete.

    Denn man würde wahrscheinlich im nachhinein auch vieles finden was in die falsche Rochtung deutete.

    Mich jedenfalls überzeugt nichts von dem im Artikel beschriebenen Anzeichen.

    Was mich überzeugte waren die Lieder rechtextremer Bands die weit vor 2011 diese Bande besungen.

    Wie man die Rechtsextreme Szene beobachten kann ohne zu merken das Lieder über eine terrorzelle gesungen werden die ja irgendwem was sagen müssen.

     

    Das werde ich Nie begreifen!!

  • L
    lui

    ich bin froh dass es eine zeitung wie die taz gibt, die zumindest etwas den finger in die wunde legt und immer wieder ueber rechte gewalt berichtet - was andere medien leider in der vergangenheit kaum getan haben.

  • MH
    Man hätte nur hinhören müssen...

    Moin!

    Liebe taz, ich finde es erschreckend dass Ihr, eigentlich sensibilisiert durch Hamburger Kessel, Frankfurter Strasse & Co. immernoch unreflektiert diese grundverlogene Geschichte verbreitet.

    Hinhören... liebe Leute, es sind doch nicht nur Polizei, Verfassungsschutz, Geheimdienste national und international in der rechten Szene unterwegs - die Antifa ist doch seit spätestens Mitte der Neunziger derart "drin", dass sie jeden Furz aus der Nasziszene genau kennt! Wenn selbst die Antifa nichts von der Geschichte mitbekommen hat die auch noch gegen jegliche Sematik "Terror" genannt wird - dann sollte es so langsam an der Zeit sein, neu Fragen zu stellen! Qui bono und so weiter - wie hat bei Frankfurter Straße und dutzenden anderen Blendfeuern!

  • DK
    Detlev Klein

    Wer braucht den Verfassungsschutz?

    Die NSU ist im direkten Umfel von V-Leuten und unter Beobachtung des Bundesamts und wahrscheinlich dreier oder vierer Landesbehörden entstanden. Aber damit war's ja nicht zu Ende: Die drei konnten über ein Jahrzehnt dem Staat trotzen und waren nach einigen Jahren auch keine Priorität mehr für die Behörden. Selbst ihre Bankraubserie ist bemerkenswert gut verlaufen. Wenn die NSU ein Test für den Staat war, dann sollte man ihn besser nicht wiederholen.

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    Das "geheim" des "Geheimdienstes" geht über alles. Sonst wäre man schutzlos Spinoage, Sabotage und Unterwnderung ausesetzt. Da man im Gegenteil diese drei Dinge MIT dem Geheimdienst MITbetreibt - gibt es eine ungheure "Köpfe rollen" Aktion und wahrscheinlich organisatorische Konsequenzen. Da Namen bei Geheimdiesnen primzipiell "Schall und Rauch" sind, falls sie keinen geheiminformativen Charakter tragen, werden wir wahrscvhgeinlich nicht wirklich klügr püber die sTruktur.. Allerdings könnte es sein, das es doch mehr gegen rechts und weniger gegen links geht "irgendwie"....

     

     

    "In jeder Imbissbude ein Spion" (Fehlfarben) Die schlechtesten Geschichten schrieb das "Sterben" immer noch selbst...

  • K
    kokomiko

    Traurig, alle machen so weiter, als ob nichts geschehen wäre....

     

    Es ist eben traurig, dass so etwas in unserem Land passieren kann.

     

    Fast genauso traurig ist, dass es keine Verantwortlichen gibt, zumindest keine, die zur Rechenschaft gezogen werden.

     

    Wie lange lassen wir es uns eigentlich gefallen, dass sich Leute in unserem Namen hinter "Geheimhaltung" verstecken können?

     

    In unserem Grundgesetz steht, alle Macht geht vom Volke aus. Wenn ich dieses Schmierentheater lese, dann sind wir ganz ganz weit davon entfernt.

     

    Es sind nicht die "Ausländer", die sind nicht anders wie wir. Es sind die Strukturen in diesem Land.

     

    Lasst uns gegen zwei Dinge kämpfen: gegen Ausländerhass und gegen Beamte, die ihr Geld damit verdienen das auch noch decken.

     

    Wacht auf!

  • K
    Kaimo

    Leute,

    habt ihr immer noch keine anderen Probleme?!

    Gibts irgendwann auch mal wieder ein interessantes oder in irgendeiner Form wichtiges Thema auf taz.de?

     

    Wie kann man aus dieser story nur so eine riesengroße Gesellschaftskrise heraufbeschwören...

  • E
    eksom

    Die meisten Türken/Innen in Deutschland erwarten nichts mehr von den deutschen und ausländerfeindlich agierenden Behörden, nichts mehr von der diskriminierenden Politik und vor allem gar nichts mehr von der Justiz, die auf dem rechten Auge blind ist, und immer blind war! Vertrauen ist nicht mehr vorhanden. Die Scheinaufklärungsbemühungen mit den medienwirksamen Shows der diversen Ausschüsse werden solange stattfinden und aus taktischen Gründen bewusst so lange in die Länge gezogen bis in 5 oder 10 Jahren sich niemand mehr so richtig an die Morde der NSU erinnern kann. Da steckt ein vorsätzlich gut geplantes, auf Dauer ausgerichtetes Gesamtsystem dahinter. Keiner der ehemaligen Verantwortlichen wird später jemals für Schuldig gesprochen! Keiner von denen wird später je einen Cent Schmerzensgeld- oder Schadenersatz an die Verbliebenen der Ermordeten zahlen! Und irgendwann in 15- bis 20 Jahren werden sich die Blätter dann um 180 Grad wenden.

  • DS
    der springende punkt

    Zitat: "Doch nicht nur die Thüringer Behörden, sondern auch andere Verfassungsschutzämter und Polizeistellen hatten Spitzel im Umfeld des NSU – und bekamen dennoch nichts mit."

     

    und genau das ist der springende punkt: bekamen die verfassungs"schutz"ämter wirklich nichts mit? oder hatten sie durchaus so ihre vermutungen, hinweise, verdachtsfälle, aber behielten die lieber für sich?

     

    nicht vergessen: es war der verfassungsschutz, der gleich mehrmals den zugriff von LKA-beamt_innen auf böhnhardt und mundlos verhinderte. es war der verfassungsschutz, der den abgetauchten NSU-terrorist_innen das geld für neue ausweispapiere zukommen ließ. es war der verfassungsschutz, der sich gleich drei exemplare des von böhnhardt, mundlos und zschäpe entworfenen brettspiels "pogromly" anschaffte, für 100 mark das stück. eigentlich gehört jedes einzelne dieser ämter abgeschafft und die mitarbeiter_innen zur kommunalen müllentsorgung auf einsame ost- und nordseeinseln abkommandiert.

  • P
    Peter

    Mit dem Begriff "Größtes Staatsversagen" wäre ich sehr, sehr vorsichtig. Die BRD hat alle meine Ideale beerdigt und ist in meinen Augen die perfekte Persiflage eines "demokratischen Rechtsstaats".

    Die Welt hat die BRD, die sie verdient.

  • G
    Gerhard

    Dieses "Versagen" erinnert mich immer wieder an einen Vorfall, der schon etliche Jahre her ist.

     

    Meine Frau kam gegen 21:00 Uhr in München Schwabing aus der U-Bahn und fuhr mit der Rolltreppe nach oben. Ein Neonazi lief auf der normalen Treppe neben ihr her, grüßte mit dem Hitler Gruß und verlangte von ihr, ebenfalls mit dem Hitler Gruß zu grüßen. Als sie sich weigerte, schlug er ihr heftig ins Gesicht und verschwand daraufhin wieder nach unten.

     

    Ich holte meine Frau immer an dieser Haltestelle ab. Diesmal verspätete ich mich um etwa 5 Minuten. Am Ausgang der Rolltreppe befindet sich eine Nacht offene Tankstelle. Meine Frau rief von der Tankstelle aus sofort die nächst gelegene Polizeidienststelle an, die sich damals keine 500 m von der Tankstelle entfernt befand.

     

    Erst nach etwa 20 Minuten kam ein Streifenwagen. Aus der Art der Vernehmung meiner Frau ergab sich eine ziemlich starke Sympathie der beiden Beamten für den Neonazi. Schließlich gingen sie lustlos in die U-Bahn-Station, natürlich erfolglos. Zwischenzeitlich waren mehrere U-Bahnen in beiden Richtungen gefahren, außerdem gibt es natürlich auch noch andere Ausgänge.

     

    Angesichts des Verhaltens der beiden Beamten hätte ich kotzen können.

     

    Deshalb kann ich auch nicht von einem Versagen bei den NSU Ermittlungen sprechen, sondern von Absicht. Es ist leider so, dass viele Polizeibeamte und Beamte im Verfassungsschutz nicht etwa auf dem rechten Auge blind sind, sondern selbst zur rechten Szene gehören. Es handelt sich gewiss nicht nur um Einzelfälle, ein Einzelfall wäre es wohl eher, wenn ein Beamter der linken Szene angehören würde. Es sind gewiss auch nicht Einzelfälle, bei denen Polizeibeamte den Rechtsstaat als hinderlich empfinden. Die jüngste Äußerung des Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft zu rassistischen Ermittlungen zeigt das sehr deutlich.

     

    Es wird höchste Zeit, bei Polizei und Verfassungsschutz gründlich aufzuräumen und Beamte mit fragwürdigen Einstellungen zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Rassismus aus dem Dienst zu entfernen.

  • RD
    Richard Detzer

    Hätten wir richtig hingeschaut, wäre uns so etwas wie SPD nie passiert.

  • M
    mehrdad

    " Es ist das größte Staatsversagen in der Geschichte der Bundesrepublik...."

     

    nunmal sachte. ich dachte, das grösste versagen der deutschen behörden sei es gewesen, zuzulassen, dass 1972 araber in deutschland juden umbringen und, das ist das eigentliche versagen, die verhafteten judenmörder wieder laufen zu lassen.

     

    bei der NSU sind zumindest die täter bestraft worden. 2 sind tot und eine hockt seit 1 jahr im U- haft.

  • P
    Polizist

    "13 Jahre lang ließen Polizei und Geheimdienste die NSU-Terroristen morden."

     

    Das ist schlicht falsch und verleumderisch! Polizei und VS waren nicht in fähig, die Täter auszumachen, hätten sie sie gekannt, wären die Täter sofort festgenommen worden.

  • SW
    S. Weinert

    Ja klar, ein Neonazi pöbelt im Dönerimbiss und schon ist der Fall gelöst. Wenn es denn so einfach gewesen wäre, warum haben dann taz und die anderen Konsorten der 4. Gewalt derart jämmerlich versagt? Ich habe nicht einen Bericht gelesen, der zu jener Zeit auf einen rechtsradikalen Hintergrund aufmerksam gemacht hätte, nicht einmal spekulativ. Im Nachhinein die Teile zusammen zu setzen ist keine große Kunst, wirkt eher billig. Aber man hat nicht erst seit gestern das Gefühl das auch die Redaktionen der deutschen Tageszeitungen ähnlich jämmerlich besetzt sind, wie der Verfassungsschutz - nur darüber wird man nie in einer Zeitung lesen...

  • S
    Synoptiker

    Statt V-Männer einzuschleusen,hätte man rechtzeitig Emigranten in Behörden und Polizei einsetzen müssen.

    Aber offenbar mussten diese Stellen ja mit rein deutschen Mitarbeitern bestückt bleiben! Ist hier latenter Rassismus am Werk?

  • S
    Soso

    Am Alex wird gemordet, in Schöneberg verstümmelt und in Kreuzberg zündet man Sozialarbeitern den Arbeitstransporter an weil sie katholisch sind. Man müsste nur hinhören taz, oder? Es sind halt anscheinend die falschen Täter am Werk. Türken, Iraker Linksetreme-da beschäftigt man sich lieber mit toten nazis. Dabei schafft gerade das Weghören, Wegsehen und Vertuschen gerade neue Argumente für Nazis.

  • E
    Eremit

    StaatsVersagen?!

     

    Mitnichten!

    Die Akten wurden nicht aus Versehen geschreddert.

    Linke werden nicht aus Versehen überwacht.

    Der Ku Klux Klan wurde nicht aus Versehen gewarnt...

    ... (ad nauseam)

     

    Sondern: Dieser Staat ist der NS Nachfolgestaat. Man hat die schicken Uniformen ausgezogen und gibt sich liebral. Und das ist insbesondere in Bezug auf die Gestapo-Nachfolgeorganisation Verfassungsschutz (Ein Witz an sich, wenn man den Anteil der übernommenen Nazis bedenkt) umso gravierender.

     

    Dieser Staat wurde vom Westen als antikommunistisches Bollwerk erschaffen, und die besten Kämpfer gegen den Kommunismus waren nun mal die Nazis...

     

    Und wenn man das Liberaliusmusgedöhns nach ca. 10 Jahren Krise nicht mehr so braucht, zieht man die Uniformen halt wieder an. Und dann ist's auch mit der taz vorbei. Also lieber schön weiterschlafen..!

     

    ...Und über die immer weniger schleichende Abschaffung von Grundrechten in der EU lieber nix mehr berichten.

     

    Wen wundert das eigentlich? Ist alles ganz gewöhnlicher Kapitalismus, und der entwickelt sich nun mal nach seinen alten und eigenen Gesetzen.

     

    Demokratie gehörte zur BRD zur Tünche. Sonst wäre der Osten zu attraktiv geworden. Ist eine Maske, die von den ökonomischen Eliten nicht mehr gebraucht wird. Und dann wird, wie Fipsi so schön erinnert hat, der Frosch halt ganz langsam gekocht.

     

    Und ihr merkt es nicht und wundert Euch (immer noch)?