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EU rüffelt Italien und RumänienPestizide statt Bio-Äpfel

Die EU kritisiert die Kontrolle von Bio-Lebensmitteln aus Italien und Rumänien. Das Überwachungssystem scheint reformbedürftig zu sein.

Leider sieht man Äpfeln nicht an, ob sie wirklich bio sind. Bild: dpa

BERLIN taz | Inspektoren der EU-Kommission haben schwere Mängel bei der Überwachung der Biobranche in Italien und Rumänien festgestellt. Das geht aus Berichten hervor, die das Lebensmittel- und Veterinäramt der Behörde veröffentlicht hat.

Die Berichte könnten den Druck auf die Länder erhöhen, ihr Kontrollsystem zu reformieren. Bis dahin dürfte das Risiko für den Verbraucher bei italienischer und rumänischer Bioware besonders groß sein, in Wirklichkeit billige konventionelle Lebensmittel zu bekommen.

Italien und Rumänien haben schon seit Jahren einen schlechten Ruf in der Biobranche. Dabei liefern die Rumänen laut Agrarmarkt Informations-GmbH (AMI) die meisten Öko-Getreideimporte Deutschlands. Italiener sind führend zum Beispiel bei Bio-Zucchini und -Äpfeln. Beide Länder sind aber mehrmals durch große Betrugsskandale aufgefallen. So hatten Biobauern gegen Öko-Vorschriften verstoßen, etwa auf umweltschädliche Pestizide und Kunstdünger zu verzichten.

In Italien stellten die EU-Inspektoren nun fest: Die von ihnen besuchten Kontrollstellen, die das Bio-Siegel vergeben, „haben nicht immer alle Informationen ordnungsgemäß überprüft“. Zum Beispiel folgende Geschichte eines Öko-Obsterzeugers auf Sizilien: Er benutzte in der Traubenproduktion konventionelle Stecklinge, was nur mit Ausnahmegenehmigung erlaubt ist. Diese habe er – doch leider habe ein Feuer die Papiere zerstört. Die EU-Inspektoren fanden allerdings heraus, dass die Ausnahmegenehmigung nie existierte.

Mehrere Verstöße übersehen

Vor allem kritisieren die EU-Inspektoren, dass die zuständigen Aufsichtsbehörden ihre Arbeit schlecht koordinierten. Zudem würde Italien nicht genügend kontrollieren, ob Importe tatsächlich bio sind. Dafür seien etwa Zöllner gar nicht geschult worden. „Daher besteht die Gefahr, dass nichtkonforme Sendungen […] über Italien in die EU gelangen“, heißt es in dem Bericht.

Ähnlich beurteilen die Inspektoren die Lage in Rumänien: „Von regelmäßigem Austausch der entsprechenden Informationen zwischen den Behörden war wenig zu erkennen.“ Das Agrarministerium überprüfe zwar die privaten Kontrollstellen. Aber bei ihrem Besuch in einer dieser Firmen stellten die EU-Prüfer mehrere Verstöße fest, die das Ministerium bei seiner eigenen Inspektion offenbar übersehen hatte.

Keine der besuchten Kontrollstellen informierte nach dem Bericht bei Verstößen gegen die Bioregeln „unverzüglich“ das Agrarministerium, wie es die EU vorschreibt. Die Inspektionen seien „mehr ein ’Interview‘ mit dem Unternehmer als eine Inspektion gewesen“. Verzichtet worden sei darauf, Gebäude zu besichtigen, zum Beispiel Lager für Dünger, Pflanzenschutzmittel oder Produkte.

Die Kontrolleure hätten auch toleriert, dass Betriebe ein und dieselbe Pflanzensorte sowohl bio als auch konventionell angebaut hätten. Dabei verlangt die Öko-Verordnung in solchen Mischbetrieben „verschiedene leicht zu unterscheidende Sorten“, um Betrug zu erschweren.

In Stellungnahmen für die EU-Kommission versprachen die zuständigen Ämter beider Länder zum Beispiel, Behördenmitarbeiter besser zu schulen. Auch Regularien sollten angepasst werden.

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8 Kommentare

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  • I
    Irgenwer

    Dieses Thema kommt viel zu verfrüht. Wir sollten abwarten, bis eine neue EU-Richtlinie festlegt, wieviel Prozent Apfel im Pestizid enthalten sein muß, damit es noch als Bio bezeichnet werden darf.

  • Auch die Bio-Branche hat sich in vielen Bereich dem konventionellen Wirtschaftssystem angepasst. Bio heißt daher noch lange nicht öklogisch durchdacht oder gar ökologisch sinnvoll.

     

    Es gibt in der Branche neben ganz viel Licht, leider auch Schatten: http://www.der-freigeber.de/hinter-den-kulissen-der-heilen-bio-welt/

  • Es ist leider so wie mit vielen zertifizierungen (siehe brustimplantate). Das zertifizierungsunternehmen wird vom Auftraggeber bestellt und ist schon aus dieser Sicht abhängig.

    Und dann wird auch nur Papier geprüft.

    Leider zieht sich bei diesen wichtigen Kontrollfunktionen der Staat zurück und die Verbarucher sind die dummen.

    Eigenzertifizierung oder zertifizierung durch abhängige Stellen regen regelrecht zum Betrug an.

    Der Staat sollte solche Funktionen übernehmen (auch zum Thema CE Zeichen, Gerätesicherheit, REACH, RoHS, EMV, Kinderspielzeug

  • E
    Erik

    Ich lach mich tot! Naja, jetzt braucht ihr euren Porsche Cayenne wenigstens nicht mehr auf'm Bordstein vorm Alnatura zu parken, sondern könnt wieder zum Aldi fahren.

  • G
    Gast

    Und in Deutschland sieht die Sache so viel anders aus? Auch hier sind die Kontrollstellen private Betriebe, die von den zu kontrollierenden wirtschaftlich abhängig sind. Notfalls wird halt der Einzelhändler "kreativ" und schildert die Ware falsch aus, dem Apfel sieht man ja nicht an wo er herkommt.

  • C
    Cyres

    Man sollte in der Sache auch mal die größeren Folgen betrachten. Dadurch das viele Supermärkte (auch Discounter) auf den Bio-Zug aufgesprungen sind, ist der Preisdruck enorm gestiegen. Teilweise ist der Preis für "Bio-Gemüse" aus dem Supermarkt um 50 Cent geringer als der vom lokalen Bauern. Das Resultat ist, dass viele Konsumenten mit einem "gutem Gewissen" die billige Supermarktware einkaufen wohinter meistens eine simple Produkttäuschung steckt.

    Der Bauer allerdings geht daran kaputt. Das bedeutet effektiv, dass auf dem Markt nur noch halbseidene Ware aus Rumänien/Italien zu bekommen ist. Bio wird dadurch zur "Vaporware". Ich erinnere mich immer noch gerne an die berühmten San-Marzano Tomaten. Hochgelobte Ware "vom Vesuv", gezüchtet in Gewächshäusern.

     

    Verhindern könnte man das, indem man den "Gütesiegeljungel" eingrenzt. Ein paar produktbezogene Siegel, nach entsprechenden hohen Standards, die alle haben müssen um ihre Ware als Bio-Ware verkaufen zu dürfen. Dabei macht die EU aber mit Sicherheit nicht mit. Immerhin gilt der freie Markt...

    • G
      Gast
      @Cyres:

      Das ist die übliche Argumentation des Bio-Handels um seine Pfründe zu sichern. Im vergangenen Jahr fand sich ein Beitrag auf SPON, der aufzeigte, dass Bio-Schweinefleisch in der Produktion doppelt soviel kostet wie konventionelles, an der Theke aber das Vierfache. Fixkosten (Logistik, Löhne, Mieten, etc.), die im Produktpreis enthalten sind, fallen für den konventionellen wie den Bio-Einzelhandel gleichermassen an, das heisst, die Gewinnspanne ist noch grösser. Sehr erhellend war auch vor wenigen Monaten eine Untersuchung von Greenpeace, die Bio-Molkereiprodukte vom Discounter überprüft hat. Da fand sich dann Ware aus Anbauverbänden mit den höchsten Standards, die eben im hochpreisigen Bioladen nicht mehr abgesetzt werden konnte (sie wird zum Schutz des hergebrachten Biohandels nicht mit den höherwertigen Verbandssiegeln gekennzeichnet).

      • C
        Cyres
        @Gast:

        Und jetzt vergleichen sie mal die Verkaufszahlen von konventionellen Fleisch mit Bio-Fleisch. Ich kann mich natürlich katastrophal irren aber Bio-Fleisch ist noch lange keine Massenware (und manche Siegel verbieten das glaub ich auch).

        Genau dieser Punkt sorgt dann in Kombination mit den "Fixkosten" für einen höheren Preis.

        Als Musterbeispiel:

        Die Miete eines Ladens beträgt 1000 Euro. Wenn ich nun 50000 kg Fleisch pro Monat verkaufe reicht (für die Miete) schon ein Preisanteil von 2 Cent pro Kilogramm Fleisch aus, um die Miete zu erwirtschaften. Verkaufe ich nur 5000 kg pro Monat verzehnfacht sich der Anteil der Mietkosten pro Kilogramm Fleisch.

         

        Und die Sache mit der Bio-Milch. Was man beobachtet hat war, dass Discounter von bestimmten Molkereien ihre Milch beziehen die neben konventionellen auch Bio-Produkte (z.B. nach Bioland-Standard) verarbeiten.

        Stellen sie sich das ganze wie ein Hütchenspiel vor. Biobauern verkaufen die überschüssige Ware, die sie nicht lokal loswerden (da sind wir wieder bei kleinen Margen) an eben jene Großmolkereien. Von dort wird die "Überschussmilch" an große Ketten verkauft. In hohen Stückzahlen, zu niedrigen Preisen. Die Ketten klatschen dann ihr eigenen EU-Siegel drauf und sind fertig.

        Das kann sich aber wieder jederzeit ändern. Wenn keine Demeter Milch da ist, dann wird eben andere EU-Biomilch genommen. Aus diesen Grund verwenden Discounter auch ihre eigenen Siegel und nicht die Verbandssiegel. Denn der Konsument würde spätestens dann etwas merken, wenn sich allenthalben das Siegel auf dem Milchkarton ändert.