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Kommentar Wahl Jean-Claude JunckerSteuerdieb regiert Europa

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Der neue Kommissionspräsident hat Europa massiv geschadet. Als Luxemburger Premier hat er sein Land zum Vorreiter der Steueroasen gemacht.

Europafeindlich: Jean-Claude Juncker als luxemburgischer Premier Bild: imago/sepp spiegl

S kandal ist ein Wort, das inflationär gebraucht wird. Aber diesmal trifft es genau: Es ist ein Skandal, dass ausgerecht Jean-Claude Juncker der EU-Kommission vorstehen wird. Denn niemand hat Europa mehr geschadet als dieser Luxemburger, der sein Heimatland gezielt zur Steueroase ausgebaut hat. Sein Geschäftsmodell ist ganz einfach: Man bietet Steuerkonditionen auf Ramschniveau – und bastelt sich damit einen internationalen Finanzplatz. Man klaut die Steuergelder seiner Nachbarn, um selbst reich zu werden.

Luxemburg hat nur 550.000 Einwohner – besitzt aber Investmentfonds, in denen sich 2,2 Billionen Euro sammeln. Nur in den USA sind noch mehr Fonds zu Hause, wie der französische Ökonom Gabriel Zucman ausgerechnet hat.

Bekanntlich ist Luxemburg nicht die einzige Steueroase auf diesem Planeten, es gibt unter anderem noch die Schweiz, Singapur oder die Cayman-Inseln. Aber die Luxemburger spielen eine Schlüsselrolle, weil sie jene Briefkastenfirmen beherbergen, ohne die eine Steuerflucht gar nicht erst möglich wäre.

Allein die Deutschen verlieren jedes Jahr etwa 30 Milliarden Euro an Steuereinnahmen, weil Vermögende flüchten und internationale Konzerne ihre Belastung „optimieren“ können. Luxemburgs Egoismus ist also richtig teuer.

Juncker ist ein Steuerdieb, darf sich aber als Staatsmann gerieren. Im EU-Parlament versprach er jetzt, ein Investitionsprogramm von 300 Milliarden Euro aufzulegen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Juncker vergaß natürlich zu erwähnen, dass diese Milliarden nur zu mobilisieren sind, wenn die Steueroasen geschlossen werden. Aber es hat ihn auch kein Abgeordneter daran erinnert. Stattdessen wurde der Steuerdieb brav gewählt – auch von den Sozialdemokraten. So sieht die Selbstentmachtung eines Parlaments aus.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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19 Kommentare

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  • Sehr schöner Artikel.

    Mehr davon! ;)

    Auch gerne mit mehr Hintergründen, oder ist das schon in meiner Tazzeitung drin, die ich täglich erhalte?

    Muss mal gleich schauen.

  • Luxemburg bezahlt wenigstens seine Arbeitskräfte anständig. Deutschland ist längst kein Vorzeigeland mehr. Erst Kohl, der Aussitzer; dann Schröder, der Reaktionär, dann die so viel gelobte Frau, "die sich auf sein Pferd setzte", -

    aber an den Hürden vorbeiritt, und nur die Satten füttert. Nach ihr kommt die Sintflut. Dann schreit man nach den Parteien, die man sonst verpönte.

    Potemkinsche Dörfer hat die Frau aufgebaut , das ist auch schon alles. oder kann hier jemand etwas Positives nennen ?

  • Bei aller berechtigten Empörung über den 'Steuerhinterzieher' Junker - wir Deutschen sollten den Ball ruhig etwas flacher halten. So, wie Junker mit seiner luxemburger Steuerpolitik Europa seit Jahren schadet, schadet Deutschland seinen EU-Nachbarn seit Jahren mit seinem Lohndumping und den daraus resultierenden, permanenten Exportüberschüssen. Von der idiotischen Austeritätspolitik unserer 'Staatsratsvorsitzenden' Angela M. aus B. und ihrer großartigen Ministergurkentruppe einmal ganz abgesehen. Aber das vielbeschworene gemeinsame Europa ist letztendlich doch nur ein Haufen egoistischer, selbstgerechter Staaten und ihrer Repräsentanten.

    • @Ulrich Herbst:

      Falsch! Ein Skandal lässt sich nicht durch einen anderen relativieren, sondern man darf bei BEIDEN den Ball nicht flach halten. Außerdem findet das Lohndumping im Wesentlichen in der Dienstleitungsbranche auf nationaler Ebene statt. Die erfolgreichsten deutschen Exportprodukte wie z.B. Autos oder Werkzeugmaschinen sind im internationalen Vergleich eher überdurchschnittlich teuer.

      • @Izmir Übül:

        Falsche Interpretation. Natürlich lässt sich ein Skandal nicht durch einen anderen relativieren. Das ist so auch nicht gemeint. Aber im Zusammenhang mit Junker darf unsere 'Europapolitik' nicht unerwähnt bleiben - genauso wie die permanenten Querschüsse der Briten, das Steuerdumping der Iren oder auch die Steuersparmodell in Deutschland, das der feine Herr Schröder und seine rot-grüne Truppe verbrochen haben, Es soll nur klargestellt sein: Europa arbeitet nicht miteinander, sondern permanent und inbrünstig gegeneinander.

         

        Was das Lohndumping betrifft, haben Sie wahrscheinlich noch nichts von der aktuellen und weitverbreiteten Personalpolitik in deutschen Unternehmen gehört, die sich primär auf Leiharbeit und sog. Werkverträge stützt - mit den entsprechend 'großzügigen' Löhnen..

        • @Ulrich Herbst:

          Doch, habe ich (ich kenne auch alle einschlägigen TV-Dokumentationen wie z.B. die über Daimler). Daher die Einschränkung "im Wesentlichen", denn andererseits gab's bei den Stammbelegschaften immer wieder Erfolgsbeteiligungen i.H.v. mehreren Tausend Euro. Bitte halten Sie nicht alle Leser, die Ihre subjektive Meinung nicht vorbehaltlos teilen, generell für schlechter informiert!

  • Warum erst jetzt diesen Kommentar -

     

    dem schließe ich mich an;

    der Zusammenhang war bekannt -

    mir aber jedenfalls nicht die hier aufgezeigte Dimension und Größenordnung -

     

    geht man - und wie nicht - von einer

    möglichen Wirksamkeit von Gegenöffentlichkeit aus -

    dann ist demokratisch grundierte Notwendigkeit -

    solches im und während des Entscheidungsprozesses rauszuhauen -

    und nicht im Nachhinein, wenn alle Eulen verflogen sind.

     

    das hier jedenfalls stößt etwas unverständlich/sauer auf.

    • @Lowandorder:

      Wir haben in luxemburg 60000 deutsche die jeden tag über die grenze kommen und ein guten loin hier verdienen und so viel geld in hir vaterland rüber tragen..

      Keiner ist ganz weis hier in europa.

      Das was Luxemburg gemacht hat das machen si überall in europa

  • Glückwunsch an Juncker! Wiedereinmal Kompetenz- und leistungslos ohne demokratische Legitimation an die großen Futtertröge gekommen, nachdem er es nicht mal mehr in seinem kleinen Heimatland Luxemburg geschafft hat.

     

    Ich kann dem Kommentar nur zustimmen: Der Lügenbaron (speziell dann wenn "es ernst wird") gehört ins Gefängnis und nicht in ein politisches Amt, schon gar nicht in so ein hohes.

  • Danke für diese offenen Worte. Wie es auch anders gehen kann, zeigen die Grünen Europaabgeordneten Giegold und Albrecht in einer vor Opportunismus triefenden Erklärung.

     

    Und dabei ist Sven Giegold eigentlich bei den Grünen als Experte für europäische Steuermodelle bekannt. Wie so oft scheint der Wunsch, sich als „staatstragend“ und „regierungsfähig“ zu präsentieren, bei den Grünen sämtliche inhaltlichen Fragen zu überdecken und Kritik wegzuspülen.

    Quelle NDS

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Beim Wort Luxemburger hätte es schon klingeln müssen.

  • " So sieht die Selbstentmachtung eines Parlaments aus."

    Juncker wurde doch angeblich bereits bei den Europawahlen mehrheitlich von den EuropäerInnen höchstselbst gewählt . Also - hurra !!! - ein Sieg der Demokratie !

    Die EU-Kommission und das Operettenparlament : großes absurdes Demokratie-Theater ! Denn

    die Exekutive liegt weiterhin allein bei der "unsichtbaren Hand des Marktes" , gestützt auf tausende kleine HelferInnen in tausenden Brüsseler Lobby-Vertretungen .

    Doch die "unsichtbare Hand" ist schon länger eine Falschspielerin : sie hält sich nur noch mit virtuellem Geld im Spiel .

    • @APOKALYPTIKER:

      "Der Graf von Luxemburg". Ope-rette sich, wer kann.

  • Warum erst jetzt diesen Kommentar? Juncker ist bereits vor vielen Monaten von der stärksten Fraktion im europäischen Parlament, der EVP-Fraktion, zum Spitzenkandidaten nominiert worden, und seitdem aussichtsreicher Kandidat für den Chefsessel in der EU-Kommission

    • @yohak yohak:

      Tja, warum eigentlich erst jetzt dieser Kommentar? Wahrscheinlich, weil es vergangenes Jahr niemanden interessiert hätte. Aber nun wurde der Bock zum Gärtner gemacht. Vielleicht ist das gute daran ja, daß das Thema jetzt wirkungsvoller zur Sprache kommt.

  • genau: Bei einer Basisdemokratischen Abstimmung der Regierungschefs wäre das nicht passiert!

    Außerdem wäre die Wahl auch viel billiger gekommen - muss man draus lernen!

    • @uli moll:

      "genau: Bei einer Basisdemokratischen Abstimmung der Regierungschefs wäre das nicht passiert! "

      Ja genau , Uli , so muß staubtrockener Sarkasmus gehen !

      Oder verstehe ich Ihr Statement ganz falsch ?

      • @APOKALYPTIKER:

        danke!

        und ja, richtig verstanden

      • @APOKALYPTIKER:

        Auch ich hoffe, dass Uli Moll seinen Kommentar als Satire versteht.

        Als Schweizer weiss ich, wovon ich rede: Direkte Demokratie ist der grösste Voklsbetrug aller Zeiten.