Internetskandal in Österreich: Imagepflege der besonderen Art
Die Bundesbahn macht es und die Österreichische Volkspartei auch: Mit gekauften und manipulierten Posts lassen sie sich im Netz feiern.
WIEN taz | Den „größten Internetskandal, seit Österreich online ist“ hat nach eigener Einschätzung das österreichische Monatsmagazin Datum aufgedeckt. In seiner Novembernummer berichtet es über die Geschäftspraktiken der Wiener PR-Agentur Modern Mind Marketing (auch Mhoch3), die im großen Stil die öffentliche Meinung in Internet-Foren manipuliert.
„Online-Reputationsmanagement“ nennt sich das Angebot, dessen sich unter vielen anderen die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), der Getränkekonzern Red Bull, die Österreichischen Lotterien, TUI und die Wiener ÖVP bedienten. Mitarbeiter von Mhoch3 wurden angewiesen, eine Anzahl falscher Identitäten zu kreieren, mit denen sie dann in Diskussionen in Foren eingriffen oder solche anstießen.
Rechtschreibfehler sind laut Dienstanweisung ausdrücklich erwünscht. Denn so wirken die Beiträge authentischer. So versuchte etwa Nickname „Dormi“ Zweifler an der Rentabilität des Glückspiels umzustimmen: „Ich hab auch Bekannte, die sich bei win2day ganz schön was dazuverdienen“.
Der damalige ÖVP-Wirtschaftsminister Johannes Hahn durfte sich während der unibrennt-Studentenproteste 2009 im Netz für seine Zurückhaltung preisen lassen, während die Motive der Protestierenden in Frage gestellt wurden. Datum verfügt über hunderte Seiten solcher Postings aus den vergangenen Jahren und beruft sich außerdem auf eine ehemalige Mitarbeiterin und einen einstigen Mitarbeiter, die auspackten.
Eindeutig rechtswidrig
Ex-Posterin „Lena“ schämt sich heute für ihre Jubelpostings: „Wenn du einem Spielsüchtigen in einem Wettforum vorgelogen hast, dass du seit Jahren gut vom Onlinezocken lebst, dann schläfst du nicht so gut“.
Zitiert wird auch der Fall der umstrittenen Hormonspirale Mirena, die häufig auftretende Nebenwirkungen hervorruft. Echte Posterinnen, die über heftigere Regelblutungen, Migräneanfälle, Pilzerkrankungen oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr klagten, wurden auf hormonspirale-forum.de von Kampostern der Mhoch3 attackiert: „Wow, da ist ja jemand verbittert?! Das erschreckt mich schon, oder gehörst du zur Konkurrenz? Ich bin eine glückliche 'Hormonanwenderin' wie du es nennst.“
Für den Medienanwalt Thomas Höhne sind solche Praktiken „eindeutig rechtswidrig. Sowohl der Auftraggeber als auch die PR-Agentur handeln wettbewerbswidrig“.
Die Auftraggeber versicherten auf Anfrage, sie hätten die Geschäftsbeziehungen zu Mhoch3 bereits vor Jahren eingestellt. Bei der ÖVP wollte man von solchen Aufträgen gar nichts gewusst haben. Angesichts der Faktenlage fragen sich die Datum-Redakteure aber abschließend: „Geht man davon aus, dass es sich bei den Datum vorliegenden Dokumenten nur um einen Bruchteil der Arbeit von Mhoch3 handelt, und davon, dass Mhoch3 wohl nicht die einzige PR-Agentur ist, die ihren Kunden anbietet, ihre Zielgruppe in die Irre zu führen: Was bleibt da von der Glaubwürdigkeit des nächsten Postings, das man liest, von der Glaubwürdigkeit des Mitmachinternets als Ganzes?“
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