Mangehlafte PIP-Brustimplantate: Karlsruhe verweist nach Europa
Minderwertige Silikonkissen – für unzählige Frauen ein Schock. Seit Jahren klagen sie auf Schmerzensgeld. Nun soll der Europäische Gerichthof ran.
KARLSRUHE afp/dpa | Im Streit um die Haftung für mangelhafte französische Brustimplantate mit Industrie-Silikon müssen mehrere tausend Frauen weiter auf die abschließende Entscheidung warten. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe legte am Donnerstag eine Klage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Die Luxemburger Richter sollen klären, wie umfangreich die Prüfpflichten bei der Zertifizierung von Medizinprodukten sind.
Der französische Hersteller Poly Implant Prothèse (PIP) hatte seine Brustimplantate statt mit Spezial-Silikon mit billigerem normalem Silikon befüllt. Die Implantate erwiesen sich als undicht, ihr Vertrieb wurde 2010 gestoppt. Behörden empfahlen später auch in Deutschland, die Implantate herausnehmen zu lassen.
Der TÜV Rheinland hatte das Herstellungsverfahren von PIP für das europäische CE-Siegel zertifiziert. Weil PIP insolvent ist, verlangen zahlreiche Frauen Schadenersatz vom TÜV Rheinland.
Nach dem BGH-Beschluss soll nun der EuGH klären, ob der TÜV Rheinland auch die Implantate selbst hätte überprüfen oder zumindest unangekündigte Betriebsbesichtigungen hätte vornehmen müssen.
„Ich möchte einfach Gerechtigkeit, denn so etwas kann man nicht einfach so hinnehmen“, sagte die Klägerin in Karlsruhe. Der 64-Jährigen aus der Vorderpfalz waren 2008 nach einer Operation zur Krebsvorsorge in beiden Brüsten PIP-Implantate eingesetzt worden.
Die Vorinstanzen hatten die Klage der 64-jährigen Frau abgewiesen: Der TÜV habe nur das Qualitätssicherungssystem von PIP überprüfen müssen, nicht aber, ob die Implantate tatsächlich das hochwertige Silikon enthielten, urteilte 2013 das Oberlandesgericht Zweibrücken. Ein TÜV-Sprecher sagte in Karlsruhe, man sei selber von PIP getäuscht worden.
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