Crowdfunding: Keine Angst vorm Scheitern
Pauline Tillmann will mit sechs Kolleginnen „Deine Korrespondentin“ gründen, eine Plattform mit Geschichten von Frauen über Frauen in aller Welt.
Pauline Tillmann ist im vergangenen Jahr durch die USA getourt. Drei Monate lang. Sie war in New York, in Washington, in Los Angeles und: im Silicon Valley. Wo man halt so hinfährt, als Journalistin auf der Suche nach Antworten auf die Frage: Wie kann sich Journalismus in den kommenden Jahren finanzieren? „Just do it“, hat sie da gelernt. Das schreibt sie in ihrem Blog. „Man sollte den Mut haben zu scheitern“, sagt sie, während sie in Berlin in einem Café sitzt und ihr Projekt vorstellt: deine-korrespondentin.de.
Mit sechs Mitstreiterinnen will sie eine Plattform für Auslandsjournalismus aufbauen, eine Art Krautreporter von Frauen mit Geschichten über Frauen aus aller Welt. Mit dabei sind unter anderem Simone Schlindwein, die auch für die taz aus Afrika berichtet, und Sabine Rossi, Redakteurin bei Funkhaus Europa und Nahost-Expertin. Es soll eine Gemeinschaft entstehen, die Korrespondentinnen sollen sich gegenseitig helfen, sie sollen sich schulen, und die Leserinnen und Leser sollen einbezogen werden. „Ich habe nichts zu verlieren“, sagt Tillmann, „und die Kolleginnen auch nicht. Wir glauben daran. Und vielleicht glauben ja auch andere daran.“
Ein paar Leute sollten es schon sein, die daran glauben, denn seit Montag sammelt Deine Korrespondentin über die Crowdfunding-Plattform Startnext Geld ein. 5.000 Euro müssen innerhalb von 30 Tagen als Startkapital zusammenkommen, um eine Website aufzubauen und die Korrespondentinnen für die ersten Geschichten entlohnen zu können. Denn zum Start der Seite, die ab Mai online gehen sollen, wird es zwei Artikel für lau zu lesen geben, anschließend soll sich Deine Korrespondentin über Abos finanzieren. „Es ist wichtig, deutlich zu machen, dass der Inhalt etwas wert ist“, sagt Tillmann. „Ich will alle Autorinnen fair bezahlen, Journalismus ist für uns kein Hobby.“
Die 31-Jährige ist Korrespondentin im russischen St. Petersburg. Von dort berichtet sie für diverse Zeitungen und die ARD-Radios – und lernt immer wieder ihre Grenzen kennen: „Wir machen das ja auch, weil es in der ARD nicht immer einfach ist, sich als junge Korrespondentin durchzusetzen.“ Sie ist genervt von den grau melierten Männern in den Talkshows. Es gebe auch andere, die berichteten, sagt sie, aber die seien ebenso wenig sichtbar wie viele Frauen, über die es sich zu berichten lohnen würde. „Das will ich ändern.“
Kein Platz für "Kantiges"
Und dafür umgeht sie die klassischen Medien. Denn Tillmann weiß, wie schwierig es ist, „kantigere Themen“ dort unterzubringen. Im Mai war sie bei der Eishockey-WM in Minsk, die Sportwelt zu Gast beim Diktator Lukaschenko, die Verbände bewiesen wieder einmal, wie egal ihnen Menschenrechte sind – doch die Redaktionen interessierte das kaum. Die hatten die Kriege in Syrien und der Ukraine auf dem Schirm – und damit waren die Auslandsseiten voll.
Die ersten beiden Themen, die die Korrespondentinnen angehen wollen – über Ostafrikas erste Kampfpilotin und über eine immer wieder von ihrem Vater vergewaltigte Afghanin –, fallen wohl auch in die Tillmann’sche Kategorie „kantig“, schwer zu verkaufen.
Goldenes Zeitalter der Medien-Start-Ups
Doch Tillmann treibt mehr an, als nur einen Platz zu haben, um Themen unterzubringen. Sie will lernen. Sie glaubt an das in den USA ausgerufene Goldene Zeitalter der Medien-Start-Ups. Sie ist davon überzeugt, dass es einen Bedarf an Medien neben den etablierten gibt; dass viele Zeitungen schon bald nicht mehr täglich gedruckt erscheinen werden; dass einige sich zu Tode sparen werden; und dass JournalistInnen den Wandel ihrer Branche mitgestalten sollten.
Und Tillmann gestaltet gerne. Sie hat sich schon einmal ein journalistisches Projekt von der Crowd finanzieren lassen: 2013 reiste sie nach Indien und Nepal und ging der Frage nach, warum sich Tibeter aus Protest gegen die Politik der chinesischen Regierung selbst anzündeten. 3.500 Euro wollte sie für die Reise zusammenbekommen. Das klappte nur, weil kurz vor Schluss der Kampagne ein befreundetes Ehepaar 2.250 Euro zuschoss. Viel wichtiger aber war für sie, gelernt zu haben, wie Crowdfunding funktioniert – und wie es nicht funktioniert. In ihrem Blog hat sie 15 Lehren über das Einsammeln von Geld gezogen, die letzte lautete: „Habe Mut zu scheitern.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein