Handball-WM in Katar: Verband bezahlt Berichterstatter
Zur Handball-WM wurden auch Journalisten eingeladen – auf Kosten des Handballweltverbandes IHF.
„Liebe Handballfreunde“, schreibt Hassan Moustafa in einem offiziellen Schreiben an die Verbände, die an der Handball-Weltmeisterschaft in Katar teilnehmen. Moustafa ist Präsident des Handballweltverbands (IHF). Das Angebot, das er den Verbänden im November 2014 unterbreitet, ist – zurückhaltend formuliert – ungewöhnlich: Sie dürften zehn Medienvertreter nominieren, die zu diesem „faszinierenden und aufregenden Event“ eingeladen würden. „Wir weisen freundlich darauf hin, dass die Kosten für Reise und Unterkunft übernommen werden.“
Auch der Deutsche Handballbund (DHB) bekam das Schreiben, das der taz vorliegt, und machte sich an die Arbeit: „Entsprechend der Bitte der IHF haben wir dieses Angebot an potenziell interessierte Medienvertreter, die auch bei vergangenen Weltmeisterschaften berichtet hatten, weitergereicht“, teilt Tim Oliver Kalle, Pressesprecher des DHB, mit. Später sei das Kontingent des IHF für Journalisten sogar noch verdoppelt worden, sodass nun „etwa 20 Medienvertreter aus Deutschland über diese IHF-Einladung vor Ort“ seien, sagt Kalle.
„Ich kann nachvollziehen, dass der ein oder andere das Angebot aus Kostengründen annimmt“, sagt Erich Laaser, der Präsident des Verbandes Deutscher Sportjournalisten, aber: „Akzeptieren kann ich es nicht.“ Grundsätzlich lehne er es ab, dass sich Journalisten von einem Veranstalter bezahlen lassen. Dadurch gerate die unabhängige Berichterstattung in Gefahr. Gefälligkeitsjournalismus werde begünstigt. Im Falle von Katar habe das zudem ein besonderes „Geschmäckle“.
Katar steht spätestens seit der Vergabe der Fußball-WM an das kleine Emirat im Fokus der Kritik: Üble Arbeitsbedingungen, die an Sklaverei grenzen, sollen dort herrschen. Die internationalen Sportverbände schert das bislang wenig: Die Fußball-Asienmeisterschaft fand 2011 dort statt, im vergangenen Jahr beherbergte die Hauptstadt Doha die Kurzbahnweltmeisterschaften im Schwimmen, nun die Handballer, im kommenden Jahr die Straßenradfahrer – und 2022 die große Fußball-WM.
Fans eingeflogen
Katar will groß werden – zumindest im Sport. Dafür wurden für die Handball-WM ein paar Fans aus allen Teilnehmerländern eingeflogen – allein 18 aus Deutschland und stolze 60 aus Spanien, die allerdings Katar anfeuern sollen – und da kann ein bisschen Berichterstattung natürlich nicht schaden.
Es scheint in der überschaubaren Szene von Handballjournalisten ein offenes Geheimnis gewesen zu sein, dass es dieses Angebot gab. Viele lehnten ab, vor allem die, die fest in Redaktionen eingebunden sind: Frankfurter Allgemeine und Süddeutsche Zeitung sowie das Onlineportal Spox.com und der Fernsehsender Sport1, die alle regelmäßig über die gerade laufende WM berichten, ließen wissen, dass sie für die Kosten selbst aufkämen.
Andernorts ist man weniger prinzipienfest. Der Sportredakteur Hasso Waldschmidt von der Rhein-Neckar-Zeitung sagte, es interessiere ihn gar nicht, ob der Aufenthalt des freien deutschen Journalisten, der das Blatt aus Doha beliefere, vom Weltverband bezahlt würde. Es gebe in diesem Falle aus seiner Sicht auch kein Grund, das Arbeitsverhältnis infrage zu stellen. „Er wird dann eher noch kritischer schreiben, um keinen falschen Verdacht zu wecken.“
Mittler ohne Fingerspitzengefühl
Doch Sportjournalisten-Verbands-Präsident Laaser stellt nicht nur die Entscheidung der Journalisten infrage, die das Angebot angenommen haben; auch die Rolle des DHB, der als Mittler des Angebots auftrat, bezeichnet er als „irritierend“. Den Verantwortlichen habe das nötige „Fingerspitzengefühl“ gefehlt. Wobei der DHB betont, dass „keinerlei Erwartungen an die Medienvertreter, welche die IHF-Einladung angenommen haben, gestellt worden“ seien.
Auch Benno Stieber will nicht allein die Journalisten in die Verantwortung nehmen. Natürlich empfehle der Vorsitzende der Freischreiber, des Verbands freier Journalistinnen und Journalisten, seinen Mitgliedern, „solch ein Angebot nicht anzunehmen“. Aber: „Unsere Forderung war immer, dass Redaktionen für die Spesen ihrer freien Autoren aufkommen müssen.“ Redaktionen müssten die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich freie Autoren Unabhängigkeit überhaupt leisten könnten.
Redaktionen, die keine eigenen Reporter zu Veranstaltungen schicken können, empfiehlt er, sich die Reisekosten mit anderen Medien zu teilen, da die Freien mit ihren Texten zumeist ohnehin mehrere Medien belieferten. Und die Freien sollten vorab klären, wer sich beteiligt, und offenlegen, wie eine solche Reise finanziert wird. Diese Offenlegung scheint zumeist nicht passiert zu sein.
Auch die taz druckte vor der WM einen Text eines renommierten freien Journalisten, der die Redaktion nicht darüber informiert hatte, dass er sich einen Teil seiner Reise- und Aufenthaltskosten vom Internationalen Handballverband bezahlen lässt. Seitdem der Umstand der taz bekannt ist, nimmt sie keine Texte dieses Autors mehr an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag