Redaktionelle WhatsApp-Nutzung: Direkter zum User
Einige Redaktionen experimentieren damit, Nachrichten über den Messenger-Dienst WhatsApp zu verschicken. Das Fazit fällt nicht so gut aus.
Nachrichten auf WhatsApp verbreiten – funktioniert das überhaupt? Wollen die Nutzer Nachrichten-Updates tatsächlich direkt über den Chatdienst auf ihre Smartphones geschickt bekommen? Und wenn ja: wie lässt sich das in die Arbeitsabläufe einer Redaktion integrieren? Das Schweizer Fernsehen (SRF) probierte das alles kurzerhand aus – bei der Schweizer Volksabstimmung Ende September.
Konrad Weber, 25, experimentiert beim Schweizer Fernsehen mit Schnittstellen zur digitalen Welt. Er findet es spannend, die Möglichkeiten von WhatsApp für Redaktionen auszuloten, weil der Dienst, der inzwischen Facebook gehört, das derzeit am häufigsten installierte Miniprogramm auf Handys sei – in Deutschland und in der Schweiz. „Diese riesige Verbreitung stellte uns vor die Frage, wie wir dieses Potential auch journalistisch nutzen könnten.“
Etwa 1.400 Nutzer meldeten sich im Herbst spontan an, um Updates zur Volksabstimmung per WhatsApp zu beziehen. Das höre sich erst einmal wenig an, räumt Weber ein. Doch der Sender habe „bewusst auf eine Promo in Hörfunk und TV verzichtet, da wir ansonsten überrannt worden wären“. So konnten sie in Ruhe testen.
Das Fazit ihres Versuchs: Für die Redaktion ist die Kommunikation via WhatsApp erst einmal ein ziemlicher Umstand – muss doch jede Nachricht direkt am Telefon eingetippt werden. Weber und seine KollegInnen haben sich zuletzt so beholfen: Sie setzten sich an den Computer, schrieben dort ihre Kurzmitteilung vor, mailten sie sich selbst zu, griffen zum Smartphone, öffneten dort den Posteingang, kopierten den Schnipsel aus der E-Mail, wechselten zu WhatsApp, fügten die Nachricht dort ein und dann, endlich: senden!
„Breaking News“ whatsappen?
Laut einer Umfrage, die der SRF nach dem Experiment startete, gefiel jedem zweiten Nutzer WhatsApp als neuer News-Kanal. Noch mehr erstaunt hat Weber aber „die Tatsache, dass sich 79 Prozent einen solchen Dienst für den Alltag wünschten“. Möglich also, dass Redaktionen bald „Breaking News“ whatsappen.
Auch andere Medienhäuser haben WhatsApp bereits für sich entdeckt. Die „Tagesschau“ etwa stellt eine weitere Schaltfläche unter ihre Artikel, damit Leser ihn nicht nur per E-Mail oder Facebook verbreiten können, sondern auch per WhatsApp. In den USA haben erste Analysen gezeigt, dass derartige Angebote häufig genutzt werden. Andere Redaktionen machen sich die Mühe, WhatsApp als weiteren Verbreitungskanal gezielt mit Inhalten zu bespielen – teilweise mit besonderen Geschichten.
Die Heilbronner Stimme etwa erinnerte auf diesem Weg Anfang Dezember an den 70. Jahrestag der Bombardierung ihrer Stadt, in 30 Kurznachrichten mit Texten, Fotos und Videos. Ein historischer Liveticker, der jedes Update direkt auf den Startbildschirmen der Nutzer anzeigte.
Etwa 2.500 Leser hatten dieses Angebot abonniert. Auch hier zeigte eine Umfrage eindeutig: Nutzer wollen News auch über WhatsApp empfangen.
Umständlich für Mitarbeiter
Wie beim SRF kämpften auch die Redakteure der Heilbronner Stimme damit, wie umständlich es ist, WhatsApp journalistisch zu nutzen: Zwei MitarbeiterInnen hätten zehn Stunden lang die Leser „von Hand auf einem Smartphone“ sogenannten Broadcast-Listen hinzugefügt, notierte die Redaktion in einem Erfahrungsbericht.
So lange WhatsApp manuell bedient werden müsse, sei dieser Kanal deshalb auch „eher nicht“ für den redaktionellen Alltag geeignet, so das Fazit der Redaktion. Im Netz kursiert seit ein paar Tagen das Gerücht, WhatsApp arbeite an einer Version, die auch auf stationären Computern und Laptops laufe – etwa so wie Programme wie Tweetdeck, die twittern vom Rechner aus erlauben. Für Redaktionen wäre das eindeutig eine Erleichterung.
Derweil denkt SRF-Journalist Weber nicht nur darüber nach, wie man WhatsApp als Ausspielweg nutzen kann – sondern auch darüber, wie der Dienst als Kanal für Recherche zum Einsatz kommen kann. Beim Hochwasser im Sommer hat er bereits beobachtet, dass Betroffene ihre Eindrücke zunehmend auf WhatsApp mitteilten – und weniger über Facebook. „Viele Bilder und Videos machten in Gruppenchats die Runden und wurden nur per Zufall – und auf Nachfrage – auch an Journalisten weitergeleitet.“ Das solle sich möglichst bald ändern. Auch deswegen sei es wichtig für Redaktionen, auf WhatsApp Präsenz zu zeigen – aller Umständlichkeit zum Trotz.
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