Kolumne Macht: Das, was sie wirklich meinen
Manche wollen nicht verstehen, was an Pegida schlimm ist. Dabei ist es ganz einfach: Pegida ist ausländerfeindlich und rassistisch.
W enn ein Mann zu seiner Frau sagt, die Wohnung sei völlig verdreckt, dann kann das die nüchterne Feststellung einer Tatsache sein. Aber in neun von zehn Fällen ist gemeint: „Fang endlich an zu putzen!“ Und der Subtext wird auch verstanden, weshalb sich solche Sätze wunderbar für einen Ehekrach eignen.
Das Doppelbödige und Unausgesprochene ist oft das eigentlich Interessante an zwischenmenschlicher Kommunikation. Alle können derartige Signale lesen: Erwachsene Kinder und ihre Eltern, Berufstätige und deren Vorgesetzte, Politiker und deren Anhänger. Die Einzigen, die davon offenbar noch nie gehört haben, sind die Leute, die nicht verstehen, was an Pegida eigentlich schlimm sein soll.
„Pegida hetzt doch gar nicht gegen Muslime!“, schreibt mir ein Leser. Parolen, die sich gegen religiösen Fanatismus, gegen Islamismus oder gegen Religionskriege auf deutschem Boden richteten, könne er alle unterschreiben. Ja, das kann ich auch. Mühelos. Wer nicht?
Jede Forderung braucht einen Adressaten, der die Forderung bisher ignoriert hat, sonst ist es keine. Wer gegen eine Invasion von Marsmenschen demonstriert, dürfte ziemlich allein auf der Straße stehen. Es muss also jemanden geben, dem die Anhänger von Pegida unterstellen, Islamismus und relgiösen Fanatismus ganz prima zu finden – oder zumindest nicht entschlossen genug dagegen zu kämpfen.
Wer soll das sein? Regierung, Medien, Parlament? Man weiß es nicht. Denn die Teilnehmer der Demonstrationen haben ja offenbar kein Bedürfnis, ihre Position zu erläutern, sondern verweigern das Gespräch. Sie erklären Schweigen zum Konzept.
Gegen Marsmenschen
Buchpaläste verschwinden aus der Innenstadt. Autorinnen haben künftig sieben Jobs gleichzeitig. Ein Kunde ist noch lange kein Kritiker. Und kleine Buchläden sind wie Eisbärenbabys. Was vier junge Schriftstellerinnen über Amazon denken, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 20./21. Dezember 2014. Außerdem: Vögeln ist schön. Die Autorin des gleichnamigen Buches spricht mit Jan Feddersen über Verklemmtheit und das uneingelöste Versprechen der freien Liebe. Und: 2004 entvölkerte der Tsunami beinahe die indonesische Provinz Aceh. Wie findet man nach so einer Katastrophe wieder ins Leben? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
„Wenn Sie als Presse nicht immer nur mit Totschlagworten auf die Menschen, die es satthaben, einschlagen würden, dann würden Sie auch wissen, was die Haltung Ihrer Leser ist“, teilt mir eine Leserin mit. Das Totschlagwort, das sie meint, ist vermutlich Rassismus. Aber wie soll man die Pegida denn sonst nennen?
Der Name der Bewegung bedeutet: „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Wenn das sinnvoller sein soll als ein nimmermüder Kampf gegen die Invasion von Marsmenschen, dann muss diese Islamisierung drohen. Irgendwo im Abendland. Was habe ich verpasst? Soll in Deutschland jetzt die Scharia eingeführt werden? Kommt in Dresden demnächst der Burkazwang? Wird in München das Bier verboten?
Nein, das glaubt niemand. Auch nicht die Organisatoren der Pegida und ihre Verbündeten von der AfD. Sie verlassen sich ganz einfach darauf, dass der Subtext dessen, was sie sagen – also das, was sie wirklich meinen –, schon verstanden werden wird. Und damit haben sie recht. Es ist eindeutig. Und deshalb nenne ich die Pegida ausländerfeindlich und rassistisch.
Politiker und Journalisten müssen die Doppelbödigkeit von Texten eigentlich besonders gut erkennen und analysieren können, das gehört zu ihrem Beruf. Wenn Führungskräfte der Unionsparteien jetzt immer häufiger Verständnis für die Pegida-Demonstranten zeigen und Innenminister Thomas de Maizière behauptet, viele Teilnehmer brächten einfach „ihre Sorgen zum Ausdruck vor den Herausforderungen unserer Zeit“, dann ist das vermutlich verlogen und populistisch.
Schlimmer wäre nur, wenn auch de Maizière glaubte, die drohende Islamisierung des Abendlandes sei eine Herausforderung unserer Zeit. Einen solchen Realitätsverlust möchte man beim Bundesinnenminister nicht befürchten müssen.
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