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Kolumne Luft und LiebeDann nimmt man sie halt nackt

Eifersucht, Endoskopie und Esoterik: Mit Frauen lässt sich alles dekorieren. Eine kurze Recherche bei „Focus“, „Stern“ und „Spiegel“.

Na toll, und Sie gucken wieder voll hin. Bild: dpa

M an kann ja über Frauen sagen, was man will, aber praktisch sind sie. Jedenfalls dann, wenn man im Layout einer Zeitschrift arbeitet. Wenn man nämlich eine Titelseite zu irgendeinem Thema plant und keine Idee hat, dann nimmt man einfach eine Frau. Und wenn man keine Ahnung hat, was diese Frau anziehen könnte, dann nimmt man sie halt nackt.

Weil ich demnächst in ein paar Schulen Workshops machen werde über Sexismus und Verdinglichung, wollte ich ein paar Titelseiten raussuchen, so als Unterrichtsmaterial. Das bietet sich auch an, weil die Schülerinnen und Schüler in der Oberstufe sein werden, und da machen sie sich bestimmt Gedanken, was für einen Beruf sie später haben wollen, und dann kann ich denen gleich mal zeigen, dass so ein Job im Layout von Focus, Stern oder Spiegel nicht so unfassbar anspruchsvoll ist und dass man da auch ganz gut arbeiten kann, wenn bei einem obenrum nicht immer alle Lämpchen leuchten.

Ich wollte also fünf oder sechs Beispiele raussuchen für Fälle, in denen eine ziemlich nackte Frau oder Teile einer ziemlich nackten Frau auf dem Titelblatt drauf sind, ohne dass das Thema „Ziemlich nackte Frauen“ oder „Teile von ziemlich nackten Frauen“ ist.

Und jetzt kann ich mich nicht entscheiden, denn ich hab innerhalb einer Stunde Beispiele gefunden zu den Themen: Abnehmen ohne Stress (zweimal), Abnehmen und Ess-Typen, alternative Medizin, Anti-Aging-Programme, Ärzte-Check, Bluthochdruck, Demenz, deutsche Schicksalsjahre, Deutschland, Diabetes, Diät und Durchhalten, Diät-Gesellschaft, echt schöne Zähne, Eifersucht, Endoskopie, erfolgreiches Abnehmen für Männer und Frauen, Esoterik, falsche Zahnarztbefunde, Gerüche, gesunde Haut, gesunde Zähne, gesundes Essen, Gesundheit und Vererbung, Griechenland und „unser Geld“ (zweimal), Haut und Berührung, Hautforschung und Milliardenmarkt Kosmetik, Heilkraft der Bewegung, Hormone, Hilfe für den Rücken, Impfen, Knieprobleme und Knieheilmethoden, Kopfschmerzen, Krebs, Lexikon der Sexualität, Logik der Gefühle, Medizin-Apps und Patienten-Portale, Mütter, Naturheilverfahren (zweimal), neue Kameras, neue Mittel gegen Allergien, Partnerbörsen im Internet, Reisen und Krankheiten, richtig gut schlafen, Röntgenstrahlung und ihre Gefahren (zweimal), Rückenmedizin, Rückenschmerzen (viermal), Salz, sanfte Medizin, Schlafrhythmus und Einschlaftricks, Schlafrhythmus und innere Uhr, schlank werden und schlank bleiben, schöne Haut, schöne Zähne und Zahnversicherungen, Schwangerschaft und Geburt, Selbstbewusstsein und Wechseljahre, Sexpillen, Sigmund Freuds 150. Geburtstag, späte Eltern, Stress mit der Bandscheibe, Treue, Umwelt und Krankheiten, Untreue, Urlaub, Übergewicht, versteckte Entzündungen, Vorsorge und Früherkennung, Weight Watchers, Wellness in Deutschland und Zucker – also im Grunde alles außer Tiernahrung.

Und ich hab das Gefühl, vielleicht kommen die Schülerinnen und Schüler sogar auch ganz von allein drauf, warum es nicht cool ist, Frauen als Deko zu benutzen.

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Margarete Stokowski
Autorin
Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff
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11 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • sie schreiben: "dann kann ich denen gleich mal zeigen, dass so ein Job im Layout von Focus, Stern oder Spiegel nicht so unfassbar anspruchsvoll ist und dass man da auch ganz gut arbeiten kann, wenn bei einem obenrum nicht immer alle Lämpchen leuchten."

     

    über diesen Satz habe ich mich besonders gefreut, denn ausgerechnet der Banner, bei dem die TAZ um Bezahlung bittet, der am Anfang über dem Text liegt, war ebenfalls mit einer Frau bebildert, die lediglich Klebeband über ihren Nippeln hatte.

    Was kann ich jetzt daraus für den Anspruch für einen Job im Layout von der taz schließen?

  • "Und ich hab das Gefühl, vielleicht kommen die Schülerinnen und Schüler sogar auch ganz von allein drauf, warum es nicht cool ist, Frauen als Deko zu benutzen."

    Damit wären Sie schon weiter als so mancher meiner Mitkommentatoren...

    • @Marcus:

      Es muss ja auch nicht immer alles cool sein.

  • Nach allem, was ich über Medien und Werbung weiß, soll ein solches Titelbild doch hauptsächlich Blickfang sein und die richtige Zielgruppe ansprechen, die das Produkt dann auch kauft.

    Nun würde ich doch denken, eine nackichte Frau (oder ein Teil einer solchen) zieht primär die Blicke der Männer auf sich. Die aufgelisteten Themen sind aber nicht unbedingt solche, für die sich landläufig primär Männer interessieren.

    Fällt den Layoutern einfach nichts anderes ein, oder wo ist das Problem?

     

    (Ich find's übrigens drollig, daß es die Mehrzahl der bisherigen Kommentatoren ganz okay zu finden scheint... Viel Spaß, Jungs!)

  • Auch hierzu hat die Titanic, schon im November 1993, Endgültiges gesagt.

    http://www.titanic-magazin.de/heft/klassik/1993/november/

    • @Tatzelbrumm:

      You made my day!

  • hoffentlich wird die schulung in etwas tiefere und breiter theooruen über repäsentative öfffentlichkeit "eingebettet".

     

    da scham vor nacktheit absolut verdammenswert, sozial und einzelpsychologusch katatsatrophal isr, scham ist unlust!! (zu brav, zu passiv repressiv, der nicht sexuelles dabei mitassoziiert) !

     

    ! monoat im jashre nbut nacktfotosa aller in zeitu7ngen undauftachenden personewnen.

     

    die norwegische (?9 präsidenti8n hast in diesem sinne vernünfztigerweise im amt nacktfotos von sich veröffentlichen lassen!! (wen es keiimne fakemekldung watr)

  • Ich finde dieses völlig in Ordnung, und keineswegs "Verdinglichung". Im Gegenteil, ich halte diese klemmige, puritanische und moralinsaure Art und Weise, aus allem und jedem ein Politikum und ein Gott-weiß-wie-wichtig-Bohei zu veranstalten, für die wesentlichunangenehmere, unsympathischere Erscheinung. Zumal, da es fürs predigen wohl Geld gibt - wer bezahlt das?

    • @ioannis:

      Ach so, sie finden das nicht, na dann ist ja zum Glück alles geklärt, Danke. Leider ist natürlich die Methode, das Aufzeigen von gesellschaftlich-systemischem Sexismus als Verklemmtheit abzutun, schon bemerkenswert billig.

  • Mir würde jedenfalls was fehlen, wenn man statt nackter Frauen nur noch Frauen im lila Landhaus-Retro-Look, frisch frisierte Hunde, süße kleine Kätzchen, Gärtner mit Strohhut in grünen Latzhosen und allzeit gut gelaunte Babys mit weichem Keks als Sättigungsbeilagen hätte. Das wär für mich noch schlimmer, als würde man mich zwingen, stundenlang Fernsehserien mit Nonnen, Mönchen und Pfarrern in seit Ewigkeiten geschlossenen Klöstern anzuschauen.

  • Haha, ein Phänomen über das ich mich schon seit Jahren im Kiosk vor der Zeitschriftenauslage amüsiere. Und wenn's keine nackte Frau ist, dann der kleine Mann mit dem Bart. Wobei, zumindest beim Spiegel, letzterer zunehmend von Putin abgelöst wird.