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Kommentar NSU-Ausschuss in ThüringenIm Nazigehege

Andreas Rüttenauer
Kommentar von Andreas Rüttenauer

Thüringens Landtag leistet gute Aufklärungsarbeit zum NSU-Komplex. Doch die Spitzelversteher machen weiter Karriere.

NSU-Akten in der Landespolizeidirektion in Erfurt Bild: dpa

W ie Kindern, die bei irgendeinem Blödsinn erwischt worden sind, bleibt der Politik nach Abschluss des NSU-Untersuchungsausschusses im Thüringer Landtag nichts anderes übrig, als Abbitte zu leisten. Der Staat trägt eine Mitschuld an den rassistischen Taten der Mördertruppe. Das Hätscheln der Nazis durch Verfassungsschutzbehörden darf getrost als Fürsorge bezeichnet werden.

V-Männer wurden fettgefüttert vom Staat. Die Spitzelbehörden haben polizeiliche Ermittlungen nicht nur einmal behindert. Man wusste vieles über dieses Staatsversagen, bevor die Thüringer ihren Bericht veröffentlicht haben. Jetzt weiß man tatsächlich mehr.

Und noch mehr wüsste man, wenn sich endlich auch das Bundesamt für Verfassungsschutz an der Aufklärung jener verhängnisvollen Nazihege in Deutschland beteiligen würde. Den Thüringer Parlamentariern verweigerte es die Zusammenarbeit. Das hat Tradition.

Klaus-Dieter Fritsche, der ehemalige Vize-Chef des deutschen Inlandsgeheimdienstes, verweigerte dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zum NSU seinerzeit fast jede Antwort. Seit Januar ist Fritsche als beamteter Staatsekretär im Kanzleramt für die Geheimdienste zuständig. Wie sollen die Angehörigen der Terroropfer das wohl deuten?

Genauso dürften sie sich fragen, wie es sein kann, dass Gordian Meyer-Plath neuer Verfassungsschutzchef in Sachsen geworden ist. Der ist als Spitzelversteher von Brandenburg in die Geschichte der NSU-Aufarbeitung eingegangen.

Informationen über die Waffenbeschaffung des NSU durften aus Rücksicht auf die als V-Leute bezahlten Nazis nicht an die Polizeibehörden weitergegeben werden. Diese Beförderungen passen so gar nicht zu den wohlfeilen Entschuldigungsworten.

Und über all dem Wahnsinn, der sich in Thüringen einmal mehr offenbart hat, bleibt die eine große Frage weiterhin stehen: Hätten die Behörden so gehandelt, wenn die Opfergruppe eine andere gewesen wäre? Reden wir also über Rassismus!

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Andreas Rüttenauer
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8 Kommentare

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  • Mich würde auch interessieren, ob und inwiefern diese Geschichte mit der geheimen NATO-Geheimarmee "Gladio" zusammenhängen könnte (offiziell nach 1990 aufgelöst. Aber wer sagt, dass es sie nicht doch noch gibt und z.B. beim Putschen mithilft?). Das ergäbe eine weitere Erklärung für die vielen Maulkörbe, die in dieser Sache verhängt wurden. Mit Händen und Füßen wehrte sich die SPD in Baden-Württemberg auch einen U-Ausschuss zu bilden. Damit nichts zu tun hat zwar, dass der SPD-Innenminister sich genauso heftig dagegen wehrt, das Wahlversprechen einzulösen, Polizisten durch Namensschilder oder Nummern für die Kunden kenntlich zu machen, aber es zeigt, was für ihn wichtiger ist: Einbunkern oder Aufklären.

  • "Die Spitzelversteher machen weiter Karriere" - das wenigstens sind deutliche Worte, für die ich Herrn Rüttenauer ebenso danke wie dafür, daß er sich nicht scheut, sie beim Namen zu nennen: Klaus-Dieter Fritsche und Gordion Meyer-Plath. - Trotzdem sind noch viel größere Zweifel am gesamten NSU-Komplex angebracht, als bisher auch in der TAZ zu lesen waren. Manchmal ist es hilfreich, zu dem Zeitpunkt zurück zu gehen, an dem "alles begann" - für die Öffentlichkeit war das der November 2011. Am 21.11.2011 schrieb Eberhardt Pfeiffer in der "Thüringer Allgemeinen": "Wie auf einem Silbertablett werden den Ermittlern im Nachlass der toten Gangster Beweise für viele Taten präsentiert, in einer Fülle, die stutzig macht. Es wirkt, als hätten sie die Aufklärung der Taten genau so akribisch geplant wie diese selbst." Dies unter Überschrift: "Ein Geruch von Inszenierung im Fall der Jenaer Neonazis". (http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Ein-Geruch-von-Inszenierung-im-Fall-der-Jenaer-Neonazis-436860266) Ich denke, viele hatten damals ähnlich gedacht. Wie etwa Nils Minkmar in der FAZ, der vermutete, daß eine solche Serie von Taten über 13 Jahre nur unentdeckt bleiben konnte, weil Geheimdienste die Täter schützten. In der TAZ schrieb der Kripo-Chef von Berlin-Mitte: "Von dem, was hier öffentlich dargestellt wird, glaube ich nicht die Hälfte, genau genommen fast nichts. Und ich fühle mich bei Gesprächen mit Kollegen, Freunden, jung oder alt, mit dieser Einschätzung nicht gerade als Außenseiter." (http://www.taz.de/Rechtsradikale-Mordserie-/!82387/)

    Die Sicherheitsbehörden spielen ihre Machtspiele auf dem Rücken des Rechtsstaates.

  • Noch so ein Verein mit dem Anspruch auf Unfehlbarkeit - einfach lächerlich. Mittlerweile hat es sich sogar bis zu Papstens herumgesprochen, dass sich Unfehlbarkeit nicht mit Menschsein verbinden lässt.

     

    Ich wüsste einen ausgezeichneten Kandidaten mit Bodenhaftung und persönlicher Aussen-Erfahrung für eine Spitzenposition im BND - Erich Schmidt-Eenbohm. Natürlich würde er dort eventuell auf den einen oder anderen vergangenheitsbezogenen Vorbehalt stoßen. Aber als demokratisch denkender Bürger würde ich meinen, dass dieses verantwortungsvolle Amt bei ihm in guten Händen wäre. Da würde wahrscheinlich mit dem eisernen Besen gekehrt und das wäre aus meiner Sicht seit Jahren überfällig. Leider ist zu vermuten, dass er dafür nicht zur Verfügung stehen wird.

     

    Naja, war nur ein Tip für den Weihnachtswunschzettel...

  • Ich finde es gut, dass der Bericht jedem zugänglich ist. So kann jeder erkennen, wie wohl die Behörden mit den Nazis zusammen gearbeitet haben.

  • Das ist der ganz normale Wahnsinn im hiesigen Lande. Bei Versagen geht's, wenn man schon oben ist, eher in noch höhere oder weichere Zonen.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Na logisch machen Hauptverantwortliche dieses Skandals Karriere. Wieso auch nicht? Würde man sie absägen, so müsste man ja zugeben, Fehler gemacht zu haben. Und da deutsche Behörden oder Politiker keine Fehler machen, ist es eben so. Es wäre eine extreme Ausnahme, würde man unangenehme Konsequemzen ziehen. Anstand gibt es in diesen Kreisen nicht - hat es nie gegeben.

  • Wie schön,dass man diesem Verein gerade eine riesige Trutzburg mitten in die Berliner Innenstadt gebaut hat.Sozusagen als kleine Erinnerung für alle Hauptstädter und Besucher,dass Big Brother sie beobachtet.Nichts anderes tut dieser Verein.Sein eigentliches Ziel ,die Staatsorgane auf ihre Verfassungstreue zu kontrollieren,hat er eigentlich noch nie wahrgenommen.

  • Ohne die V-Leute wären Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt gar nicht in die Lage gekommen, Terror zu machen, Menschen zu töten. Und die Geheimdienste blocken in einer Mordermittlung - das ist ein ziemlicher Skandal. Die Untersuchungssausschüsse können auch nur etwas Licht ins Dunkel bringen, aber das gesamte Bild bleibt unter Verschluss. Während der Staat mit großen Aufwand die RAF jagte, die kaum über 50-80 Personen zählte, schaute man bei einer 4000-6000 starken Neonazi-Gewaltäterformation schaute man weg. Man bildete von dieser hauptsählich männlichen Scharr auch noch gute 80 Prozent bei der Bundeswehr an echten Waffen aus. Immer dabei Geheimagenten, die für den Staat Mitarbeiter werben wollten. Die Thüringer sollten ihre SPD/CDU-Regierungen abwählen. Das wäre m.M. ein erster Schritt. Und sie sollten den Verfassungsschutz abschaffen. Das wäre für alle sicherer.