■ Dem Rassismus verpflichtet: Neugermanische Gruppen
„Neugermanische“ oder „neuheidnische“ Gruppen sind religiöse Überhöhungen des Rassendenkens, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkam, und zugleich des Antisemitismus, der damals durch rassistische Formeln unterlegt wurde.
Die neuheidnisch-neugermanischen Gruppen greifen auf vermeintlich germanisch-völkische Religionsformen zurück. Da es aber keine authentischen schriftlichen Überlieferungen über germanische oder keltische Riten gibt, werden Rituale und Mythen erdacht und mit rassistischen Elementen verbunden.
„Neuheidnische“ Elemente in diesen Gruppen sind vor allem Versuche, wieder eine „ursprüngliche“ Religion, Gesellschaft oder Beziehung zwischen Mensch und Natur zu etablieren. Das „Ursprüngliche“ wird dabei in den eigenen europäischen Wurzeln, etwa bei den Kelten, Germanen oder Hexen, gesucht. Es mischt sich mit magischen, okkulten und mythischen Ansätzen.
„Neugermanische“ Elemente in diesen Gruppen beruhen auf dem Glauben an eine Höherwertigkeit der germanisch-nordischen „Rasse“. Ihre Lehre fußt auf einer nationalen Gesinnung, einer Rassetheorie und einem Blutmythos. Demnach kann die „nordische Rasse“ als Spitze aller Rassen durch Vermischung „degeneriert“ und zerstört werden. Deshalb müsse sich diese Edelrasse schützen und von Eindringlingen befreien.
Anfang dieses Jahrhunderts versuchten einige völkische Gruppen, eine „germanische Nationalreligion“ zu schaffen, wozu meist religiöser Antisemitismus gehörte. Es entstand unter anderem der „Ordo Novi Templi“ des Georg Lanz, der sich Jörg Lanz von Liebenfels nannte und in Adolf Hitler einen glühenden Verehrer fand. Diese religiösen Bewegungen gelten als einer der geistigen Wegbereiter des Nationalsozialismus in Deutschland.
Zu den neugermanischen und neuheidnischen Zusammenschlüssen gehören unter anderem: der Armanen-Orden, der Bund für Gotteserkenntnis (Ludendorff), der Deutsche Orden, die Deutschgläubige Gemeinschaft, die Artgemeinschaft (siehe diesen Artikel), die Gylfiliten, die Gemeinschaft der Goden, die Mistelcoven, die Schildgemeinschaft, der Tempel der Semnonen, Irminsul, die Gemeinschaft zur Erhaltung von Burgen und die inzwischen verbotene Wiking-Jugend. Philipp Gessler
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