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Streit um Lufthansa-Doku in der ARD„Ausgenutzt, ausgebeutet“

Die ARD zeigt am Montag in „Die Story“ eine Doku über „Nervengift im Flugzeug“. Intern streitet man um Autorenschaft und Inhalt.

Gift in der Luft, Streit am Boden: Szenenbild aus der Dokumentation. Bild: WDR/mauritius images

„Nervengift im Flugzeug“, ein brisantes Thema, aber nicht etwa die Luftfahrtbranche geht gegen die Sendung aus der Reihe „Die Story“ heute Abend in der ARD vor. Drei Anwaltsbriefe kamen von an der Produktion Beteiligten, darunter dem faktischen Hauptautor der Dokumentation, Tim van Beveren.

Bis heute kennt van Beveren die Sendefassung seines Films über sein Hauptthema nicht. Er muss davon ausgehen, nicht als Autor genannt zu werden. Nach Zehntausenden Flugkilometern, weltweiten Dreharbeiten und 28 Tagen Schnitt eskalierte die Lage zwischen ihm, dem Koautor und WDR-Redakteur Roman Stumpf sowie dem verantwortlichen Redakteur Jo Angerer. Angerer und Stumpf sehen eine Fassung vom 7. Juni weitestgehend als Endfassung, abgenommen von Chefredakteurin Sonia Mikich. Van Beveren hingegen: „Das war eine verbesserungswürdige Diskussionsgrundlage, nicht zugespitzt und ohne die investigativen Recherche-Elemente.“ Die abgenommene Version sei zudem ohne Teamarbeit mit seinem Koautor Stumpf zustande gekommen.

Joachim Angerer sagt, es habe zwar Konflikte gegeben, die seien aber lösbar gewesen. Er sieht die Chefredakteursvorführung als einvernehmliche Abnahme. Er schickt den Berliner van Beveren nach Hause, um in Köln die letzten „vereinbarten“ Änderungen selbst zu schneiden: „zwei dramaturgische Umstellungen und eine inhaltliche Änderung, die eine nicht belegbare Behauptung betraf“.

Das sieht van Beveren anders. Er verlangt von Angerer Änderungen an Schnitt und Text und bietet vergeblich an, die Produktion am eigenen Schnittplatz zu Ende zu führen. Zu den inhaltlichen Auseinandersetzungen kommen Konflikte mit dem Koautor und ein Streit über eine angemessene Bezahlung von Dreharbeiten, die van Beveren als Kameramann mit eigener Ausrüstung für den Film durchführte. Um seinen Anspruch auf Honorar zu untermauern, mailt der Autor, er sehe seine „Verpflichtungen als Autor gegenüber dem WDR als erfüllt an“. Und als Angerer auf seinem Vorgehen besteht, verwahrt er sich dagegen, dass sein Name „unter diesen Voraussetzungen“ noch genannt wird. Beides zusammen wertet Angerer als kompletten Ausstieg van Beverens aus dem Dokuprojekt – gegen dessen Protest.

Fehlende Einwilligung

Vielleicht kam Angerer ein Ausstieg gelegen. Schon im Februar spielte er van Beveren in einer Mail an die Lufthansa-Pressestelle zum „fachkundigen Co-Autor“ herunter: „Redaktionell könnte er auf den Film keinen Einfluss nehmen. Filmautor ist […] Dr. Roman Stumpf, der Film wird von mir redaktionell abgenommen.“ Mittlerweile beschädigt der Streit zwischen Autor und Redaktion den Inhalt der Doku.

Die Flugbegleiterin R. zog ihre Einwilligung zurück, das mit ihr gedrehte Material zu nutzen. Nun kommt ihr Fall nicht mehr in der Sendung vor, einer der Paradefälle von Menschen, die nach einem Unfall mit Kabinenluft schwer erkrankt sind. Prof. Ronald Schmid, Rechtsbeistand der Condor-Flugbegleiterin: „Ich hatte keine Bedenken, dass Frau R. Herrn van Beveren ein Interview gibt, weil ich ihn als vertrauenswürdigen, seriösen Journalisten kenne, der Vereinbarungen einhält. Wenn er aber nun beim WDR nichts mehr zu sagen hat, dann kann sie sich nicht mehr darauf verlassen, dass seine gegebenen Zusagen eingehalten werden.“ Im Sender sei man offenbar so arrogant, dass man meine, nicht mit ihm, Schmid, reden zu müssen. Andernfalls „hätte man da noch was machen können“.

Mögliche Schadenersatzforderung

Rechtsanwalt Frank Cannon aus Glasgow zog gegenüber dem WDR die Genehmigung für die Nutzung der Interviews und Filmszenen mit ihm und vier Wissenschaftlern zurück. Es geht um die Untersuchung der Todesursache eines möglicherweise an den Folgen von Kabinendämpfen gestorbenen British-Airways-Piloten. Dabei beruft sich Cannon auf den Vertrag zwischen ihm, dem WDR und van Beveren, dass das Material bis zur eigenen Publikation der Untersuchungen vertraulich ist. Alles habe auf der Zusammenarbeit mit van Beveren beruht, auch die detaillierte Freigabe von Material für die Sendung „Die Story“, schreibt Cannon nun. Gegenüber Cannon gab der WDR nicht nach – und riskiert damit Schadenersatzforderungen.

Tim van Beveren sagt, dass er offiziell nicht mehr als Koautor gelte, habe er „durch eine E-Mail nicht vom WDR, sondern der Lufthansa Pressestelle erfahren. Meine Loyalität zum WDR wurde ausgenutzt. Ich fühle mich von Angerer ausgebeutet.“

Am vergangenen Freitag erreichte den WDR das Fax seines Rechtsanwalts Frank Fischer. Er warnt davor, van Beverens Recht als Urheber zu verletzen. Sein Klient müsse den Film vor der Sendung zu sehen zu bekommen, um entscheiden zu können, ob sein Name im Abspann genannt werden soll.

Die Dokumentation

Nervengift im Flugzeug: 7. Juli, 23 Uhr, ARD.

Unterdessen verbreitet die Lufthansa im firmeneigenen Intranet genüsslich die Nachricht, dass die ARD ihren Mitarbeiter van Beveren, der seit sechs Jahren über Gift in der Kabinenluft berichtet, nicht mehr als Autor der Doku nennt.

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6 Kommentare

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  • Damit hier kein falscher Zungenschlag aufkommt: ich bin nach wie vor überzeugt, dass das was ich hier als 'freier Mitarbeiter' der größten deutschen Sendeanstalt erleben musste, nicht der generellen Grundhaltung der Kolleginnen und Kollegen im WDR entspricht.

     

    Tja, aber offen gestanden bin ich erschüttert, was hier aus einem guten Thema, (m)einer sehr soliden Recherche- und Beleglage dann letztlich am gestrigen Abend über den Sender gegangen ist.

     

    Diejenigen die meinen journalistischen Stil und Film(Sprache)e kennen, haben wohl sehr schnell gemerkt, dass dieser Film nicht dem entspricht. - Bin ich jetzt insofern erleichtert, dass es "angeblich" nur noch ein Film meines Co-Autoren ist?

     

    Neben vermeidbaren Ungenauigkeiten fallen mir falsche Schlussfolgerungen auf, die beim Zuschauer zu falschen Eindrücken führen können. Also Dinge, die wohl kaum einer sachlichen, korrekten und ausgewogenen Berichterstattung dienen.

     

    Leider hat es der zuständige Redakteur auch gestern nicht für notwendig befunden, mir den Film vor der Ausstrahlung noch einmal zu zeigen. Da hätte man vieles noch retten können. - Sehr bedauerlich.

     

    "Professionell" geht jedenfalls da, wo ich gelernt habe, anders.

     

    Tim van Beveren, Journalist, Berlin

  • Es ist auch schlimm, wie mit so einem Verhalten das eigentliche Thema beschädigt wird, "Unterdessen verbreitet die Lufthansa im firmeneigenen Intranet genüsslich die Nachricht".

    Aus egoistischen Interessen Einzelner (Angerer), werden mal wieder viele geschädigt und das als "Journalist". Sehr traurig.

  • Was sich der öffentlich-rechtliche Sender da im Umgang mit seinen Mitarbeitern erlaubt, ist schlichtweg äußerst unprofessionel und grenzt an Illegalität.

  • @Tim van Beveren. Gut dass Sie mutig waren und das hier öffentlich machen. Viele junge Filmschaffende arbeiten um in die Branche reinzukommen - für Produktionsfirmen unentgeltlich, auf Rückstellung und werden dazu dann als Autoren auch nicht genannt. Somit - die Branche hat sich geändert.

    AG DOK ist da ein guter Lobbyist dagegen. Kann ich empfehlen.

  • Als Autor ist es schon irgendwie ein komisches Gefühl zu wissen, dass da in ein paar Stunden ein Film läuft, an dem ich immerhin über ein Jahr gearbeitet habe, alle Recherchen durchgeführt habe und trotzdem bis jetzt immer noch nicht weiss, was da gleich über den Sender flimmert... Hab ich so jedenfalls in den vergangenen 25+ Jahren, die ich für diesen Sender eigentlich immer gerne gearbeitet habe, noch nie erlebt... Na ja, die Zeiten haben sich in der Tat geändert und die Einstellungen offenbar auch.

    Tim van Beveren, Journalist, Berlin

    • @tim van beveren:

      Auch wenn es Ihnen kein Trost ist: aber Sie sind nicht der erste ambulante Patient einer öffentlich-rechtlichen Anstalt, dessen Filme von den stationären Insassen verschlimmbessert werden.

       

      Allein beim Lesen des Artikels wird mir schlecht bei dem Gedanken, wieviele Zwangsgebührengelder für diese Produktion offenbar in den Sand gesetzt worden sind. Dafür wurde dann beim Autorenhonorar offenbar gespart?

       

      Falls Herr Schönenborn noch einmal Gelegenheit haben sollte, uns die Demokratieabgabe schmackhaft zu machen, sollte man ihn an dieses Filmprojekt erinnern. Und es ist noch nicht einmal ein Einzelfall.

       

      Neben der finanziellen Seite finde ich es besonders beschämend, wie solche Sender mit langjährigen Mitarbeitern umgehen. Wer selber warm sitzt und an seiner institutionellen Karriere bastelt, hat offenbar wenig Verständnis für die, die die Qualität ihrer Arbeit jeden Tag aufs neue am Markt beweisen müssen.

       

      Wenn ich böse wäre (was ich natürlich nicht bin), könnte ich auf den Gedanken kommen, daß sich festangestellte Redakteure auf Kosten ihres freiberuflichen Kollegen zu profilieren versuchen. Soll alles schon vorgekommen sein!