Vorfall am Bundesverfassungsgericht: Der falsche Briefträger
Ein Anwalt benutzt den Briefkasten des Bundesverfassungsgerichts und liegt danach gefesselt am Boden. Die Bundespolizei schweigt über die Gründe.
BERLIN taz | Ausgerechnet vor dem Bundesverfassungsgericht wurde der dunkelhäutige Rechtsanwalt David Schneider-Addae-Mensah nach eigener Darstellung von einem Bundespolizisten „angegriffen und verletzt“. Der Vorfall ereignete sich am 14. April kurz nach Mittag. Der Anwalt warf in den Briefkasten des Gerichts am Schlossbezirk eine Vollmacht ein. Als er weggehen wollte, winkte ihn ein wachhabender Bundespolizist heran.
Er wollte wissen, was der Mann eingeworfen habe. Der Anwalt entgegnete, das gehe ihn nichts an. Der Polizist wollte nun den Ausweis des Anwalts sehen. Dieser jedoch wollte weggehen. Der Polizist ergriff den Mann und zog ihn zu seinem Wachhäuschen. Der Anwalt rief um Hilfe. Der Polizist drehte ihm den Arm auf den Rücken und warf ihn auf den Boden. Zwei weitere Polizisten kamen hinzu und legten ihm Handschellen an. Nach 15 Minuten wurden die Handfesseln wieder entfernt, und der Anwalt konnte gehen.
So schildert David Schneider-Addae-Mensah den Vorfall am nächsten Tag in einem Brief an Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Es bereite ihm Sorge, „dass der Rechtssuchende offenbar nicht mehr gefahrlos den Briefkasten des Gerichts benutzen kann“, so der Anwalt.
Schneider-Addae-Mensah, Sohn eines Ghanaers und einer Bayerin, ist ein profilierter Menschenrechtsanwalt. Viele seiner Fälle betreffen die Rechte von psychisch Kranken. 2009 erreichte er mit einer Klage den zeitweisen Stopp der Zwangsmedikamentation von psychisch gestörten Straftätern.
Polizist angezeigt
Die Bundespolizei konnte auf Nachfrage nicht mitteilen, warum sie den Einwurf eines Briefs so verdächtig fand und auf welcher Rechtsgrundlage der Ausweis des 42-jährigen Anwalts kontrolliert werden sollte. Allerdings hat die Polizei bereits Ermittlungen gegen Schneider-Addae-Mensah aufgenommen – wegen Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Er habe die beteiligten Polizisten als „Drecksbullen“ bezeichnet.
Außerdem habe er sich ständig losgerissen, als ihn die Polizisten zu ihrem Postenhaus „begleiteten“. Schneider-Addae-Mensah bestreitet beides in einer eidesstattlichen Erklärung und hat seinerseits den mutmaßlichen Angreifer angezeigt – wegen falscher Verdächtigung, Verfolgung Unschuldiger, Freiheitsberaubung, Körperverletzung im Amt, Nötigung und Verleumdung.
Der streitbare Anwalt ist Konflikte mit der Polizei gewohnt. Wegen seiner Hautfarbe wird er häufig kontrolliert. Er verwickle die Beamten dann in Diskussionen. Im aktuellen Fall habe er aber kein Indiz dafür, dass seine Hautfarbe eine Rolle spielte. Er fand den Polizisten eher psychisch auffällig.
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