Deutsche Polizei in Libyen: Grenzsicherung ohne Menschenrechte
Libysche Milizen sollen für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sein. Zur Abwehr von Flüchtlingen werden sie von deutschen Polizisten trainiert.
BERLIN taz | Deutsche Polizisten trainieren den libyschen Grenzschutz, obwohl der aus Milizen besteht, die teils schwere Menschenrechtsverletzungen begehen. Das geht aus einer Antwort des Auswärtigen Amtes auf eine Anfrage der Linken hervor.
Im Rahmen der European Border Assistance Mission der EU sind seit April 2013 mehrere deutsche Polizisten nach Libyen entsandt worden. Aufgabe der Mission, an der jetzt auch Frontex beteiligt ist, ist die „Stärkung der Kontrolle der Behörden über die Landesgrenzen“. Bislang wurden etwa 300 libysche Sicherheitskräfte trainiert.
Die libysche Armee sei „nicht mehr intakt“, die Grenzschutzeinheiten bestehen „zu großen Teilen aus Angehörigen ehemaliger Aufständischer“, heißt es in der Antwort des Auswärtigen Amtes. Darunter sind vielfach aktive Milizionäre. Die Grenzschützer agieren bis heute ohne gesetzliche Grundlage: Ein „neuer regulatorischer Rahmen“ für sie werde erst noch „zu schaffen sein“, so das Auswärtige Amt.
Zu Zeiten Gaddaffis wurden auf dem Weg nach Europa aufgehaltene Transitmigranten unter grausamen Bedingungen interniert. Daran hat sich unter der Herrschaft der Milizen nicht viel geändert: „Effektiver Menschenrechtsschutz wird aufgrund des fehlenden staatlichen Gewaltmonopols nicht ausreichend gewährleistet“, schreibt das Auswärtige Amt. „Fehlverhalten, insbesondere durch Milizen, wird oft nicht geahndet.“
Keine Beratung zur Rechtsordnung
Nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes befinden sich etwa 8.000 Internierte „größtenteils ohne Gerichtsverfahren in nicht-staatlichen Haftsanstalten, es wird von Folter und Misshandlungen berichtet, teilweise mit Todesfolge.“ Die Regierung „bemüht sich, alle Haftanstalten unter staatliche Kontrolle zu bringen“ und habe „willkürliche Verhaftungen und Folter verurteilt“.
Leidtragende dieser Zustände sind auch Flüchtlinge: Der Bundesregierung sei „bekannt, dass illegale Migranten teilweise willkürlich festgenommen und auf unabsehbare Zeit unter sehr schlechten Bedingungen festgehalten werden“, heißt es weiter. Ein Abstellen dieser Zustände ist jedoch nicht Gegenstand des Trainings: „Das Missionsmandat umfasst keine Beratung zur Rechtsordnung“, so das Auswärtige Amt.
„Da werden Flüchtlinge in Knäste gesperrt, und die EU-Polizisten versuchen nicht mal, sich für sie einzusetzen“, sagt die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke, die die Anfrage gestellt hatte. „Deutlicher kann die EU gar nicht zeigen, dass es ihr nur darum geht, Flüchtlinge abzuhalten und nicht, deren Los zu verbessern.“
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